Difference between revisions of "Leistungsdruck - Was können Arbeitgeber tun?"

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Revision as of 17:13, 13 September 2020

Was ist Leistungsdruck?

Ungleichgewicht Anforderungen und Ressourcen, © Präventa [Kauffeld, Gosch, Schulte]

Leistungsdruck bedeutet, dass an die Arbeit Ihrer Mitarbeitenden sehr hohe Anforderungen gestellt werden. Beispielsweise müssen diese sowohl sehr hohen Qualitätsanforderungen gerecht werden, als auch sehr schnell arbeiten. Oder es wird von ihnen erwartet, sehr genau und gründlich zu arbeiten – auch wenn die Arbeitsmenge sehr hoch ist. Oft haben die Mitarbeitenden dann das Gefühl, ihre Aufgaben nicht erfüllen zu können und müssen daher sehr viel Energie investieren, um Ihre Arbeit erfolgreich bewältigen zu können – oft über ein gesundes Maß hinaus [Ahlers, 2003; Schulte Wittner Kauffeld (2019)]. Es entsteht ein Ungleichgewicht zwischen den Anforderungen der Umwelt (z.B. hohe Arbeitsmenge) und den individuellen Ressourcen einer Person (z.B. Leistungsfähigkeit) [Ahlers, 2003].

Warum ist es wichtig, auf Leistungsdruck zu achten?

Umfragen zufolge ist in etwa jede dritte arbeitnehmende Person von Zeitdruck und Leistungsdruck betroffen [Schulz, 2017]. Die negativen Folgen für die Gesundheit der Mitarbeitenden dieser beiden Faktoren werden häufig unterschätzt und im betrieblichen Gesundheitsschutz nicht ausreichend berücksichtigt [Ahlers, 2015]. Dabei zeigen zahlreiche Studien für Leistungsdruck am Arbeitsplatz vielfache negative Auswirkungen:

  • Hohe Arbeitsmenge und Leistungsdruck werden als wesentliche gesundheitsgefährdende Belastungsfaktoren angesehen [Nixon]
  • Zu hoher Leistungsdruck führt dazu, dass selbst eigentlich einfache Aufgaben nicht mehr gut ausgeführt werden können [Ahlers, 2015]
  • Die Schlafqualität ist bei hoher Arbeitsintensität schlechter [Nixon;Baumeister]
  • Die Erholungsfähigkeit ist eingeschränkt [Rau]
  • Das Risiko für Burnout und Depressionen ist erhöht, ebenso für körperliche Erkrankungen [Nixon;Rau]

Leistungsdruck ist zudem ein wichtiger Baustein des SMART Work Design Modells. Dieses Modell dient der Veranschaulichung von Möglichkeiten zur sinnvollen und motivierenden Arbeitsgestaltung. Entwickelt wurde es von der australischen Professorin Sharon Parker im Centre for Transformative Work Design Perth und konnte seither schon wissenschaftlich nachweisbare Erfolge verzeichnen. Studien belegen, dass Arbeitsplätze, die so gestaltet sind, dass sie diese fünft Hauptkomponenten berücksichtigen, präventiv psychischen und physischen Belastungen von Arbeit begegnen, Wohlbefinden der Mitarbeitenden stärken und damit auch zu einem wirtschaftlichen Vorteil führen können [Parker].

Übersicht der fünf SMART Kategorien. In Anlehnung an [Parker]

Was kann gegen Leistungsdruck getan werden?

Die Ursachen für Leistungsdruck sind sehr vielfältig. Beispielweise können mangelnde Qualifikation oder ein ungünstiges Führungsverhalten Leistungsdruck bei dem oder der Mitarbeitenden hervorrufen [Ahlers, 2003]. Ebenso vielfältig sind jedoch auch die Maßnahmen, um Leistungsdruck zu reduzieren. Diese können sich auf den oder die Mitarbeitende beziehen und seine oder ihre Bewältigungskompetenz erhöhen. Häufig fokussieren Arbeitgeber jedoch einseitig auf diese Maßnahmen, die direkt beim Verhalten des oder der Betroffenen ansetzen. Wichtig ist aber, gleichzeitig Veränderung bei den Verhältnissen anzustoßen. Das bedeutet, die Arbeit des oder der Mitarbeitenden so zu gestalten, dass Leistungsdruck gar nicht erst aufkommt oder aber angemessen damit umgegangen werden kann. Gerade diese gleichzeitige Betrachtung von individuellen, persönlichen Maßnahmen (Verhaltensprävention) und einer gesundheitsförderlichen Arbeitsgestaltung durch den Arbeitgebenden (Verhältnisprävention) essentiell [Ahlers, 2003;Ahlers, 2015].

Bewältigungskompetenz der Mitarbeitenden stärken (Verhaltensprävention)

Im Rahmen der Verhaltensprävention erlernen die Mitarbeitenden den angemessenen und gesundheitsförderlichen Umgang mit Stress. Stress kann durch verschiedene Faktoren ausgelöst werden, wie zum Beispiel durch Leistungs- oder Zeitdruck [Schaper]. Verschiedene Möglichkeiten, wie Sie Ihre Mitarbeitenden mittels Trainings und Schulungen, offene Teamrunden oder Gesundheitscoaching, dabei zu unterstützen, finden Sie hier [Kauffeld & Grote; Kauffeld, Ochmann & Hoppe]. Da bei diesen verhaltenspräventiven Maßnahmen vor allem die Bewältigung von Stress unabhängig von den Ursachen im Fokus steht, können diese sowohl bei Leistungsdruck als auch bei Zeitdruck angewandt werden. Bei der Auswahl von Maßnahmen gegen Leistungsdruck sollten vor allem Aspekte wie der Umgang mit einer großen Menge an Aufgaben oder das Definieren von Erwartungen im Fokus stehen.


Maßnahmen zur Verhaltensprävention, © Präventa [Kauffeld, Gosch, Schulte]


Gesundheitsförderliche Arbeitsgestaltung durch den Arbeitgebenden (Verhältnisprävention)

Im Rahmen der Verhältnisprävention werden belastende Arbeitsbedingungen (z.B. Arbeitsintensität) verändert bzw. verbessert [Schaper]. Damit Ihre Maßnahmen gegen Leistungsdruck auch tatsächlich wirken, ist es wichtig, diese danach auszuwählen, welche Ursachen der Leistungsdruck Ihrer Mitarbeitenden hat. Ist die Lösung nicht an das tatsächliche Problem angepasst, bleibt die Maßnahme unwirksam. Sie können die Ursachen für den Leistungsdruck Ihrer Mitarbeitenden gemeinsam mit ihnen in einem Gespräch erörtern und dafür die folgenden Leitfragen nutzen:

  • Hat der oder die Mitarbeitende zu viele Aufgaben, ist also die Arbeitsmenge zu hoch? Falls ja, lesen Sie hier weiter.
  • Hat der oder die Mitarbeitende zu wenig Zeit für seine oder ihre Aufgaben? Falls ja, leidet er oder sie wahrscheinlich eher unter Zeitdruck. Maßnahmen, um den Zeitdruck Ihrer Mitarbeitenden zu reduzieren finden Sie hier.
  • Kennt der oder die Mitarbeitende Ihre realistischen Erwartungen an die Qualität der Aufgaben? Sollte der oder die Mitarbeitende falsche Vorstellungen davon haben, welche Anforderungen Sie stellen, lesen Sie hier weiter.
  • Fühlt sich der oder die Mitarbeitende durch die Leistung andere Kolleginnen und Kollegen unter Druck gesetzt? Fühlt sich der oder die Mitarbeitende mit einer konkreten Aufgabe überfordert? Falls ja, lesen Sie hier weiter.


Wichtig ist: Egal was die Ursache ist, suchen Sie das Gespräch mit Ihren Mitarbeitenden und ermutigen Sie Ihre Mitarbeitenden, Leistungsdruck offen anzusprechen. In Anlehnung an das vorgestellte SMART Work Design sollten Stress und hohe Anforderungen kurzfristig tolerierbar sein. Indem Sie frühzeitig ins Gespräch kommen, können Sie dazu beitragen, dass diese Phasen nicht zu lange anhalten und somit negative Konsequenzen vermeiden. Zudem lassen sich in der Regel leichter Lösungen finden, wenn Schwierigkeiten frühzeitig erkannt werden. Versuchen Sie daher aktiv, Leistungsdruck zu erkennen und ggf. Maßnahmen mit den Mitarbeitenden gemeinsam zu erarbeiten.


Arbeitsmenge regulieren

Eine intuitive Maßnahme gegen Leistungsdruck besteht darin, die Arbeitsmenge pro Person zu reduzieren. Optimalerweise wird dafür mehr Personal zur Entlastung der Beschäftigten eingestellt [Ahlers, 2020]. Oft ist dies aber nicht möglich oder zumindest nicht kurzfristig umsetzbar. Daher können alternativ auch Aufgaben innerhalb des Teams umverteilt werden. Beziehen Sie dafür Ihre Mitarbeitenden mit ein. Erfragen Sie Interessen und lassen Sie das Team selbst im Sinne einer [[ |geteilten Führung]] über die Neuverteilung der Aufgaben bestimmen. Ihre Mitarbeitenden sind häufig näher an den Themen dran und können selbst am besten einschätzen, welche Kapazitäten sie haben.

Erwartungen kommunizieren

Häufig ist Ihnen als Führungskraft bewusst, dass Ihre Mitarbeitenden viele Aufgaben haben und nicht alle perfekt erfüllen können. Daher stellen Sie diese Erwartung auch gar nicht an die Arbeit Ihre Mitarbeitenden. Allerdings wissen das die Mitarbeitenden häufig nicht und versuchen jede Aufgabe zu 100% zu erfüllen und setzen sich damit selbst unter Leistungsdruck. Um dies zu vermeiden, müssen Sie Ihre Erwartungen eindeutig kommunizieren und die Leistungsanforderungen in den Köpfen Ihrer Mitarbeitenden regulieren [Ahlers, 2020]. Sind die Rollenerwartungen für die Mitarbeitenden klar definiert können sie nach diesem Schema handeln und sind sich stetig der Anforderungen ihrer Führungskraft bewusst.

Individualität der Mitarbeitenden

Leistungsdruck kann auch auf Gründe zurückführbar sein, die nur auf den einen oder die eine Mitarbeitende zutreffen. Eine Ursache für solche individuellen Unterschiede ist, dass Belastungen eben auch unterschiedlich sind. So kann es sein, dass die Anforderungen der Aufgabe nicht zu den Ressourcen des oder der Mitarbeitenden passen. Das ist laut dem Person-Environment-Fit-Modell aber wichtig, damit sich Personen in ihrem Job wohlfühlen. Eine mangelnde Passung führt dazu, dass der oder die Mitarbeitende mehr Zeit als andere Kolleginnen und Kollegen braucht, um diese Aufgabe zu erfüllen. Er oder sie investiert also deutlich mehr Zeit und Energie um das zu schaffen, was „alle anderen ja auch schaffen“. Der oder die Mitarbeitende setzt sich damit selbst unter Leistungsdruck. Sie sollten in diesem Fall versuchen, die Passung zwischen den Anforderungen der Aufgabe und den Ressourcen des oder der Mitarbeitenden zu erhöhen. Dafür können Sie einerseits bei der Person ansetzen und den oder die Mitarbeitende besser für die Anforderungen der qualifizieren. Schauen Sie sich dazu die Seiten Qualifikation und Lernmöglichkeit an. Außerdem können die Anforderungen der Aufgabe angepasst werden (z.B. Arbeitsmenge reduzieren, Fristen lockern, andere Software wählen).


Effort-Reward-Imbalance-Modell in Anlehnung an [Kauffeld, Ochmann, Hoppe]



Eine weitere Möglichkeit besteht darin, den empfundenen Stress durch eine Erhöhung der erhaltenen Belohnung zu reduzieren. Im Effort-Reward-Imbalance-Modell werden die beruflichen Anstrengungen den dafür erhaltenen Belohnungen gegenübergestellt. Kommt es hier zu einem Ungleichgewicht, empfindet der oder die Mitarbeitende Stress. Empfindet der oder die Mitarbeitende die erhaltenen Belohnungen aber als angemessen für die eingebrachte Anstrengung, so kann er oder sie eher mit hohem Leistungsdruck umgehen [Kauffeld, Ochmann]. Solche Belohnungen müssen jedoch richtig eingesetzt werden [Albs]. Man unterscheidet materielle und immaterielle Anreize. Materielle Belohnungen können z.B. Prämien, Sonderurlaub, Weiterbildung oder kostenlose Mahlzeiten sein. Immaterielle Belohnungen sind beispielweise Wertschätzung, Anerkennung, Lob, interessante Aufgaben oder eigenverantwortliche Aufgabengestaltung [ALbs]. Insbesondere Wertschätzung zeigt sich in Studien immer wieder als zentraler Faktor – und diesen können Sie als Führungskraft gut beeinflussen. Lesen Sie daher hier mehr dazu. Zudem hilft Ihnen dieses Handout dabei, Ihren Umgang mit Ihren Mitarbeitenden und Leistungsdruck zu reflektieren und so mögliche Ansatzpunkte zu identifizieren.

Quellen

[1] Ahlers, E. (2003). Arbeitsbedingungen, Leistungsdruck, Gesundheit am Arbeitsplatz. (WSI-Diskussionspapier, 112). Düsseldorf: Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut in der Hans-Böckler-Stiftung. [2] Schulte, E.-M., Wittner, B., & Kauffeld, S. (2019). Ressourcen und Anforderungen in der Arbeitswelt umfassend messen: Entwicklung und Validierung eines Fragebogens (ReA). Manuskript in Vorbereitung Kauffeld, S., Gosch, N., Schulte, E.-M. (subm.). Coaching und Teamentwicklung. In A. Michel & A. Hoppe (Eds.), Handbuch Gesundheitsförderung bei der Arbeit. Springer [4] Schulz-Dadaczynski, A. (2017). Umgang mit Zeit- und Leistungsdruck. Präv Gesundheitsf 12, 160–166. https://doi.org/10.1007/s11553-017-0582-5 [7] Ahlers, E. (2015). Leistungsdruck, Arbeitsverdichtung und die (ungenutzte) Rolle von Gefährdungsbeurteilungen. WSI-Mitteilungen, 68, 3, 194–201. doi:10.5771/0342-300X-2015-3-194 [3] Nixon, A. E., Mazzola, J. J., Bauer, J., Krueger, J. R., & Spector, P. E. (2011). Can work make you sick? A meta-analysis of the relationships between job stressors and physical symptoms. Work & Stress, 25, 1–22. doi:10.1080/02678373.2011.569175. [5] Baumeister, R. F. (1984). Choking under pressure: Self-consciousness and paradoxical effects of incentives on skillful performance. Journal of Personality and Social Psychology, 46, 610–620. https://doi.org/10.1037/0022-3514.46.3.610 [6] Rau R. (2012) Erholung als Indikator für gesundheitsförderlich gestaltete Arbeit. In: Badura B., Ducki A., Schröder H., Klose J., Meyer M. (eds) Fehlzeiten-Report 2012. Fehlzeiten-Report, vol 2012. Springer, Berlin, Heidelberg. [8] Schaper, N. (2019). Wirkungen der Arbeit. In F. W. Nerdinger, G. Blickle, & N. Schaper (Eds.), Arbeits- und Organisationspsychologie (4th ed., pp. 573-600). Berlin, Heidelberg: Springer Berlin Heidelberg. Kauffeld, S. & Grote, S. (2019). Personalentwicklung. In S. Kauffeld (Ed.), Arbeits-, Organisations- und Personalpsychologie für Bachelor (3rd ed., pp. 167-210). Berlin, Heidelberg: Springer Berlin Heidelberg. Kauffeld, S., Ochmann, S., & Hoppe, D. (2019). Arbeit und Gesundheit. In S. Kauffeld (Ed.), Arbeits-, Organisations- und Personalpsychologie für Bachelor (3rd ed., pp. 167-210). Berlin, Heidelberg: Springer Berlin Heidelberg. [9] Ahlers, E. (2020): Arbeitsintensivierung in den Betrieben. Problemdeutungen und Handlungsfelder von Betriebsräten. WSI-Mitteilungen, 73, S. 29-37. [11] Albs, N. (2005). Wie man Mitarbeiter motiviert: Motivation und Motivationsförderung im Führungsalltag (1. Aufl.). Berlin: Cornelsen Scriptor. [12] Parker, S. K., Knight, C., & Ohly, S. (2017). The changing face of work design research: Past, present and future directions. The SAGE handbook of human resource management, 402-413 [3] Caplan, R.D. (1983). Person-environment fit: Past, present, and future. In Cooper CL (Ed.), Stress research (S. 35-78). New York: Wiley.