Difference between revisions of "Verfügbarkeit - Was können Arbeitgeber tun?"

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(Was kann gegen Verfügbarkeit gemacht werden?)
 
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==Was ist Verfügbarkeit?==
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Diese Seite wurde umbenannt und heißt nun <b>Ständige Verfügbarkeit</b> ([https://praeventa.aundo-braunschweig.de/tipps/index.php?title=St%C3%A4ndige_Verf%C3%BCgbarkeit_-_Was_k%C3%B6nnen_Arbeitgeber_tun%3F neue Seite hier]). Die Inhalte sind aber auf beiden Seiten gleich, Sie können also gerne hier bleiben.
Verfügbarkeit lässt sich beschreiben als <b> ständige Erreichbarkeit der Mitarbeitenden außerhalb der regulären und vertraglich geregelten Arbeitszeit</b> [15]. Hierbei findet oft eine Kontaktierung der Mitarbeitenden zu dienstlichen Themen statt, zum Beispiel telefonisch, über Instant-Messenger oder über E-Mail. Verfügbare Mitarbeitende zeichnen sich durch <b>ständige Ansprechbarkeit und Reaktionsbereitschaft </b> aus [5].
 
Ständige Verfügbarkeit geht über eine einmalige Kontaktaufnahme außerhalb der Arbeitszeit hinaus. Die Mitarbeitenden sind davon überzeugt, dass diese Verfügbarkeit von ihnen erwartet wird [5].
 
 
 
Von ständiger Verfügbarkeit außerhalb der festgelegten Arbeitszeiten müssen Verfügbarkeiten abgegrenzt werden, die vertraglich festgelegt sind. So gibt es beispielsweise in der Großindustrie technische Mitarbeitende, die im Falle einer technischen Störung jederzeit erreichbar sein müssen. Diese Verantwortung wird hierbei zusätzlich vergütet [7]
 
In diesem Artikel ist die Verfügbarkeit gemeint, die <b>nicht vertraglich vereinbart wurde und von dem Gefühl des "Erreichbar-sein-müssen" geprägt ist</b> [15].
 
  
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==Was ist ständige Verfügbarkeit?==
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<p>Verfügbarkeit lässt sich beschreiben als <b> ständige Erreichbarkeit der Mitarbeitenden außerhalb der regulären und vertraglich geregelten Arbeitszeit</b> [1,2]. Hierbei findet eine Kontaktierung der Mitarbeitenden zu dienstlichen Themen statt, zum Beispiel telefonisch, über Instant-Messenger oder über E-Mail. Verfügbare Mitarbeitende zeichnen sich durch <b>ständige Ansprechbarkeit und Reaktionsbereitschaft </b> aus [3].</p>
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<p>Ständige Verfügbarkeit geht über eine einmalige Kontaktaufnahme außerhalb der Arbeitszeit hinaus. Die Mitarbeitenden sind davon überzeugt, dass diese Verfügbarkeit von ihnen erwartet wird [3].</p>
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<p>Von ständiger Verfügbarkeit außerhalb der festgelegten Arbeitszeiten müssen Verfügbarkeiten abgegrenzt werden, die vertraglich festgelegt sind. So gibt es beispielsweise in der Großindustrie technische Mitarbeitende, die im Falle einer technischen Störung jederzeit erreichbar sein müssen. Diese Verantwortung wird hierbei zusätzlich vergütet. [4] </p>
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<p>Diese vertraglich vereinbarte Verfügbarkeit ist auf dieser Seite explizit <b>nicht</b> gemeint – es geht ausschließlich um die <b>nicht vertraglich vereinbarten Verfügbarkeiten, welche von dem Gefühl des "Erreichbar-sein-müssen" geprägt sind</b> [1]. Sofern Ihr Team einen hohen Wert bei der Skala „ständige Verfügbarkeit“ aufweist und dies mit vertraglich vereinbarten Regelungen zu erklären ist, sprechen Sie dies dennoch im Team an, da vermehrter Ärger, schlechte Stimmung und geringere soziale Aktivitäten sowie Entspannung zu Hause auch in diesem Fall eine Rolle spielen [5]. Gibt es Ideen zur Optimierung im Team (vielleicht auch mit einigen Anregungen von dieser Seite)? Andernfalls ist dies dann in Ihrem Fall eine Anforderung, die zur Arbeit dazugehört – umso wichtiger ist es dann, Ressourcen zu stärken, die helfen mit dieser Anforderung umzugehen. </p>
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Bevor wir im Folgenden Strategien zur Reduktion und zum besseren Umgang mit dem Thema ständige Verfügbarkeit vorstellen, wird zunächst aufgezeigt, warum dieses Thema für Organisationen so wichtig ist.
  
 
==Warum ist es wichtig, auf Verfügbarkeit zu achten?==
 
==Warum ist es wichtig, auf Verfügbarkeit zu achten?==
Die Fortschritte in der Digitalisierung mit den inzwischen gängigen Kommunikationstechnologien wie Internet, Smartphones und Laptops ermöglichen mobile Erreichbarkeit  der Mitarbeitenden. Mit dieser Weiterentwicklung gehen sowohl Chancen als auch Risiken einher, deren Auswirkungen nicht zu vernachlässigen ist [5]. Einige Mitarbeitende versuchen, durch ständige Verfügbarkeit ihren Spaß an der Arbeit und ihre hohe Motivation und Identifikation mit ihrem Job zu transportieren. Eine Ursache dafür kann in Ihnen als Führungskraft liegen, wenn die Mitarbeitenden die Erwartung ständiger Verfügbarkeit bei Ihnen wahrnehmen oder vermuten. [1, 12, 13] Daher ist es für Sie als Führungskraft wichtig, auf Verfügbarkeit zu achten, damit Sie eventuell falsche Wahrnehmungen korrigieren, die gewünschte Anerkennung Ihrer Mitarbeitenden entsprechend bedienen und letztendlich auf die Gesundheit Ihres Teams achten können. Überschreitet die Verfügbarkeit längerfristig ein angemessenes Maß, so kann es zu folgenschweren Konsequenzen kommen.
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[[File: 03_Bild_Folgen_Verfügbarkeit.png|700px|thumb|right|Folgen von Verfügbarkeit, angelehnt an [5,6,7,8,9]]]
 
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<h3>Folgen von ständiger Verfügbarkeit</h3>
[[File:Verfügbarkeit Folgen von Verfügbarkeit.png | 300px |thumb|center| Folgen von Verfügbarkeit| [2] [4] [10] [17] [18]]]
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<p>Die <b>negativen Folgen</b> einer ständigen Verfügbarkeit sind vielfältig – die Abbildung rechts gibt Ihnen einen Überblick über Forschungsbefunde. Wichtig ist zudem, dass negative Folgen unabhängig davon auftreten, ob aus der Erreichbarkeit tatsächlich Arbeit entsteht oder nicht. Allein die Verfügbarkeit bzw. das Gefühl für arbeitsbezogene Belange in der Freizeit verfügbar sein zu müssen, kann die <b>Gesundheit und das Wohlbefinden beeinträchtigen</b> [5]. </p>
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<p>Um gesundheitliche Probleme und damit einhergehende Krankheitstage zu vermeiden, sollten Sie als Arbeitgeber bzw. Ihre Organisation daher die Ursachen für ständige Verfügbarkeit (tatsächlich/ gefühlt) überprüfen und geeignete Lösungen erarbeiten. Nur so kann sichergestellt werden, dass ein Abschalten außerhalb der Arbeit möglich ist und somit langfristig gesundheitliche Folgen ausbleiben [10].</p>
  
Die negativen Folgen einer ständigen Erreichbarkeit sind unabhängig davon, ob aus der Erreichbarkeit tatsächlich Arbeit entsteht oder nicht. Allein die Verfügbarkeit für arbeitsbezogene Belange in der Freizeit kann die Gesundheit und das Wohlbefinden beeinträchtigen [4]. Bei körperlicher Arbeit, die ohnehin Beschwerden wie Rücken- oder Nackenschmerzen hervorruft, kann Verfügbarkeit diese Beschwerden verstärken.
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<h3>Mögliche Ursachen für ständige Verfügbarkeit</h3>
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<p>Häufig ist es ein Wechselspiel zwischen unterschiedlichen Aspekten – aber grob können die folgenden 4 Ursachen unterschieden werden: </p>
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<ol><li>Eine mögliche Ursache für die Entstehung von ständiger Verfügbarkeit können <b>vermutete oder wahrgenommene Erwartungen anderer</b> gegenüber den Mitarbeitenden sein. Erwartungen können zum Beispiel von der Führungskraft oder von Kollegen/innen ausgehen. Die Mitarbeitenden sind motiviert, diese Erwartungen zu erfüllen. Dadurch kommt es zu einem entsprechenden Verhalten, welches sich in ständiger Ansprechbarkeit und Reaktionsbereitschaft widerspiegelt [11].</li>
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<li>Eine weitere Ursache kann die Einstellung der Mitarbeitenden selbst sein. So können Mitarbeitende besonders motiviert sein, <b>Spaß an der Arbeit zu haben oder Anerkennung für ihre Arbeit zu bekommen</b> [12]. Auch eine hohe Identifikation mit der Arbeit kann eine Rolle dabei spielen, ob Mitarbeitende ständig erreichbar sind [13].</li>
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<li>Auch der Einsatz und die <b>Weiterentwicklung von Kommunikationstechnologien</b> wie Internet, Smartphones und Laptops sind entscheidend für die Entstehung von ständiger Verfügbarkeit, weil diese die mobile Erreichbarkeit der Mitarbeitenden erst ermöglichen [3].</li>
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<li>Zudem spielt die aktuelle Entwicklung zu mehr <b>Homeoffice</b> eine große Rolle: Ausgelöst durch die Corona-Pandemie haben bereits viele Unternehmen Ihre Einstellung zu bzw. Ihren Umgang mit Homeoffice geändert. Zudem wird erwartet, dass auch zukünftig – unabhängig von Corona – Homeoffice zunehmen genutzt wird. Neben zahlreichen Vorteilen für Organisationen und auch Mitarbeitende, geht diese Entwicklung aber auch mit Gefahren einher. Eine dieser Gefahren ist eine <b>mögliche weitere Entgrenzung von Arbeits- und Privatleben</b> (s. zum Thema Entgrenzung sowie den Umgang mit individuell unterschiedlichen Bedürfnissen bei diesem Thema auch [https://praeventa.aundo-braunschweig.de/tipps/index.php?title=Private_Belastung_-_Was_k%C3%B6nnen_Arbeitgeber_tun%3F#Die_Bed.C3.BCrfnisse:_Seperation.2C_Entgrenzung_und_Integration hier]). Dies wiederum kann das Gefühl erreichbar sein zu müssen oder auch die tatsächliche Erwartung an ständige Verfügbarkeit verstärken. </li></ol>
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<p>Überlegen Sie kurz: Welche Ursachen könnten in Ihrem Team eine besondere Rolle spielen? Behalten Sie dies bei der Bearbeitung des folgenden Abschnitts zu Maßnahmen im Hinterkopf und überlegen Sie jeweils, was am besten zu der Situation Ihres Teams/ zu Ihren Ursachen passt.</p>
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==Was kann gegen Verfügbarkeit gemacht werden?==
 
==Was kann gegen Verfügbarkeit gemacht werden?==
<h4>Reflexion</h4>
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<h3>Reflexion</h3>
[[File:Reflektion Verfügbarkeit.png | 200px | link=https://praeventa.aundo-braunschweig.de/tipps/images/9/96/Handout_Reflexion_Verf%C3%BCgbarkeit.pdf| thumb | right | [[Handout_Reflexion_Verfügbarkeit.pdf ‎ |Reflektion Erwartungen an Verfügbarkeit © Präventa]]]]
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[[File:10_Grafik_Reflexionsbogen_Unterstützung_Führungskraft.PNG|150px|link=https://praeventa.aundo-braunschweig.de/tipps/images/d/da/01_Arbeitsblatt_Reflexion_Verf%C3%BCgbarkeit_neu.pdf|thumb|left|Reflexion Erwartungen an Verfügbarkeit]]
Sie können mit der Reflexion starten, um sich zunächst einen Überblick darüber zu verschaffen, wie Sie aktuell mit dem Thema Verfügbarkeit umgehen, welche persönliche Erwartungshaltung damit zusammenhängt und welche Schritte der Veränderung Sie diesbezüglich eventuell anstreben. Bearbeiten Sie dazu das Handout rechts. <br>
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<p>Starten Sie mit der Reflexion, um sich zunächst einen Überblick darüber zu verschaffen, wie Sie aktuell mit dem Thema Verfügbarkeit umgehen, welche persönliche Erwartungshaltung damit zusammenhängt und welche Schritte der Veränderung Sie diesbezüglich anstreben. Bearbeiten Sie dazu das [https://praeventa.aundo-braunschweig.de/tipps/images/d/da/01_Arbeitsblatt_Reflexion_Verf%C3%BCgbarkeit_neu.pdf Handout] links.</p>
Falls Sie zudem reflektieren möchten, wie Sie selbst mit ständiger Erreichbarkeit umgehen, klicken Sie [[Verfügbarkeit - Was können Sie persönlich für sich tun?#Reflektion|hier]].
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<p>Nach der Bearbeitung der Reflexionsfragen: Schauen Sie nun nochmal auf Ihre Antworten sowie die oben beschriebenen [[#Mögliche Ursachen für ständige Verfügbarkeit|Ursachen]] und überlegen Sie: Gibt es <i>tatsächlich</i> die Erwartung, ständig verfügbar zu sein oder nehmen die Mitarbeitenden das nur so <i>wahr</i>?</p>  
 
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* Mitarbeitende nehmen dies nur so wahr: Beschäftigen Sie sich insbesondre mit den Abschnitten [[#Als Führungskraft ein Vorbild sein| Als Führungskraft ein Vorbild sein]] sowie [[#Organisations- und Teamkultur|Organisations- und Teamkultur]]
<h4> Organisationskultur </h4>
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* tatsächliche Anforderung: Beschäftigen Sie sich insbesondre mit den Abschnitten [[#Transparenz und Erwartungsklarheit|Transparenz und Erwartungsklarheit]] sowie [[#Ressourcen stärken |Ressourcen stärken]]
Förderlich oder hinderlich für das Entgegenwirken ständiger Verfügbarkeit kann die Organisationskultur sein. Organisationskulturen drücken aus, welche Überzeugungen und Handlungsmuster im Unternehmen vorliegen. Organisationskultur wird im Unternehmensalltag auf Basis von selbstverständlichen, meist nicht reflektierten Annahmen praktiziert. <br>
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<div style="clear: both;"></div>
[[File:Organisationskultur.png | 300px |thumb|right]]
 
Eine Basisannahme ist das menschliche Handeln im Unternehmen. Hierunter fällt auch die Annahme darüber, wie stark verfügbar die Mitarbeitenden außerhalb der Arbeitszeit sein sollen. Wie oben beschrieben, sind diese Annahmen selbstverständlich und werden beispielsweise auch nicht als Pflicht oder Erwartungshaltung an die Beschäftigten kommuniziert. <br>
 
So kann es vorkommen, dass unterschiedliche Beschäftigte eines Unternehmens z. B. verschiedene Annahmen darüber haben, wie stark verfügbar sie außerhalb der Arbeitszeit sein sollen. Es gibt beispielsweise Unternehmen, in dem es für alle Beschäftigten (v. a. Führungskräfte selbstverständlich ist), immer erreichbar zu sein. In anderen Unternehmen ist es selbstverständlich, nur während der Arbeitszeit verfügbar zu sein.
 
Wenn in einem Unternehmen mehrere Annahmen der Organisationskultur aufeinandertreffen, kann dies zu Konflikten führen, v. a. zwischen Vorgesetzen und dessen Mitarbeitenden. <br>
 
Es ist daher sinnvoll, klar zu kommunizieren, wie stark ein Mitarbeitender verfügbar sein soll, anstatt, dass jeder hier eigene Annahmen hat. Ggf. sollte dies auch im Arbeitsvertrag geregelt sein. <br>
 
Alternativ kann eine Organisationskultur schrittweise implementiert werden, die die eigene <b>Entscheidungskompetenz und Autonomie</b> der Mitarbeitenden betont und fördert (z.B. bzgl. der Entscheidung darüber, wann jemand verfügbar ist). Konkrete Maßnahmen könnten beispielsweise sein, dass das Empfangen von E-Mails für Mitarbeitende am Wochenende nicht möglich ist oder das Ermutigen der Mitarbeitenden, am Wochenende nicht in den Posteingang zu schauen. <br>
 
Auch sollte die Organisationskultur im Allgemeinen durch <b>Wertschätzung und Akzeptanz</b> geprägt sein, sodass Vorgesetzte beispielsweise akzeptieren, wenn jemand nicht ständig außerhalb der Arbeitszeit erreichbar ist. <br>
 
Um die Organisationskultur Ihres Unternehmens zu reflektieren und zu prüfen, ob geeignete Bedingungen vorliegen, um Verfügbarkeit entgegenzuwirken, bearbeiten Sie folgende Übung:
 
[[File:Reflektion der Organisationskultur.png  | 200px | link=https://praeventa.aundo-braunschweig.de/tipps/images/c/cc/%C3%9Cbung_Organisationskultur.pdf| thumb | center| [[Media:Übung Organisationskultur.pdf | Reflektion Organisationskultur © Präventa]]]]
 
 
 
<h4>Als Führungskraft ein Vorbild sein</h4>
 
Sie als Führungskraft mit Ihrem Verhalten haben einen essenziellen Einfluss auf die Gesundheit und das Wohlbefinden Ihrer Mitarbeitenden. Dieses Vorbildverhalten darf nicht unterschätzt werden, sondern sollten Sie im Positiven nutzen. [8,11] Wenn Sie selbst am Wochenende E-Mails verschicken, könnte das bei den Mitarbeitenden die Erwartung wecken, dass auch von ihnen dienstliche Nachrichten am Wochenende von ihnen erwartet werden. Im Gegensatz dazu eine allgemeine Sperre für das Versenden von Nachrichten außerhalb der Arbeitszeiten einzurichten, kann Klarheit und Entspannung schaffen. Die Geführten orientieren sich am Verhalten ihrer Führungskraft. Ein erster Schritt ist demzufolge, Ihr eigenes Verhalten und ggf. unbewusste Signale zu überdenken und mit gutem Beispiel voranzugehen. Wenn Sie sich um sich selbst kümmern, haben Sie einen positiveren Einfluss auf Ihre Mitarbeitenden. Führen Sie sich selbst nicht gesund, überträgt sich der Stress auch auf Ihre Mitarbeitenden. Ein Vorbild hinsichtlich des Gesundheitsverhaltens zu sein, ist der Kern einer gesunden Führung, die wesentlicher Bestandteil der Organisationskultur sein sollte. [8,15]
 
 
 
<h4>Mitsprachemöglichkeiten der Mitarbeitenden</h4>
 
Im Zusammenhang mit der Verfügbarkeit der Mitarbeitenden ist es äußerst sinnvoll, Mitarbeitende in Entscheidungen diesbezüglich einzubeziehen und sich ihre Meinung gründlich erklären zu lassen. Dadurch kann gewährleistet werden, dass sich die Mitarbeitenden an der Entscheidung zur Erreichbarkeit beteiligt fühlen und diese in der Folge eher akzeptieren, als wenn der Vorgesetzte eine solche Entscheidung selbstständig trifft. (Springer-Verlag Berlin Heidelberg. (2016). Mitsprache ist die Voraussetzung für Akzeptanz. Der Freie Zahnarzt, 60, 25-25.) Dies gilt auch allgemein losgelöst vom Thema der Verfügbarkeit.
 
Nutzen Sie das folgende Arbeitsblatt, um sich selbst hinsichtlich der Mitsprachemöglichkeiten Ihrer Mitarbeitenden zu reflektieren und konkrete Maßnahmen festzulegen, wie Sie in Zukunft für mehr Mitspracherecht sorgen können.
 
[[File:Reflektion Mitsprachemöglichkeit.png | 200px | link=https://praeventa.aundo-braunschweig.de/tipps/images/3/31/Reflektion_Mitsprachem%C3%B6glichkeit.pdf| thumb | center | [[Media:Reflektion Mitsprachemöglichkeit.pdf |Reflektion Mitsprachemöglichkeit © Präventa]]]]
 
 
 
<h4>Transparenz und Gleichberechtigung</h4>
 
Wie [[Verfügbarkeit - Was können Arbeitgeber tun?#Organisationskultur|oben]] im Zusammenhang mit der Organisationskultur beschrieben, kann es sinnvoll sein, feste vertragsrechtliche Regeln einzuführen, wann und wie oft jemand verfügbar sein soll. Dies sorgt für Transparenz.
 
*Beispiel: Die Mitarbeitenden müssen sich im Falle, dass ständige Verfügbarkeit nicht verlangt wird, keinen Druck machen, trotzdem am Wochenende regelmäßig die E-Mails zu lesen, da ihnen transparent mitgeteilt wurde, dass dies nicht nötig ist. Nur so, also mit dem Wissen, dass es wirklich nicht erforderlich ist, verfügbar zu sein, können sich die Mitarbeitenden wirklich entspannen. Dies wiederum kann auch positive Konsequenzen für die Qualität der Arbeit und die Arbeitszufriedenheit haben. <br>
 
Neben der Transparenz ist es wichtig, dass die Mitarbeitenden die gleichen Rechte und Pflichten bzgl. der Verfügbarkeit haben.
 
*Beispiel: Mitarbeiter A soll für seinen Vorgesetzten auch nachts immer erreichbar sein. Mitarbeiter B hat denselben Vorgesetzten. Er soll allerdings nur biss 22 Uhr durchgehend erreichbar sein. Mitarbeiter C hat keine Information zur Erreichbarkeit erhalten und bekommt Ärger vom Vorgesetzten, weil er um 22 Uhr nicht erreichbar war. Alle drei verdienen dasselbe Gehalt.
 
Vermutlich wird es im Beispiel zwischen den Mitarbeitenden sowie deren Vorgesetzen zu Konflikten und zu allgemeiner Unzufriedenheit kommen.
 
Daher ist es sinnvoll, für Gleichberechtigung unter Mitarbeitenden zu sorgen. Eine Möglichkeit kann z.B. auch sein, dass jeweils ein Mitarbeitender an einem Tag pro Woche über die eigentliche Arbeitszeit hinaus verfügbar sein soll. Dies kann bei Erstellung der Dienstpläne beispielsweise geplant werden.
 
 
 
<h4>Ressourcen stärken</h4>
 
Ein weiterer präventiver Ansatz liegt in der Stärkung von Ressourcen. Die bisherige Forschung zeigt einen Zusammenhang des Gesundheitszustands mit den Arbeitsbedingungen, indem Stressoren negativ und Ressourcen hingegen positiv auf die Gesundheit einwirken. [3] Sollte ständige Verfügbarkeit unbedingt notwendig sein, so werden Mitarbeitende mit einer gut ausgeprägten Basis an Ressourcen weniger durch diese Anforderung belastet sein. Die Ressourcen müssen dazu aus zweierlei Perspektiven gestärkt werden. Zunächst müssen Sie als Führungskraft gesundheitsgerechtes Verhalten zeigen, um selbst genug Ressourcen zu haben, um die Ressourcen Ihrer Mitarbeitenden stärken zu können [15]. Es ist wichtig, dass Sie als Führungskraft ein Auge auf die Ressourcen Ihrer Mitarbeitenden behalten, da die Auftretenswahrscheinlichkeit von Ressourcen und Stressoren auch mit der Hierarchieebene in Verbindung steht. Beachten Sie daher, dass Mitarbeitende sich eventuell in einer schlechteren und weniger belastbaren Position in Bezug auf das Vorhandensein von Ressourcen befinden könnten. [14]
 
 
 
==Literatur==
 
[1] Ajzen, I. (1985). From intentions to actions: A theory of planned behavior. Berlin: Springer.
 
 
 
[2] Arlinghaus, A., & Nachreiner, F. (2013). When work calls - Associations between being contacted outside of regular working hours for work-related matters and health. Chronobiology International, 30(9), 1197-1202.
 
 
 
[3] Bakker, A. B., & Demerouti, E. (2007). The Job Demands-Resources model: State of the art. Journal of Managerial Psychology, 22(3), 309–328.
 
 
 
[4] Bamberg, E., Dettmers, J., Funck, H., Krähe, B., & Vahle-Hinz, T. (2012). Effects of on-call work on well-being: Results of a daily survey. Applied Psychology: Health and Well-Being, 4, 299-320.
 
 
 
[5] Bergman, A., & Gardiner, J. (2007). Employee availability for work and family: three Swedish case studies. Employee Relations, 29, 400–414.
 
 
 
[7] Fietze, S., Keller, M., Friedrich, N., & Dettmers, J. (2014). Rufbereitschaft und das Projekt „Flexibilität und Verfügbarkeit durch Arbeit auf Abruf “(RUF). In S. Fietze (Hrsg.), Rufbereitschaft: Wenn die Arbeit in der Freizeit ruft (pp. 1-5). Rainer Hampp.
 
 
 
[8] Franke, F., & Felfe, J. (2011). Diagnose gesundheitsförderlicher Führung – Das Instrument „Health-oriented Leadership“. In B. Badura, A. Ducki, H. Schröder, J. Klose, & K. Macco (Eds.), Fehlzeiten-Report 2011: Führung und Gesundheit (pp. 3–13). Berlin: Springer.
 
 
 
[10] Hassler, M., Rau, R.,Hupfeld, J., Paridon, H., & Schuchart, U. (2016). iga.Report23: Auswirkungen von ständiger Erreichbarkeit und Präventionsmöglichkeiten. Abgerufen von http://www.iga-info.de/fileadmin/redakteur/Veroeffentlichungen/iga_Reporte/Dokumente/iga-Report_23_Teil2_Auswirkungen_staendiger_Erreichbarkeit.pdf
 
  
[11] Kuoppala, J., Lamminpää, A., Liira, J., & Vainio, H. (2008). Leadership, job well-being, and health effects - a systematic review and a meta-analysis. Journal of Occupational and Environmental Medicine, 50(8), 904–915.  
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<h3>Als Führungskraft ein Vorbild sein</h3>
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<p>Sie als Führungskraft mit Ihrem Verhalten haben einen essenziellen Einfluss auf die Gesundheit und das Wohlbefinden Ihrer Mitarbeitenden. Dieses Vorbildverhalten darf nicht unterschätzt werden, sondern sollten Sie im Positiven nutzen [14,15].</p>
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<p>Wenn Sie selbst am Wochenende E-Mails verschicken, könnte das bei den Mitarbeitenden die Erwartung wecken, dass auch von ihnen dienstliche Nachrichten am Wochenende von Ihnen erwartet werden. Vielleicht ist es sogar sinnvoll, eine allgemeine Sperre für das Versenden von Nachrichten außerhalb der Arbeitszeiten einzurichten. Dies schafft auf jeden Fall Klarheit und Entspannung.</p>
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<p>Aber auch ohne diese drastische Maßnahme gilt: Die Geführten <b>orientieren sich am Verhalten ihrer Führungskraft</b>. Ein erster Schritt ist demzufolge, Ihr eigenes Verhalten und ggf. unbewusste Signale zu überdenken und mit gutem Beispiel voranzugehen. Wenn Sie sich um sich selbst kümmern, haben Sie einen positiveren Einfluss auf Ihre Mitarbeitenden. Fühlen Sie sich selbst nicht gesund, überträgt sich der Stress auch auf Ihre Mitarbeitenden. Ein Vorbild hinsichtlich des Gesundheitsverhaltens zu sein, ist der Kern einer gesunden Führung, die wesentlicher Bestandteil der Organisationskultur sein sollte [9,16]. </p>
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<p>Sie erwarten nicht, dass Mitarbeitende abends oder am Wochenende auf Ihre E-Mails antworten bzw. selbst arbeiten und welche schreiben, aber Sie wollen auch nicht darauf verzichten Ihre eigenen Arbeitszeiten flexibel zu halten? Solange Sie gut auf sich achten und für ausreichend Entspannungsphasen sorgen, spricht auch hier nichts gegen. Im Gegenteil: Vielleicht sind Sie bspw. Vater oder Mutter und können gerade durch diese flexiblen Zeiten Ihren privaten und beruflichen Anforderungen besser gerecht werden – d.h. Sie schreiben zwar Mails am Wochenende, dafür nehmen Sie sich unter der Woche aber auch einen Nachmittag für die Familie frei. Wenn dies (oder etwas ähnliches) zutrifft, ist es nur wichtig, <b>dies gut zu kommunizieren</b>. Stellen Sie sicher, dass keine falschen Erwartungen in Ihr Verhalten reininterpretiert werden. Und machen Sie deutlich, dass – im Sinne der Vorbildfunktion - auch Sie auf sich achten (am besten mit konkretem Beispiel). </p>
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<p>Auch wenn es bei Ihnen gar nicht um E-Mails geht: Überlegen Sie, woher falsche Erwartungen kommen können und stellen Sie klar, worum es ihnen tatsächlich geht und warum (s. hierzu auch Abschnitt [[#Transparenz und Erwartungsklarheit|Transparenz und Erwartungsklarheit]]). </p>
  
[12] Matthews, R. A., & Barnes-Farrell, J. L. (2010). Development and initial evaluation of an enhanced measure of boundary flexibility for the work and family domains. Journal of Occupational Health Psychology, 15(3), 330-346.
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<h3> Organisations- und Teamkultur </h3>
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<p>Förderlich oder hinderlich für das Thema ständiger Verfügbarkeit kann die Organisations- und auch Teamkultur sein. Organisationskulturen drücken aus, welche Überzeugungen und Handlungsmuster im Unternehmen vorliegen. Organisationskultur wird im Unternehmensalltag auf Basis von selbstverständlichen, meist nicht reflektierten Annahmen praktiziert.</p>
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<p>Eine dieser oft unreflektierten Annahmen ist die Frage, wie stark verfügbar die Mitarbeitenden außerhalb der Arbeitszeit sein sollen. Das heißt, wenn Verfügbarkeiten außerhalb der Arbeitszeit nicht schriftlich (bspw. im Arbeitsvertrag oder Dienstvereinbarungen) vereinbart sind, interpretieren Mitarbeitende anhand der gelebten Kultur, was von Ihnen erwartet wird und handeln danach – ganz ohne, dass diese Erwartungshaltung an die Beschäftigten jemals kommuniziert wurde.</p>
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<p>Zudem unterscheiden sich Organisationen bezüglich der impliziten Erwartung der Verfügbarkeit sehr stark: Es gibt beispielsweise Unternehmen oder auch Bereiche innerhalb eines Unternehmens, in dem es für Beschäftigte (v. a. Führungskräfte) selbstverständlich ist, immer erreichbar zu sein. In anderen Unternehmen ist es hingegen selbstverständlich, nur während der Arbeitszeit verfügbar zu sein. Teilweise werden auch technische Maßnahmen getroffen, die das Bearbeiten von E-Mails am Wochenende oder im Urlaub verhindern. Wenn in einem Unternehmen mehrere Annahmen der Organisationskultur aufeinandertreffen, kann dies zu Konflikten führen, v. a. zwischen Vorgesetzen und dessen Mitarbeitenden, aber auch innerhalb eines Teams. Es ist daher wichtig, implizite Annahmen zu vermeiden. Dafür muss klar kommuniziert werden, welche Erwartungen an die Verfügbarkeit gestellt werden. Dies sollte zudem schriftlich, möglichst auch im Arbeitsvertrag geregelt sein.</p> [[File: Grafik_Organisation-_und_Teamkultur_Verfügbarkeit.PNG|150px|link=https://praeventa.aundo-braunschweig.de/tipps/images/9/96/02_Arbeitsblatt_Reflexion_Organisationskultur_Verf%C3%BCgbarkeit.pdf|thumb|right|Reflexion Organisationskultur]]
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<p>Auch sollte die Organisationskultur im Allgemeinen durch <b>Wertschätzung und Akzeptanz</b> geprägt sein, sodass Vorgesetzte beispielsweise akzeptieren, wenn jemand nicht (ständig) außerhalb der Arbeitszeit erreichbar ist. Und grundsätzlich gilt: Ist die Verfügbarkeit außerhalb der Arbeitszeit nicht vertraglich geregelt, kann ich diese nicht erwarten. Daher sollten Vorgesetzte sich für Erreichbarkeit außerhalb der Arbeitszeit bedanken und diesen Einsatz der Mitarbeitenden wertschätzen. Gleichzeitig sollte allen Beteiligten klar sein, dass dies nicht der Normalfall werden darf. In einer Akutsituation (bspw. Projektdeadline) kann dies erforderlich sein – aber im Normalfall brauchen die Mitarbeitenden Ihre Ruhepausen und müssen – im wahrsten Sinne des Wortes – abschalten können, damit Sie gesund bleiben. Sollte es sich nicht um eine Ausnahmesituation handeln, sollte dies zudem formell und schriftlich vereinbart werden – dies ist Teil der Arbeitszeit und muss entsprechend geregelt werden (Ausgleich, Vergütung, ausreichend [https://www.baua.de/DE/Angebote/Publikationen/Praxis/Flexibel-arbeiten.pdf?__blob=publicationFile&v=12 Erholungspausen], …).  </p>
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<p>Wie ist Kultur in Ihrem Unternehmen? Und noch wichtiger (und greifbarer sowie leichter veränderbar): Wie ist es in Ihrem Team? Um die Organisations- und Teamkultur zu reflektieren und zu prüfen, ob geeignete Bedingungen vorliegen, um Verfügbarkeit entgegenzuwirken, bearbeiten Sie die [[Media: 02_Arbeitsblatt_Reflexion_Organisationskultur_Verfügbarkeit.pdf|Übung]], deren Anleitung Sie rechts finden. Es kann auch hilfreich sein, diese Übung anschließend mit Ihrem Team gemeinsam zu bearbeiten: Welche falschen Annahmen zeigen sich hier? Welche Unterscheide gibt es zwischen den Teammitgliedern? Ziel ist es also, die impliziten Annahmen explizit zu machen und somit eine gemeinsame Basis zu schaffen und ggf. mit falschen Annahmen und vermuteten Erwartungen aufzuräumen.</p>
  
[13] Ohly, S., & Latour, A. (2014). Work-related smartphone use and well-being in the evening. Journal of Personnel Psychology, 13, 174-183.
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<h3>Transparenz und Erwartungsklarheit</h3>
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<p>Wie [[#Organisations- und Teamkultur|oben]] im Zusammenhang mit der Organisationskultur beschrieben, kann es sinnvoll sein, feste vertragsrechtliche Regeln einzuführen, wann und wie oft jemand verfügbar sein soll. Dies sorgt für Transparenz und diese wiederum für Effizienz [16].</p>
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Aber auch abgesehen von vertraglichen Rahmenbedingungen ist es wichtig transparent mit dem Thema Verfügbarkeit umzugehen und die eigenen Erwartungen gut zu kommunizieren. Schauen Sie also nochmal auf das [[Media: 01_Arbeitsblatt_Reflexion_Verfügbarkeit_neu.pdf| Handout zur Reflexion]]:
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* <b>Erwartungen kommunizieren und erklären</b>: <b>Warum</b> erwarten Sie <b>wann</b> und von <b>wem</b> verfügbar zu sein? Überlegen Sie bei dem „warum“ auch, welche Argumente für Ihre Mitarbeitenden besonders nachvollziehbar und überzeugend sein können.  
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* <b>Gleichberechtigung</b>: Gilt für alle Teammitglieder das gleiche oder gibt es Unterschiede? Wenn ja: Warum gibt es diese, was ist bspw. mit bestimmten Aufgaben oder Rollen verbunden? Kommunizieren Sie auch diese Aspekte, damit Sie Unzufriedenheit und Konflikte innerhalb des Teams vermeiden.  
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*<b> Wie oft brauchen Sie tatsächlich jemanden außerhalb der Arbeitszeit?</b> Forschungsbefunde zeigen, dass alleine die wahrgenommene Verfügbarkeit (egal, ob tatsächlich etwas zu tun ist) negative Konsequenzen hat. Überlegen Sie daher, ob zu bestimmten Zeiten (oder auch grundsätzlich) nicht alle Mitarbeitenden verfügbar sein müssen (bspw. je nur ein Mitarbeiter pro Projektteam) und entlasten Sie ihr Team so.
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* <b>Welche Regeln haben sie bisher vereinbart?</b> Gibt es bspw. feste Zeiten zu denen E-Mails gelesen werden? Unter welchen Bedingungen dürfen Kollegen angerufen werden, wenn sie frei haben? Welche neuen Regeln können Sie sich vorstellen?
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* <b>Welche Rahmenbedingen müssen Sie vorgeben?</b> Warum? An welchen Punkten sind Sie aber auch offen für anderen Lösungswege? 
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<p>Nutzen Sie die Fragen zur Vorbereitung und besprechen Sie dann im Team, wie Sie mit dem Thema zukünftig umgehen wollen. Starten Sie mit Ihren Erwartungen und den Gründen dafür. Erarbeiten Sie dann im Team, welche Dinge schon gut laufen und beibehalten werden sollen (also implizite Regeln explizit machen) und was noch nicht gut läuft und verändert werden soll. Planen Sie dafür gemeinsam konkrete Schritte (Maßnahmenplan). Weiterführende Tipps, wie Sie einen solchen Workshop gestalten können sowie eine Vorlage für einen Maßnahmenplan, finden Sie [https://praeventa.aundo-braunschweig.de/tipps/index.php?title=Hinweise_f%C3%BCr_F%C3%BChrungskr%C3%A4fte#Workshop hier].</p>
  
[14] Pangert, B., & Schüpbach, H. (2011). Arbeitsbedingungen und Gesundheit von Führungskräften auf mittlerer und unterer Hierarchieebene. In B. Badura, A. Ducki, H. Schröder, J. Klose, & K. Macco (Eds.), Fehlzeiten-Report 2011: Führung und Gesundheit (pp. 71–79). Berlin: Springer.
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<h3>Ressourcen stärken</h3>
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<p>Ein weiterer präventiver Ansatz liegt in der Stärkung von Ressourcen. Nicht immer können Anforderungen (ganz) vermeiden werden. Aus der Forschung wissen wir aber, dass negative Folgen von Anforderungen ausbleiben oder zumindest abgeschwächt werden, wenn ausreichend Ressourcen zur Bewältigung zur Verfügung stehen (weitere Informationen finden Sie [https://praeventa.aundo-braunschweig.de/tipps/index.php?title=Job_Demands-Resources_Model hier]).  Sollte ständige Verfügbarkeit bei Ihnen nicht vermeidbar sein, so werden Mitarbeitende mit einer gut ausgeprägten Basis an Ressourcen weniger durch diese Anforderung belastet sein. Die Ressourcen müssen dazu aus zweierlei Perspektiven gestärkt werden. Zunächst müssen Sie als Führungskraft gesundheitsgerechtes Verhalten zeigen, um selbst genug Ressourcen zu haben, um die Ressourcen Ihrer Mitarbeitenden stärken zu können [1]. Zudem ist es wichtig, dass Sie als Führungskraft ein Auge auf die Ressourcen Ihrer Mitarbeitenden behalten und aktiv den Aufbau neuer Ressourcen sowie den Ausbau bereits vorhandener Ressourcen unterstützen. </p>
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<p>Eine Möglichkeit, Ressourcen zu stärken, um mit ständiger Erreichbarkeit umgehen zu können, sind Schulungen und Trainings (beispielsweise zu den Themen [https://praeventa.aundo-braunschweig.de/tipps/index.php?title=Entspannungstechniken "Entspannung"], [https://praeventa.aundo-braunschweig.de/tipps/index.php?title=Zeitdruck_-_Was_k%C3%B6nnen_Arbeitgeber_tun%3F "Zeitmanagement"], [https://praeventa.aundo-braunschweig.de/tipps/index.php?title=Achtsamkeit "Achtsamkeit"] (um positive Dinge stärker wahrnehmen zu können), aber auch zu "Kommunikation" (siehe [https://praeventa.aundo-braunschweig.de/tipps/index.php?title=Ver%C3%A4nderungsdruck_-_Was_k%C3%B6nnen_Arbeitgeber_tun%3F#Kommunikation_mit_Ihren_Mitarbeitenden hier], um z. B. potenzielle Überforderung angemessen kommunizieren zu können). Um mehr dazu erfahren, wie Sie Ressourcen der Mitarbeitenden stärken können, klicken Sie [https://praeventa.aundo-braunschweig.de/tipps/index.php?title=Emotionsarbeit_-_Was_k%C3%B6nnen_Arbeitgeber_tun%3F#5.29_Ressourcen_st.C3.A4rken hier].
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<p>Nutzen Sie zudem die Erkenntnisse aus dem Präventa-Projekt: Schauen Sie nochmal auf Ihre Teamergebnisse und überlegen Sie, welche Ressourcen Sie weiter stärken können. Überlegen Sie dabei auch ganz explizit: Was kann meinem Team helfen, mit diesen Anforderungen besser umzugehen? Konkrete Maßnahmen zur Stärkung der Ressourcen finden Sie auf den jeweiligen Wiki.Seiten. Einen Überblick aller Seiten finden Sie [https://praeventa.aundo-braunschweig.de/tipps/index.php?title=Inhaltsverzeichnis hier].</p>
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<p><b>Fall Sie zudem selber reflektieren möchten (auch im Sinne Ihrer Vorbildfunktion), wie Sie selbst mit ständiger Erreichbarkeit umgehen, klicken Sie [[Verfügbarkeit - Was können Sie persönlich für sich tun?#Reflektion|hier]].</b></p>
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[15] Pundt, F., & Felfe, J. (2017). Health oriented Leadership.: Instrument zur Erfassung gesundheitsförderlicher Führung. Bern: Hogrefe.
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==Quellen==
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[1] Pundt, F., & Felfe, J. (2017). Health oriented Leadership.: Instrument zur Erfassung gesundheitsförderlicher Führung. Bern: Hogrefe.<br>
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[2] Schulte, E.-M., Wittner, B., & Kauffeld, S. (2021). Ressourcen und Anforderungen (ReA) in der Arbeitswelt: Entwicklung und erste Validierung eines Fragebogens. <i>Gruppe. Interaktion. Organisation. Zeitschrift für Angewandte Organisationspsychologie (GIO), 52</i>, 405-415.<br>
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[3] Bergman, A., & Gardiner, J. (2007). Employee availability for work and family: three Swedish case studies. Employee Relations, 29, 400–414.<br>
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[4] Fietze, S., Keller, M., Friedrich, N., & Dettmers, J. (2014). Rufbereitschaft und das Projekt „Flexibilität und Verfügbarkeit durch Arbeit auf Abruf “(RUF). In S. Fietze (Hrsg.), Rufbereitschaft: Wenn die Arbeit in der Freizeit ruft (pp. 1-5). Rainer Hampp.<br>
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[5] Bamberg, E., Dettmers, J., Funck, H., Krähe, B., & Vahle-Hinz, T. (2012). Effects of on-call work on well-being: Results of a daily survey. Applied Psychology: Health and Well-Being, 4, 299-320.<br>
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[6] Arlinghaus, A., & Nachreiner, F. (2013). When work calls - Associations between being contacted outside of regular working hours for work-related matters and health. Chronobiology International, 30(9), 1197-1202.<br>
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[7] Hassler, M., Rau, R.,Hupfeld, J., Paridon, H., & Schuchart, U. (2016). iga.Report23: Auswirkungen von ständiger Erreichbarkeit und Präventionsmöglichkeiten. Abgerufen von http://www.iga-info.de/fileadmin/redakteur/Veroeffentlichungen/iga_Reporte/Dokumente/iga-Report_23_Teil2_Auswirkungen_staendiger_Erreichbarkeit.pdf<br>
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[8] Sonnentag, S., & Fritz, C. (2007). The Recovery Experience Questionnaire: Development and validation of a measure for assessing recuperation and unwinding from work. Journal of Occupational Health Psychology, 12(3), 204-221.<br>
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[9] Sonnentag, S., & Schiffner, C. (2019). Psychological detachment from work during nonwork time and employee well-being: The role of leader's detachment. Spanish Journal of Psychology, 22(3).<br>
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[10] Sonnentag, S. & Fritz, C. (2015). <i>Recovery freom job stress: The stressor-detachment model as an integrative framework.</i>. Journal of Organizational Behaviour, 36(1), 72-103.<br>
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[11] Ajzen, I. (1985). From intentions to actions: A theory of planned behavior. Berlin: Springer.<br>
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[12] Ohly, S., & Latour, A. (2014). Work-related smartphone use and well-being in the evening. Journal of Personnel Psychology, 13, 174-183.<br>
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[13] Matthews, R. A., & Barnes-Farrell, J. L. (2010). Development and initial evaluation of an enhanced measure of boundary flexibility for the work and family domains. Journal of Occupational Health Psychology, 15(3), 330-346.<br>
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[14] Franke, F., & Felfe, J. (2011). Diagnose gesundheitsförderlicher Führung – Das Instrument „Health-oriented Leadership“. In B. Badura, A. Ducki, H. Schröder, J. Klose, & K. Macco (Eds.), Fehlzeiten-Report 2011: Führung und Gesundheit (pp. 3–13). Berlin: Springer.<br>
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[15] Kuoppala, J., Lamminpää, A., Liira, J., & Vainio, H. (2008). Leadership, job well-being, and health effects - a systematic review and a meta-analysis. Journal of Occupational and Environmental Medicine, 50(8), 904–915. <br>
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[16] Neuberger, C. (2005). Mehr Transparenz steigert die Effizienz. (Die Arbeit der Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia Diensteanbieter. In Handbuch Medienselbstkontrolle (pp. 495-508). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.<br>
  
[16] Schulte, E.-M., Wittner, B., & Kauffeld, S. (2019). Ressourcen und Anforderungen in der Arbeitswelt umfassend messen: Entwicklung und Validierung eines Fragebogens (ReA). Manuskript in Vorbereitung.
+
[https://praeventa.aundo-braunschweig.de/tipps/images/0/01/Bildquellen_Verf%C3%BCgbarkeit_Verh%C3%A4ltnis.pdf Bildquellen]
  
[17] Sonnentag, S., & Fritz, C. (2007). The Recovery Experience Questionnaire: Development and validation of a measure for assessing recuperation and unwinding from work. Journal of Occupational Health Psychology, 12(3), 204-221.
+
[https://praeventa.aundo-braunschweig.de/tipps/index.php?title=Main_Page  &copy; Präventa]
[18] Sonnentag, S., & Schiffner, C. (2019). Psychological detachment from work during nonwork time and employee well-being: The role of leader's detachment. Spanish Journal of Psychology, 22(3).
 

Latest revision as of 12:43, 28 September 2021

Diese Seite wurde umbenannt und heißt nun Ständige Verfügbarkeit (neue Seite hier). Die Inhalte sind aber auf beiden Seiten gleich, Sie können also gerne hier bleiben.

Was ist ständige Verfügbarkeit?

Verfügbarkeit lässt sich beschreiben als ständige Erreichbarkeit der Mitarbeitenden außerhalb der regulären und vertraglich geregelten Arbeitszeit [1,2]. Hierbei findet eine Kontaktierung der Mitarbeitenden zu dienstlichen Themen statt, zum Beispiel telefonisch, über Instant-Messenger oder über E-Mail. Verfügbare Mitarbeitende zeichnen sich durch ständige Ansprechbarkeit und Reaktionsbereitschaft aus [3].

Ständige Verfügbarkeit geht über eine einmalige Kontaktaufnahme außerhalb der Arbeitszeit hinaus. Die Mitarbeitenden sind davon überzeugt, dass diese Verfügbarkeit von ihnen erwartet wird [3].

Von ständiger Verfügbarkeit außerhalb der festgelegten Arbeitszeiten müssen Verfügbarkeiten abgegrenzt werden, die vertraglich festgelegt sind. So gibt es beispielsweise in der Großindustrie technische Mitarbeitende, die im Falle einer technischen Störung jederzeit erreichbar sein müssen. Diese Verantwortung wird hierbei zusätzlich vergütet. [4]

Diese vertraglich vereinbarte Verfügbarkeit ist auf dieser Seite explizit nicht gemeint – es geht ausschließlich um die nicht vertraglich vereinbarten Verfügbarkeiten, welche von dem Gefühl des "Erreichbar-sein-müssen" geprägt sind [1]. Sofern Ihr Team einen hohen Wert bei der Skala „ständige Verfügbarkeit“ aufweist und dies mit vertraglich vereinbarten Regelungen zu erklären ist, sprechen Sie dies dennoch im Team an, da vermehrter Ärger, schlechte Stimmung und geringere soziale Aktivitäten sowie Entspannung zu Hause auch in diesem Fall eine Rolle spielen [5]. Gibt es Ideen zur Optimierung im Team (vielleicht auch mit einigen Anregungen von dieser Seite)? Andernfalls ist dies dann in Ihrem Fall eine Anforderung, die zur Arbeit dazugehört – umso wichtiger ist es dann, Ressourcen zu stärken, die helfen mit dieser Anforderung umzugehen.

Bevor wir im Folgenden Strategien zur Reduktion und zum besseren Umgang mit dem Thema ständige Verfügbarkeit vorstellen, wird zunächst aufgezeigt, warum dieses Thema für Organisationen so wichtig ist.

Warum ist es wichtig, auf Verfügbarkeit zu achten?

Folgen von Verfügbarkeit, angelehnt an [5,6,7,8,9]

Folgen von ständiger Verfügbarkeit

Die negativen Folgen einer ständigen Verfügbarkeit sind vielfältig – die Abbildung rechts gibt Ihnen einen Überblick über Forschungsbefunde. Wichtig ist zudem, dass negative Folgen unabhängig davon auftreten, ob aus der Erreichbarkeit tatsächlich Arbeit entsteht oder nicht. Allein die Verfügbarkeit bzw. das Gefühl für arbeitsbezogene Belange in der Freizeit verfügbar sein zu müssen, kann die Gesundheit und das Wohlbefinden beeinträchtigen [5].

Um gesundheitliche Probleme und damit einhergehende Krankheitstage zu vermeiden, sollten Sie als Arbeitgeber bzw. Ihre Organisation daher die Ursachen für ständige Verfügbarkeit (tatsächlich/ gefühlt) überprüfen und geeignete Lösungen erarbeiten. Nur so kann sichergestellt werden, dass ein Abschalten außerhalb der Arbeit möglich ist und somit langfristig gesundheitliche Folgen ausbleiben [10].

Mögliche Ursachen für ständige Verfügbarkeit

Häufig ist es ein Wechselspiel zwischen unterschiedlichen Aspekten – aber grob können die folgenden 4 Ursachen unterschieden werden:

  1. Eine mögliche Ursache für die Entstehung von ständiger Verfügbarkeit können vermutete oder wahrgenommene Erwartungen anderer gegenüber den Mitarbeitenden sein. Erwartungen können zum Beispiel von der Führungskraft oder von Kollegen/innen ausgehen. Die Mitarbeitenden sind motiviert, diese Erwartungen zu erfüllen. Dadurch kommt es zu einem entsprechenden Verhalten, welches sich in ständiger Ansprechbarkeit und Reaktionsbereitschaft widerspiegelt [11].
  2. Eine weitere Ursache kann die Einstellung der Mitarbeitenden selbst sein. So können Mitarbeitende besonders motiviert sein, Spaß an der Arbeit zu haben oder Anerkennung für ihre Arbeit zu bekommen [12]. Auch eine hohe Identifikation mit der Arbeit kann eine Rolle dabei spielen, ob Mitarbeitende ständig erreichbar sind [13].
  3. Auch der Einsatz und die Weiterentwicklung von Kommunikationstechnologien wie Internet, Smartphones und Laptops sind entscheidend für die Entstehung von ständiger Verfügbarkeit, weil diese die mobile Erreichbarkeit der Mitarbeitenden erst ermöglichen [3].
  4. Zudem spielt die aktuelle Entwicklung zu mehr Homeoffice eine große Rolle: Ausgelöst durch die Corona-Pandemie haben bereits viele Unternehmen Ihre Einstellung zu bzw. Ihren Umgang mit Homeoffice geändert. Zudem wird erwartet, dass auch zukünftig – unabhängig von Corona – Homeoffice zunehmen genutzt wird. Neben zahlreichen Vorteilen für Organisationen und auch Mitarbeitende, geht diese Entwicklung aber auch mit Gefahren einher. Eine dieser Gefahren ist eine mögliche weitere Entgrenzung von Arbeits- und Privatleben (s. zum Thema Entgrenzung sowie den Umgang mit individuell unterschiedlichen Bedürfnissen bei diesem Thema auch hier). Dies wiederum kann das Gefühl erreichbar sein zu müssen oder auch die tatsächliche Erwartung an ständige Verfügbarkeit verstärken.

Überlegen Sie kurz: Welche Ursachen könnten in Ihrem Team eine besondere Rolle spielen? Behalten Sie dies bei der Bearbeitung des folgenden Abschnitts zu Maßnahmen im Hinterkopf und überlegen Sie jeweils, was am besten zu der Situation Ihres Teams/ zu Ihren Ursachen passt.

Was kann gegen Verfügbarkeit gemacht werden?

Reflexion

Reflexion Erwartungen an Verfügbarkeit

Starten Sie mit der Reflexion, um sich zunächst einen Überblick darüber zu verschaffen, wie Sie aktuell mit dem Thema Verfügbarkeit umgehen, welche persönliche Erwartungshaltung damit zusammenhängt und welche Schritte der Veränderung Sie diesbezüglich anstreben. Bearbeiten Sie dazu das Handout links.

Nach der Bearbeitung der Reflexionsfragen: Schauen Sie nun nochmal auf Ihre Antworten sowie die oben beschriebenen Ursachen und überlegen Sie: Gibt es tatsächlich die Erwartung, ständig verfügbar zu sein oder nehmen die Mitarbeitenden das nur so wahr?

Als Führungskraft ein Vorbild sein

Sie als Führungskraft mit Ihrem Verhalten haben einen essenziellen Einfluss auf die Gesundheit und das Wohlbefinden Ihrer Mitarbeitenden. Dieses Vorbildverhalten darf nicht unterschätzt werden, sondern sollten Sie im Positiven nutzen [14,15].

Wenn Sie selbst am Wochenende E-Mails verschicken, könnte das bei den Mitarbeitenden die Erwartung wecken, dass auch von ihnen dienstliche Nachrichten am Wochenende von Ihnen erwartet werden. Vielleicht ist es sogar sinnvoll, eine allgemeine Sperre für das Versenden von Nachrichten außerhalb der Arbeitszeiten einzurichten. Dies schafft auf jeden Fall Klarheit und Entspannung.

Aber auch ohne diese drastische Maßnahme gilt: Die Geführten orientieren sich am Verhalten ihrer Führungskraft. Ein erster Schritt ist demzufolge, Ihr eigenes Verhalten und ggf. unbewusste Signale zu überdenken und mit gutem Beispiel voranzugehen. Wenn Sie sich um sich selbst kümmern, haben Sie einen positiveren Einfluss auf Ihre Mitarbeitenden. Fühlen Sie sich selbst nicht gesund, überträgt sich der Stress auch auf Ihre Mitarbeitenden. Ein Vorbild hinsichtlich des Gesundheitsverhaltens zu sein, ist der Kern einer gesunden Führung, die wesentlicher Bestandteil der Organisationskultur sein sollte [9,16].

Sie erwarten nicht, dass Mitarbeitende abends oder am Wochenende auf Ihre E-Mails antworten bzw. selbst arbeiten und welche schreiben, aber Sie wollen auch nicht darauf verzichten Ihre eigenen Arbeitszeiten flexibel zu halten? Solange Sie gut auf sich achten und für ausreichend Entspannungsphasen sorgen, spricht auch hier nichts gegen. Im Gegenteil: Vielleicht sind Sie bspw. Vater oder Mutter und können gerade durch diese flexiblen Zeiten Ihren privaten und beruflichen Anforderungen besser gerecht werden – d.h. Sie schreiben zwar Mails am Wochenende, dafür nehmen Sie sich unter der Woche aber auch einen Nachmittag für die Familie frei. Wenn dies (oder etwas ähnliches) zutrifft, ist es nur wichtig, dies gut zu kommunizieren. Stellen Sie sicher, dass keine falschen Erwartungen in Ihr Verhalten reininterpretiert werden. Und machen Sie deutlich, dass – im Sinne der Vorbildfunktion - auch Sie auf sich achten (am besten mit konkretem Beispiel).

Auch wenn es bei Ihnen gar nicht um E-Mails geht: Überlegen Sie, woher falsche Erwartungen kommen können und stellen Sie klar, worum es ihnen tatsächlich geht und warum (s. hierzu auch Abschnitt Transparenz und Erwartungsklarheit).

Organisations- und Teamkultur

Förderlich oder hinderlich für das Thema ständiger Verfügbarkeit kann die Organisations- und auch Teamkultur sein. Organisationskulturen drücken aus, welche Überzeugungen und Handlungsmuster im Unternehmen vorliegen. Organisationskultur wird im Unternehmensalltag auf Basis von selbstverständlichen, meist nicht reflektierten Annahmen praktiziert.

Eine dieser oft unreflektierten Annahmen ist die Frage, wie stark verfügbar die Mitarbeitenden außerhalb der Arbeitszeit sein sollen. Das heißt, wenn Verfügbarkeiten außerhalb der Arbeitszeit nicht schriftlich (bspw. im Arbeitsvertrag oder Dienstvereinbarungen) vereinbart sind, interpretieren Mitarbeitende anhand der gelebten Kultur, was von Ihnen erwartet wird und handeln danach – ganz ohne, dass diese Erwartungshaltung an die Beschäftigten jemals kommuniziert wurde.

Zudem unterscheiden sich Organisationen bezüglich der impliziten Erwartung der Verfügbarkeit sehr stark: Es gibt beispielsweise Unternehmen oder auch Bereiche innerhalb eines Unternehmens, in dem es für Beschäftigte (v. a. Führungskräfte) selbstverständlich ist, immer erreichbar zu sein. In anderen Unternehmen ist es hingegen selbstverständlich, nur während der Arbeitszeit verfügbar zu sein. Teilweise werden auch technische Maßnahmen getroffen, die das Bearbeiten von E-Mails am Wochenende oder im Urlaub verhindern. Wenn in einem Unternehmen mehrere Annahmen der Organisationskultur aufeinandertreffen, kann dies zu Konflikten führen, v. a. zwischen Vorgesetzen und dessen Mitarbeitenden, aber auch innerhalb eines Teams. Es ist daher wichtig, implizite Annahmen zu vermeiden. Dafür muss klar kommuniziert werden, welche Erwartungen an die Verfügbarkeit gestellt werden. Dies sollte zudem schriftlich, möglichst auch im Arbeitsvertrag geregelt sein.

Reflexion Organisationskultur

Auch sollte die Organisationskultur im Allgemeinen durch Wertschätzung und Akzeptanz geprägt sein, sodass Vorgesetzte beispielsweise akzeptieren, wenn jemand nicht (ständig) außerhalb der Arbeitszeit erreichbar ist. Und grundsätzlich gilt: Ist die Verfügbarkeit außerhalb der Arbeitszeit nicht vertraglich geregelt, kann ich diese nicht erwarten. Daher sollten Vorgesetzte sich für Erreichbarkeit außerhalb der Arbeitszeit bedanken und diesen Einsatz der Mitarbeitenden wertschätzen. Gleichzeitig sollte allen Beteiligten klar sein, dass dies nicht der Normalfall werden darf. In einer Akutsituation (bspw. Projektdeadline) kann dies erforderlich sein – aber im Normalfall brauchen die Mitarbeitenden Ihre Ruhepausen und müssen – im wahrsten Sinne des Wortes – abschalten können, damit Sie gesund bleiben. Sollte es sich nicht um eine Ausnahmesituation handeln, sollte dies zudem formell und schriftlich vereinbart werden – dies ist Teil der Arbeitszeit und muss entsprechend geregelt werden (Ausgleich, Vergütung, ausreichend Erholungspausen, …).

Wie ist Kultur in Ihrem Unternehmen? Und noch wichtiger (und greifbarer sowie leichter veränderbar): Wie ist es in Ihrem Team? Um die Organisations- und Teamkultur zu reflektieren und zu prüfen, ob geeignete Bedingungen vorliegen, um Verfügbarkeit entgegenzuwirken, bearbeiten Sie die Übung, deren Anleitung Sie rechts finden. Es kann auch hilfreich sein, diese Übung anschließend mit Ihrem Team gemeinsam zu bearbeiten: Welche falschen Annahmen zeigen sich hier? Welche Unterscheide gibt es zwischen den Teammitgliedern? Ziel ist es also, die impliziten Annahmen explizit zu machen und somit eine gemeinsame Basis zu schaffen und ggf. mit falschen Annahmen und vermuteten Erwartungen aufzuräumen.

Transparenz und Erwartungsklarheit

Wie oben im Zusammenhang mit der Organisationskultur beschrieben, kann es sinnvoll sein, feste vertragsrechtliche Regeln einzuführen, wann und wie oft jemand verfügbar sein soll. Dies sorgt für Transparenz und diese wiederum für Effizienz [16].

Aber auch abgesehen von vertraglichen Rahmenbedingungen ist es wichtig transparent mit dem Thema Verfügbarkeit umzugehen und die eigenen Erwartungen gut zu kommunizieren. Schauen Sie also nochmal auf das Handout zur Reflexion:

  • Erwartungen kommunizieren und erklären: Warum erwarten Sie wann und von wem verfügbar zu sein? Überlegen Sie bei dem „warum“ auch, welche Argumente für Ihre Mitarbeitenden besonders nachvollziehbar und überzeugend sein können.
  • Gleichberechtigung: Gilt für alle Teammitglieder das gleiche oder gibt es Unterschiede? Wenn ja: Warum gibt es diese, was ist bspw. mit bestimmten Aufgaben oder Rollen verbunden? Kommunizieren Sie auch diese Aspekte, damit Sie Unzufriedenheit und Konflikte innerhalb des Teams vermeiden.
  • Wie oft brauchen Sie tatsächlich jemanden außerhalb der Arbeitszeit? Forschungsbefunde zeigen, dass alleine die wahrgenommene Verfügbarkeit (egal, ob tatsächlich etwas zu tun ist) negative Konsequenzen hat. Überlegen Sie daher, ob zu bestimmten Zeiten (oder auch grundsätzlich) nicht alle Mitarbeitenden verfügbar sein müssen (bspw. je nur ein Mitarbeiter pro Projektteam) und entlasten Sie ihr Team so.
  • Welche Regeln haben sie bisher vereinbart? Gibt es bspw. feste Zeiten zu denen E-Mails gelesen werden? Unter welchen Bedingungen dürfen Kollegen angerufen werden, wenn sie frei haben? Welche neuen Regeln können Sie sich vorstellen?
  • Welche Rahmenbedingen müssen Sie vorgeben? Warum? An welchen Punkten sind Sie aber auch offen für anderen Lösungswege?

Nutzen Sie die Fragen zur Vorbereitung und besprechen Sie dann im Team, wie Sie mit dem Thema zukünftig umgehen wollen. Starten Sie mit Ihren Erwartungen und den Gründen dafür. Erarbeiten Sie dann im Team, welche Dinge schon gut laufen und beibehalten werden sollen (also implizite Regeln explizit machen) und was noch nicht gut läuft und verändert werden soll. Planen Sie dafür gemeinsam konkrete Schritte (Maßnahmenplan). Weiterführende Tipps, wie Sie einen solchen Workshop gestalten können sowie eine Vorlage für einen Maßnahmenplan, finden Sie hier.

Ressourcen stärken

Ein weiterer präventiver Ansatz liegt in der Stärkung von Ressourcen. Nicht immer können Anforderungen (ganz) vermeiden werden. Aus der Forschung wissen wir aber, dass negative Folgen von Anforderungen ausbleiben oder zumindest abgeschwächt werden, wenn ausreichend Ressourcen zur Bewältigung zur Verfügung stehen (weitere Informationen finden Sie hier). Sollte ständige Verfügbarkeit bei Ihnen nicht vermeidbar sein, so werden Mitarbeitende mit einer gut ausgeprägten Basis an Ressourcen weniger durch diese Anforderung belastet sein. Die Ressourcen müssen dazu aus zweierlei Perspektiven gestärkt werden. Zunächst müssen Sie als Führungskraft gesundheitsgerechtes Verhalten zeigen, um selbst genug Ressourcen zu haben, um die Ressourcen Ihrer Mitarbeitenden stärken zu können [1]. Zudem ist es wichtig, dass Sie als Führungskraft ein Auge auf die Ressourcen Ihrer Mitarbeitenden behalten und aktiv den Aufbau neuer Ressourcen sowie den Ausbau bereits vorhandener Ressourcen unterstützen.

Eine Möglichkeit, Ressourcen zu stärken, um mit ständiger Erreichbarkeit umgehen zu können, sind Schulungen und Trainings (beispielsweise zu den Themen "Entspannung", "Zeitmanagement", "Achtsamkeit" (um positive Dinge stärker wahrnehmen zu können), aber auch zu "Kommunikation" (siehe hier, um z. B. potenzielle Überforderung angemessen kommunizieren zu können). Um mehr dazu erfahren, wie Sie Ressourcen der Mitarbeitenden stärken können, klicken Sie hier.

Nutzen Sie zudem die Erkenntnisse aus dem Präventa-Projekt: Schauen Sie nochmal auf Ihre Teamergebnisse und überlegen Sie, welche Ressourcen Sie weiter stärken können. Überlegen Sie dabei auch ganz explizit: Was kann meinem Team helfen, mit diesen Anforderungen besser umzugehen? Konkrete Maßnahmen zur Stärkung der Ressourcen finden Sie auf den jeweiligen Wiki.Seiten. Einen Überblick aller Seiten finden Sie hier.


Fall Sie zudem selber reflektieren möchten (auch im Sinne Ihrer Vorbildfunktion), wie Sie selbst mit ständiger Erreichbarkeit umgehen, klicken Sie hier.

Quellen

[1] Pundt, F., & Felfe, J. (2017). Health oriented Leadership.: Instrument zur Erfassung gesundheitsförderlicher Führung. Bern: Hogrefe.
[2] Schulte, E.-M., Wittner, B., & Kauffeld, S. (2021). Ressourcen und Anforderungen (ReA) in der Arbeitswelt: Entwicklung und erste Validierung eines Fragebogens. Gruppe. Interaktion. Organisation. Zeitschrift für Angewandte Organisationspsychologie (GIO), 52, 405-415.
[3] Bergman, A., & Gardiner, J. (2007). Employee availability for work and family: three Swedish case studies. Employee Relations, 29, 400–414.
[4] Fietze, S., Keller, M., Friedrich, N., & Dettmers, J. (2014). Rufbereitschaft und das Projekt „Flexibilität und Verfügbarkeit durch Arbeit auf Abruf “(RUF). In S. Fietze (Hrsg.), Rufbereitschaft: Wenn die Arbeit in der Freizeit ruft (pp. 1-5). Rainer Hampp.
[5] Bamberg, E., Dettmers, J., Funck, H., Krähe, B., & Vahle-Hinz, T. (2012). Effects of on-call work on well-being: Results of a daily survey. Applied Psychology: Health and Well-Being, 4, 299-320.
[6] Arlinghaus, A., & Nachreiner, F. (2013). When work calls - Associations between being contacted outside of regular working hours for work-related matters and health. Chronobiology International, 30(9), 1197-1202.
[7] Hassler, M., Rau, R.,Hupfeld, J., Paridon, H., & Schuchart, U. (2016). iga.Report23: Auswirkungen von ständiger Erreichbarkeit und Präventionsmöglichkeiten. Abgerufen von http://www.iga-info.de/fileadmin/redakteur/Veroeffentlichungen/iga_Reporte/Dokumente/iga-Report_23_Teil2_Auswirkungen_staendiger_Erreichbarkeit.pdf
[8] Sonnentag, S., & Fritz, C. (2007). The Recovery Experience Questionnaire: Development and validation of a measure for assessing recuperation and unwinding from work. Journal of Occupational Health Psychology, 12(3), 204-221.
[9] Sonnentag, S., & Schiffner, C. (2019). Psychological detachment from work during nonwork time and employee well-being: The role of leader's detachment. Spanish Journal of Psychology, 22(3).
[10] Sonnentag, S. & Fritz, C. (2015). Recovery freom job stress: The stressor-detachment model as an integrative framework.. Journal of Organizational Behaviour, 36(1), 72-103.
[11] Ajzen, I. (1985). From intentions to actions: A theory of planned behavior. Berlin: Springer.
[12] Ohly, S., & Latour, A. (2014). Work-related smartphone use and well-being in the evening. Journal of Personnel Psychology, 13, 174-183.
[13] Matthews, R. A., & Barnes-Farrell, J. L. (2010). Development and initial evaluation of an enhanced measure of boundary flexibility for the work and family domains. Journal of Occupational Health Psychology, 15(3), 330-346.
[14] Franke, F., & Felfe, J. (2011). Diagnose gesundheitsförderlicher Führung – Das Instrument „Health-oriented Leadership“. In B. Badura, A. Ducki, H. Schröder, J. Klose, & K. Macco (Eds.), Fehlzeiten-Report 2011: Führung und Gesundheit (pp. 3–13). Berlin: Springer.
[15] Kuoppala, J., Lamminpää, A., Liira, J., & Vainio, H. (2008). Leadership, job well-being, and health effects - a systematic review and a meta-analysis. Journal of Occupational and Environmental Medicine, 50(8), 904–915.
[16] Neuberger, C. (2005). Mehr Transparenz steigert die Effizienz. (Die Arbeit der Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia Diensteanbieter. In Handbuch Medienselbstkontrolle (pp. 495-508). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

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