Difference between revisions of "Verfügbarkeit - Was können Arbeitgeber tun?"

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(Was kann gegen Verfügbarkeit gemacht werden?)
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So kann es vorkommen, dass unterschiedliche Beschäftigte eines Unternehmens z. B. verschiedene Annahmen darüber haben, wie stark verfügbar sie außerhalb der Arbeitszeit sein sollen. Es gibt beispielsweise Unternehmen, in dem es für alle Beschäftigten (v. a. Führungskräfte selbstverständlich ist), immer erreichbar zu sein. In anderen Unternehmen ist es selbstverständlich, nur während der Arbeitszeit verfügbar zu sein.
 
So kann es vorkommen, dass unterschiedliche Beschäftigte eines Unternehmens z. B. verschiedene Annahmen darüber haben, wie stark verfügbar sie außerhalb der Arbeitszeit sein sollen. Es gibt beispielsweise Unternehmen, in dem es für alle Beschäftigten (v. a. Führungskräfte selbstverständlich ist), immer erreichbar zu sein. In anderen Unternehmen ist es selbstverständlich, nur während der Arbeitszeit verfügbar zu sein.
 
Wenn in einem Unternehmen mehrere Annahmen der Organisationskultur aufeinandertreffen, kann dies zu Konflikten führen, v. a. zwischen Vorgesetzen und dessen Mitarbeitenden. <br>
 
Wenn in einem Unternehmen mehrere Annahmen der Organisationskultur aufeinandertreffen, kann dies zu Konflikten führen, v. a. zwischen Vorgesetzen und dessen Mitarbeitenden. <br>
 
 
Es ist daher sinnvoll, klar zu kommunizieren, wie stark ein Mitarbeitender verfügbar sein soll, anstatt, dass jeder hier eigene Annahmen hat. Ggf. sollte dies auch im Arbeitsvertrag geregelt sein. <br>
 
Es ist daher sinnvoll, klar zu kommunizieren, wie stark ein Mitarbeitender verfügbar sein soll, anstatt, dass jeder hier eigene Annahmen hat. Ggf. sollte dies auch im Arbeitsvertrag geregelt sein. <br>
 
Alternativ kann eine Organisationskultur schrittweise implementiert werden, die die eigene <b>Entscheidungskompetenz und Autonomie</b> der Mitarbeitenden betont und fördert (z.B. bzgl. der Entscheidung darüber, wann jemand verfügbar ist). Konkrete Maßnahmen könnten beispielsweise sein, dass das Empfangen von E-Mails für Mitarbeitende am Wochenende nicht möglich ist oder das Ermutigen der Mitarbeitenden, am Wochenende nicht in den Posteingang zu schauen. <br>
 
Alternativ kann eine Organisationskultur schrittweise implementiert werden, die die eigene <b>Entscheidungskompetenz und Autonomie</b> der Mitarbeitenden betont und fördert (z.B. bzgl. der Entscheidung darüber, wann jemand verfügbar ist). Konkrete Maßnahmen könnten beispielsweise sein, dass das Empfangen von E-Mails für Mitarbeitende am Wochenende nicht möglich ist oder das Ermutigen der Mitarbeitenden, am Wochenende nicht in den Posteingang zu schauen. <br>

Revision as of 11:31, 16 September 2020

Was ist Verfügbarkeit?

Verfügbarkeit lässt sich beschreiben als ständige Erreichbarkeit der Mitarbeitenden außerhalb der regulären und vertraglich geregelten Arbeitszeit [15]. Hierbei findet oft eine Kontaktierung der Mitarbeitenden zu dienstlichen Themen statt, zum Beispiel telefonisch, über Instant-Messenger oder über E-Mail. Verfügbare Mitarbeitende zeichnen sich durch ständige Ansprechbarkeit und Reaktionsbereitschaft aus [5]. Ständige Verfügbarkeit geht über eine einmalige Kontaktaufnahme außerhalb der Arbeitszeit hinaus. Die Mitarbeitenden sind davon überzeugt, dass diese Verfügbarkeit von ihnen erwartet wird [5].

Von ständiger Verfügbarkeit außerhalb der festgelegten Arbeitszeiten müssen Verfügbarkeiten abgegrenzt werden, die vertraglich festgelegt sind. So gibt es beispielsweise in der Großindustrie technische Mitarbeitende, die im Falle einer technischen Störung jederzeit erreichbar sein müssen. Diese Verantwortung wird hierbei zusätzlich vergütet [7] In diesem Artikel ist die Verfügbarkeit gemeint, die nicht vertraglich vereinbart wurde und von dem Gefühl des "Erreichbar-sein-müssen" geprägt ist [15].


Warum ist es wichtig, auf Verfügbarkeit zu achten?

Die Fortschritte in der Digitalisierung mit den inzwischen gängigen Kommunikationstechnologien wie Internet, Smartphones und Laptops ermöglichen mobile Erreichbarkeit der Mitarbeitenden. Mit dieser Weiterentwicklung gehen sowohl Chancen als auch Risiken einher, deren Auswirkungen nicht zu vernachlässigen ist [5]. Einige Mitarbeitende versuchen, durch ständige Verfügbarkeit ihren Spaß an der Arbeit und ihre hohe Motivation und Identifikation mit ihrem Job zu transportieren. Eine Ursache dafür kann in Ihnen als Führungskraft liegen, wenn die Mitarbeitenden die Erwartung ständiger Verfügbarkeit bei Ihnen wahrnehmen oder vermuten. [1, 12, 13] Daher ist es für Sie als Führungskraft wichtig, auf Verfügbarkeit zu achten, damit Sie eventuell falsche Wahrnehmungen korrigieren, die gewünschte Anerkennung Ihrer Mitarbeitenden entsprechend bedienen und letztendlich auf die Gesundheit Ihres Teams achten können. Überschreitet die Verfügbarkeit längerfristig ein angemessenes Maß, so kann es zu folgenschweren Konsequenzen kommen.

[2] [4] [10] [17] [18]

Die negativen Folgen einer ständigen Erreichbarkeit sind unabhängig davon, ob aus der Erreichbarkeit tatsächlich Arbeit entsteht oder nicht. Allein die Verfügbarkeit für arbeitsbezogene Belange in der Freizeit kann die Gesundheit und das Wohlbefinden beeinträchtigen [4]. Bei körperlicher Arbeit, die ohnehin Beschwerden wie Rücken- oder Nackenschmerzen hervorruft, kann Verfügbarkeit diese Beschwerden verstärken.

Was kann gegen Verfügbarkeit gemacht werden?

Reflexion

Sie können mit der Reflexion starten, um sich zunächst einen Überblick darüber zu verschaffen, wie Sie aktuell mit dem Thema Verfügbarkeit umgehen, welche persönliche Erwartungshaltung damit zusammenhängt und welche Schritte der Veränderung Sie diesbezüglich eventuell anstreben. Zum Ausfüllen drucken Sie sich das Arbeitsblatt am besten aus (Nutzen Sie hierzu den Link unter dem Vorschaubild in blau).

Organisationskultur

Förderlich oder hinderlich für das Entgegenwirken ständiger Verfügbarkeit kann die Organisationskultur sein. Organisationskulturen drücken aus, welche Überzeugungen und Handlungsmuster im Unternehmen vorliegen. Organisationskultur wird im Unternehmensalltag auf Basis von selbstverständlichen, meist nicht reflektierten Annahmen praktiziert.

Organisationskultur.png

Eine Basisannahme ist das menschliche Handeln im Unternehmen. Hierunter fällt auch die Annahme darüber, wie stark verfügbar die Mitarbeitenden außerhalb der Arbeitszeit sein sollen. Wie oben beschrieben, sind diese Annahmen selbstverständlich und werden beispielsweise auch nicht als Pflicht oder Erwartungshaltung an die Beschäftigten kommuniziert.
So kann es vorkommen, dass unterschiedliche Beschäftigte eines Unternehmens z. B. verschiedene Annahmen darüber haben, wie stark verfügbar sie außerhalb der Arbeitszeit sein sollen. Es gibt beispielsweise Unternehmen, in dem es für alle Beschäftigten (v. a. Führungskräfte selbstverständlich ist), immer erreichbar zu sein. In anderen Unternehmen ist es selbstverständlich, nur während der Arbeitszeit verfügbar zu sein. Wenn in einem Unternehmen mehrere Annahmen der Organisationskultur aufeinandertreffen, kann dies zu Konflikten führen, v. a. zwischen Vorgesetzen und dessen Mitarbeitenden.
Es ist daher sinnvoll, klar zu kommunizieren, wie stark ein Mitarbeitender verfügbar sein soll, anstatt, dass jeder hier eigene Annahmen hat. Ggf. sollte dies auch im Arbeitsvertrag geregelt sein.
Alternativ kann eine Organisationskultur schrittweise implementiert werden, die die eigene Entscheidungskompetenz und Autonomie der Mitarbeitenden betont und fördert (z.B. bzgl. der Entscheidung darüber, wann jemand verfügbar ist). Konkrete Maßnahmen könnten beispielsweise sein, dass das Empfangen von E-Mails für Mitarbeitende am Wochenende nicht möglich ist oder das Ermutigen der Mitarbeitenden, am Wochenende nicht in den Posteingang zu schauen.
Auch sollte die Organisationskultur im Allgemeinen durch Wertschätzung und Akzeptanz geprägt sein, sodass Vorgesetzte beispielsweise akzeptieren, wenn jemand nicht ständig außerhalb der Arbeitszeit erreichbar ist.



Als Führungskraft ein Vorbild sein

Sie als Führungskraft mit Ihrem Verhalten haben einen essenziellen Einfluss auf die Gesundheit und das Wohlbefinden Ihrer Mitarbeitenden. Dieses Vorbildverhalten darf nicht unterschätzt werden, sondern sollten Sie im Positiven nutzen. [8,11] Wenn Sie selbst am Wochenende E-Mails verschicken, könnte das bei den Mitarbeitenden die Erwartung wecken, dass auch von ihnen dienstliche Nachrichten am Wochenende von ihnen erwartet werden. Im Gegensatz dazu eine allgemeine Sperre für das Versenden von Nachrichten außerhalb der Arbeitszeiten einzurichten kann Klarheit und Entspannung schaffen. Die Geführten orientieren sich am Verhalten ihrer Führungskraft. Ein erster Schritt ist demzufolge, Ihr eigenes Verhalten und ggf. unbewusste Signale zu überdenken und mit gutem Beispiel voranzugehen. Wenn Sie sich um sich selbst kümmern, haben Sie einen positiveren Einfluss auf Ihre Mitarbeitenden. Führen Sie sich selbst nicht gesund, überträgt sich der Stress auch auf Ihre Mitarbeitenden. Ein Vorbild hinsichtlich des Gesundheitsverhaltens zu sein ist der Kern einer gesunden Führung, die wesentlicher Bestandteil der Organisationskultur sein sollte. [8,15]

Mitsprachemöglichkeiten der Mitarbeitenden

Mögliches Arbeitsblatt mit Reflexionsfragen (vielleicht als Gegenüberstellung verschiedener Situationen; beispielsweise auch wieder bezogen auf die letzte Woche/14 Tage): In welcher Situation hatte ich ein offenes Ohr für meine Mitarbeitenden und habe ihnen zugehört? vs. In welcher Situation hatte ich kein ein offenes Ohr für meine Mitarbeitenden und habe ihnen nicht zugehört? Bei welcher Entscheidung habe ich die Meinung meiner Mitarbeitenden berücksichtigt? Vs. Bei welcher Entscheidung habe ich meine Mitarbeitenden vor vollendete Tatsache gestellt? Welche positiven Folgen hatte es, als ich meine Mitarbeitenden um Vorschläge zu einer Problematik gebeten habe? vs. Welche negativen Folgen hatte es, als ich meine Mitarbeitenden um Vorschläge zu einer Problematik gebeten habe?


Transparenz und Gleichberechtigung


Ressourcen stärken

Ein weiterer präventiver Ansatz liegt in der Stärkung von Ressourcen. Die bisherige Forschung zeigt einen Zusammenhang des Gesundheitszustands mit den Arbeitsbedingungen, indem Stressoren negativ und Ressourcen hingegen positiv auf die Gesundheit einwirken. [3] Sollte ständige Verfügbarkeit unbedingt notwendig sein, so werden Mitarbeitende mit einer gut ausgeprägten Basis an Ressourcen weniger durch diese Anforderung belastet sein. Die Ressourcen müssen dazu aus zweierlei Perspektiven gestärkt werden. Zunächst müssen Sie als Führungskraft gesundheitsgerechtes Verhalten zeigen, um selbst genug Ressourcen zu haben, um die Ressourcen Ihrer Mitarbeitenden stärken zu können [15]. Es ist wichtig, dass Sie als Führungskraft ein Auge auf die Ressourcen Ihrer Mitarbeitenden behalten, da die Auftretenswahrscheinlichkeit von Ressourcen und Stressoren auch mit der Hierarchieebene in Verbindung steht. Beachten Sie daher, dass Mitarbeitende sich eventuell in einer schlechteren und weniger belastbaren Position in Bezug auf das Vorhandensein von Ressourcen befinden könnten. [14]

Literatur

[1] Ajzen, I. (1985). From intentions to actions: A theory of planned behavior. Berlin: Springer.

[2] Arlinghaus, A., & Nachreiner, F. (2013). When work calls - Associations between being contacted outside of regular working hours for work-related matters and health. Chronobiology International, 30(9), 1197-1202.

[3] Bakker, A. B., & Demerouti, E. (2007). The Job Demands-Resources model: State of the art. Journal of Managerial Psychology, 22(3), 309–328.

[4] Bamberg, E., Dettmers, J., Funck, H., Krähe, B., & Vahle-Hinz, T. (2012). Effects of on-call work on well-being: Results of a daily survey. Applied Psychology: Health and Well-Being, 4, 299-320.

[5] Bergman, A., & Gardiner, J. (2007). Employee availability for work and family: three Swedish case studies. Employee Relations, 29, 400–414.

[7] Fietze, S., Keller, M., Friedrich, N., & Dettmers, J. (2014). Rufbereitschaft und das Projekt „Flexibilität und Verfügbarkeit durch Arbeit auf Abruf “(RUF). In S. Fietze (Hrsg.), Rufbereitschaft: Wenn die Arbeit in der Freizeit ruft (pp. 1-5). Rainer Hampp.

[8] Franke, F., & Felfe, J. (2011). Diagnose gesundheitsförderlicher Führung – Das Instrument „Health-oriented Leadership“. In B. Badura, A. Ducki, H. Schröder, J. Klose, & K. Macco (Eds.), Fehlzeiten-Report 2011: Führung und Gesundheit (pp. 3–13). Berlin: Springer.

[10] Hassler, M., Rau, R.,Hupfeld, J., Paridon, H., & Schuchart, U. (2016). iga.Report23: Auswirkungen von ständiger Erreichbarkeit und Präventionsmöglichkeiten. Abgerufen von http://www.iga-info.de/fileadmin/redakteur/Veroeffentlichungen/iga_Reporte/Dokumente/iga-Report_23_Teil2_Auswirkungen_staendiger_Erreichbarkeit.pdf

[11] Kuoppala, J., Lamminpää, A., Liira, J., & Vainio, H. (2008). Leadership, job well-being, and health effects - a systematic review and a meta-analysis. Journal of Occupational and Environmental Medicine, 50(8), 904–915.

[12] Matthews, R. A., & Barnes-Farrell, J. L. (2010). Development and initial evaluation of an enhanced measure of boundary flexibility for the work and family domains. Journal of Occupational Health Psychology, 15(3), 330-346.

[13] Ohly, S., & Latour, A. (2014). Work-related smartphone use and well-being in the evening. Journal of Personnel Psychology, 13, 174-183.

[14] Pangert, B., & Schüpbach, H. (2011). Arbeitsbedingungen und Gesundheit von Führungskräften auf mittlerer und unterer Hierarchieebene. In B. Badura, A. Ducki, H. Schröder, J. Klose, & K. Macco (Eds.), Fehlzeiten-Report 2011: Führung und Gesundheit (pp. 71–79). Berlin: Springer.

[15] Pundt, F., & Felfe, J. (2017). Health oriented Leadership.: Instrument zur Erfassung gesundheitsförderlicher Führung. Bern: Hogrefe.

[16] Schulte, E.-M., Wittner, B., & Kauffeld, S. (2019). Ressourcen und Anforderungen in der Arbeitswelt umfassend messen: Entwicklung und Validierung eines Fragebogens (ReA). Manuskript in Vorbereitung.

[17] Sonnentag, S., & Fritz, C. (2007). The Recovery Experience Questionnaire: Development and validation of a measure for assessing recuperation and unwinding from work. Journal of Occupational Health Psychology, 12(3), 204-221. [18] Sonnentag, S., & Schiffner, C. (2019). Psychological detachment from work during nonwork time and employee well-being: The role of leader's detachment. Spanish Journal of Psychology, 22(3).