Difference between revisions of "Verfügbarkeit"

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<h1>Was ist ständige Verfügbarkeit?</h1>
 
<h1>Was ist ständige Verfügbarkeit?</h1>
Ständige Verfügbarkeit definiert sich durch die unregulierte Verfügbarkeit für Arbeitsanforderungen außerhalb der tariflich oder vertraglich geregelten Arbeitszeit. Hierbei findet eine Kontaktierung der Beschäftigten zu dienstlichen Belangen statt. Die Kontaktaufnahme kann telefonisch, über Instant-Messenger oder über E-Mail erfolgen. Ständige Verfügbarkeit geht über einmalige Kontaktaufnahmen außerhalb der regulären Arbeitszeit hinaus und wird als ein Zustand verstanden, der durch die fremd- oder selbstbestimmte Erreichbarkeitserwartung definiert ist. Folglich zeichnet sich dieser Zustand durch eine ständige Ansprechbarkeit und Reaktionsbereitschaft des Beschäftigten aus (Bergman & Gardiner, 2007). Die Erreichbarkeit der Beschäftigten auch außerhalb der vereinbarten Arbeitszeit stellt ein verbreitetes Phänomen dar. So geben beinahe die Hälfte der Beschäftigten in Europa an, in der Freizeit oft oder manchmal zu berufliche Angelegenheiten kontaktiert zu werden (Arlinghaus & Nachreiner, 2013). Neben der ständige Verfügbarkeit außerhalb der regulären Arbeitszeit gibt es tariflich und zeitlich befristete Verfügbarkeiten. So gibt es beispielsweise in der Großindustrie technische Mitarbeiter, die im Falle einer technischen Störung jederzeit erreichbar sein müssen. Diese Verantwortung wird hierbei zusätzlich vergütet. Das folgende Kapitel beschäftigt sich jedoch vorrangig mit der unregulierten Verfügbarkeit für Arbeitsanforderungen, ihren Folgen und Belastungen für das Individuum und entsprechenden Interventionsmöglichkeiten.
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Ständige Verfügbarkeit definiert sich durch die unregulierte Verfügbarkeit für Arbeitsanforderungen außerhalb der tariflich oder vertraglich geregelten Arbeitszeit. Hierbei findet oft eine Kontaktierung der Beschäftigten zu dienstlichen Belangen statt. Die Kontaktaufnahme kann telefonisch, über Instant-Messenger oder über E-Mail erfolgen. Ständige Verfügbarkeit geht über eine einmalige Kontaktaufnahmen außerhalb der regulären Arbeitszeit hinaus und wird als ein Zustand verstanden, der durch die fremd- oder selbstbestimmte Erreichbarkeitserwartung definiert ist. Folglich zeichnet sich dieser Zustand durch eine ständige Ansprechbarkeit und Reaktionsbereitschaft des Beschäftigten aus (Bergman & Gardiner, 2007). Die Erreichbarkeit der Beschäftigten auch außerhalb der vereinbarten Arbeitszeit stellt ein verbreitetes Phänomen dar. So geben beinahe die Hälfte der Beschäftigten in Europa an, in der Freizeit oft oder manchmal zu beruflichen Angelegenheiten kontaktiert zu werden (Arlinghaus & Nachreiner, 2013). Neben der ständigen Verfügbarkeit außerhalb der regulären Arbeitszeit gibt es tariflich und zeitlich befristete Verfügbarkeiten. So gibt es beispielsweise in der Großindustrie technische Mitarbeiter, die im Falle einer technischen Störung jederzeit erreichbar sein müssen. Diese Verantwortung wird hierbei zusätzlich vergütet. Das folgende Kapitel beschäftigt sich jedoch vorrangig mit der unregulierten Verfügbarkeit für Arbeitsanforderungen, ihren Folgen und Belastungen für das Individuum und entsprechenden Interventionsmöglichkeiten.
 
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<h1>Antezenden von ständiger Verfügbarkeit</h1>
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<h1>Antezedenzien von ständiger Verfügbarkeit</h1>
Die Gründe einer ständigen Verfügbarkeit für Arbeitsbelange auch außerhalb der regulären  Arbeitszeit sind vielfältig. Sie reichen von der direkten Einforderung der ständige Verfügbarkeit etwa durch Vorgesetzte und Kollegen/innen über eine entsprechende Arbeitskultur bis hin zu einer freiwilligen und aus individuellem Antrieb gelebten Verfügbarkeit für die gestellten Arbeitsanforderungen. Im Sinne des Job-Demand-Resources-Modell von Bakker & Dermerouti (2007) kann die ständige Verfügbarkeit als eine Anforderung, die an die Beschäftigten gestellt wird, definiert werden. Eine Häufung von Anforderungen kann jenem Modell nach verschiedenste negative Folgen haben, wie beispielsweise Stress, Depression oder gesundheitliche bzw. körperliche Beschwerden. Entsprechende negative Folgen können jedoch durch die vorhandenen Ressourcen gemildert werden (Bakker & Dermerouti, 2007). Die Folgen von ständiger Verfügbarkeit werden im folgenden Abschnitt weiter ausgeführt. Auch eine vermutete oder wahrgenommene Erwartung anderer (subjektive Norm) entsprechend der Theorie des geplanten Verhaltens (Ajzen,1985) kann für die ständige Verfügbarkeit der Beschäftigten ursächlich sein. Demnach entwickelt sich aus der Überzeugung, dass die ständige Verfügbarkeit beispielsweise von Seiten des/r Arbeitgebers/in oder der Führungskraft erwartet wird, und der Motivation dieser Erwartung gerecht werden zu wollen, ein entsprechendes Verhalten, welches sich etwa in ständiger Ansprechbarkeit und Reaktionsbereitschaft zeigt. Seitens der Beschäftigten spielen insbesondere motivationale Faktoren wie beispielsweise Spaß an der Arbeit oder das Streben nach Anerkennung (Ohly & Latour, 2014) sowie eine hohe Identifikation mit der Arbeitsdomäne eine wichtige Rolle und bilden somit zentralen Beweggrund, sich auch außerhalb der regulären Arbeitszeit mit beruflichen Belangen zu beschäftigen (Matthews & Barnes-Farrell, 2010).
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Die Gründe einer ständigen Verfügbarkeit für Arbeitsbelange auch außerhalb der regulären  Arbeitszeit sind vielfältig. Sie reichen von der direkten Einforderung der ständigen Verfügbarkeit etwa durch Vorgesetzte und Kollegen/innen über eine entsprechende Arbeitskultur bis hin zu einer freiwilligen und aus individuellem Antrieb gelebten Verfügbarkeit für die gestellten Arbeitsanforderungen. Im Sinne des Job Demands-Resources Model (http://praeventa.aundo-braunschweig.de/tipps/index.php?title=Job_Demands-Resources_Model) von Bakker & Dermerouti (2007) kann die ständige Verfügbarkeit als eine Anforderung, die an die Beschäftigten gestellt wird, definiert werden. Eine Häufung von Anforderungen kann jenem Modell nach verschiedenste negative Folgen haben, wie beispielsweise Stress, Depression oder gesundheitliche bzw. körperliche Beschwerden. Entsprechende negative Folgen können jedoch durch die vorhandenen Ressourcen gemildert werden (Bakker & Dermerouti, 2007). Die Folgen von ständiger Verfügbarkeit werden im folgenden Abschnitt weiter ausgeführt. Auch eine vermutete oder wahrgenommene Erwartung anderer (subjektive Norm) entsprechend der Theorie des geplanten Verhaltens (Ajzen,1985) kann für die ständige Verfügbarkeit der Beschäftigten ursächlich sein. Demnach entwickelt sich aus der Überzeugung, dass die ständige Verfügbarkeit beispielsweise von Seiten des/r Arbeitgebers/in oder der Führungskraft erwartet wird, und der Motivation dieser Erwartung gerecht werden zu wollen, ein entsprechendes Verhalten, welches sich etwa in ständiger Ansprechbarkeit und Reaktionsbereitschaft zeigt. Seitens der Beschäftigten spielen insbesondere motivationale Faktoren wie beispielsweise Spaß an der Arbeit oder das Streben nach Anerkennung (Ohly & Latour, 2014) sowie eine hohe Identifikation mit der Arbeitsdomäne eine wichtige Rolle und bilden somit zentralen Beweggrund, sich auch außerhalb der regulären Arbeitszeit mit beruflichen Belangen zu beschäftigen (Matthews & Barnes-Farrell, 2010).
 
Schließlich sind  auch der Einsatz und die Weiterentwicklung von Kommunikationstechnologien, die die ständige Erreichbarkeit der Beschäftigen erst ermöglichen, für das Phänomen der ständigen Verfügbarkeit und letztendlich auch für die Entwicklung von Gegenmaßnahmen von großer Bedeutung (Bergman & Gardiner, 2007).
 
Schließlich sind  auch der Einsatz und die Weiterentwicklung von Kommunikationstechnologien, die die ständige Erreichbarkeit der Beschäftigen erst ermöglichen, für das Phänomen der ständigen Verfügbarkeit und letztendlich auch für die Entwicklung von Gegenmaßnahmen von großer Bedeutung (Bergman & Gardiner, 2007).
 
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<b>Fragen zur Selbstreflexion</b>
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<b>Fallbeispiel</b>
Folgende Fragen können helfen, um die eigenen Beweggründe für eine ständige Verfügbarkeit für berufliche Anforderungen zu reflektieren:
 
 
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   <i><ul><li>Wird die ständige Verfügbarkeit von mir verlangt? Wer verlangt von mir, ständig verfügbar zu sein?</li>
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Max Mustermann hat seit seinem Abteilungswechsel vor zwei Monaten ein Problem. Er ist dauerhaft erschöpft und seine Gedanken kreisen ständig um die Arbeit. Er arbeitet nun in einem neuen Team mit neuen Kollegen/innen und hat neue Aufgaben zugeteilt bekommen. Sein Aufgabengebiet in der früheren Abteilung umfasste vor allem Routineaufgaben. Er hat in einem Verwaltungsapparat gearbeitet und hatte nur selten neue und ungeplante Anfragen, auf die er reagieren musste. Sein Arbeitstag begann um 8 Uhr morgens und endete in der Regel um 17 Uhr. Nach der Arbeit beschäftigte Herr Mustermann sich nur wenig mit der Arbeit. Er konnte am nächsten Tag ohne großen Zeitdruck an den liegengebliebenen Aufgaben vom Vortag weiterarbeiten. Mit dem Abteilungswechsel hat sich das geändert. Er hat sich sehr auf die neuen Herausforderungen einer neuen Position gefreut. Nun arbeitet er in einem Projektteam, welches ständig auf Veränderungen reagieren muss. Sein Arbeitstag ist gefüllt von wechselnden und spannenden Tätigkeiten. Wenn ein Problem auftritt, dann muss er spontan seine Prioritäten neu ordnen. Das aktuelle Projekt ist für einen Kunden aus New York. Der Kontakt zum Kunden ist sehr eng und durch einen ständigen Austausch gekennzeichnet. Durch die Zeitverschiebung erhält Herr Mustermann wichtige E-Mails oft erst spät nach Feierabend. Die interkulturelle Zusammenarbeit macht ihm großen Spaß und er möchte gerne durch großen Arbeitseinsatz und gute Leistungen auf sich aufmerksam machen. Herr Mustermann hat daher damit begonnen, telefonische Anfragen oder E-Mails auch außerhalb der regulären Arbeitszeit zu beantworten oder zu bearbeiten. Mittlerweile fühlt er sich hierzu auch verpflichtet und ist davon überzeugt, dass der Kunde und auch der Projektleiter diesen zusätzlichen Arbeitseinsatz von ihm erwarten. Leider geht diese Mehrarbeit stark zu Lasten seiner Freizeit. Immer häufiger kommt es zu Streitigkeiten mit seiner Ehefrau aufgrund der vielen Heimarbeit. Auch für Freunde und Bekannte bleibt wenig Zeit und zum Sport schafft er es nur noch äußerst selten.
   <li>Warum bin ich für Kollegen/innen, Kunden/innen oder meine/n Vorgesetzte/n ständig erreichbar? Welcher Beweggrund steckt dahinter?</li></ul></i>
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<b>Selbstreflexion</b>
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Um sich der eigenen Beweggründe einer ständigen Verfügbarkeit für berufliche Anforderungen bewusst zu werden, können die folgenden Fragen helfen:
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   <i><ul><li>Wird die ständige Verfügbarkeit von mir erwartet? Wer erwartet von mir, ständig erreichbar zu sein?</li>
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   <li>Warum bin ich für Kollegen/innen, Kunden/innen oder meine/n Vorgesetzte/n ständig erreichbar? Was ist mein Antrieb dahinter?</li>
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  <li>Drohen tatsächlich Konsequenzen, wenn ich am Abend oder am Wochenende nicht erreichbar bin? Was sind mögliche Konsequenzen?</li></ul></i>
 
<h1>Folgen von ständiger Verfügbarkeit: Empirische Zusammenhänge</h1>
 
<h1>Folgen von ständiger Verfügbarkeit: Empirische Zusammenhänge</h1>
Die Folgen von ständiger Verfügbarkeiten außerhalb der regulären Arbeitszeit und die damit verbundene zusätzliche Arbeitsbelastung, sind ebenso vielfältig wie ihr Ursachen. Sie stellen für die Gesundheit und das Wohlbefinden der Betroffenen eine große Belastung dar. Im Folgenden werden daher verschiedene Befunde zu den potenziellen psychischen wie auch physischen Folgen, die sich aus der Belastung durch eine ständige Verfügbarkeit ergeben, beschrieben.
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Die Folgen von ständiger Verfügbarkeit außerhalb der regulären Arbeitszeit und der damit verbundenen zusätzlichen Arbeitsbelastung sind ebenso vielfältig wie ihr Ursachen. Sie stellen für die Gesundheit und das Wohlbefinden der Betroffenen eine große Belastung dar. Im Folgenden werden daher verschiedene Befunde zu den potenziellen psychischen wie auch physischen Folgen, die sich aus der Belastung durch eine ständige Verfügbarkeit ergeben, beschrieben.
 
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<ul><li>Eine ständige Verfügbarkeit für Arbeitsanforderungen in der Freizeit beeinträchtigt die Erholungsfähigkeit: Unter den ständig für Arbeitsbelange Erreichbaren erwiesen sich in einer Untersuchung der Initiative Arbeit & Gesundheit 36% als erholungsunfähig, während in der Vergleichsgruppe nur 16% Auffälligkeiten zeigten (iga.Report 23, 2013). Ein mangelnde Erholung von der Arbeit wiederum beeinträchtigt das Wohlbefinden (z. B. Sonnentag & Fritz, 2007).
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<ul><li>Eine ständige Verfügbarkeit für Arbeitsanforderungen in der Freizeit beeinträchtigt die Erholungsfähigkeit: Unter den ständig für Arbeitsbelange Erreichbaren erwiesen sich in einer Untersuchung der Initiative Arbeit & Gesundheit 36% als erholungsunfähig, während in der Vergleichsgruppe nur 16% Auffälligkeiten zeigten (Hassler, Rau, Hupfeld, Paridon & Schuchart, 2016). Ein mangelnde Erholung von der Arbeit wiederum beeinträchtigt das Wohlbefinden (z. B. Sonnentag & Fritz, 2007).
 
<li>Bei ständiger Verfügbarkeit ist die mentale Distanzierung von der Arbeit, die eine wesentliche Voraussetzung für den psychologischen Erholungsprozess von der Arbeit darstellt, beeinträchtigt. Ein mangelnde mentale Distanzierung ist daher mit negativen Beanspruchungsfolgen (Müdigkeit, Erschöpfung) verbunden (Sonnentag & Schiffner, 2019).</li>
 
<li>Bei ständiger Verfügbarkeit ist die mentale Distanzierung von der Arbeit, die eine wesentliche Voraussetzung für den psychologischen Erholungsprozess von der Arbeit darstellt, beeinträchtigt. Ein mangelnde mentale Distanzierung ist daher mit negativen Beanspruchungsfolgen (Müdigkeit, Erschöpfung) verbunden (Sonnentag & Schiffner, 2019).</li>
 
<li>Bei Beschäftigten, die ständig für arbeitsbezogene Angelegenheiten erreichbar sind, sind zudem oft ein Rückgang der Freizeitaktivitäten und eine verminderte Stimmung sowie erhöhte Reizbarkeit zu beobachten (Bamberg et al., 2012).</li>
 
<li>Bei Beschäftigten, die ständig für arbeitsbezogene Angelegenheiten erreichbar sind, sind zudem oft ein Rückgang der Freizeitaktivitäten und eine verminderte Stimmung sowie erhöhte Reizbarkeit zu beobachten (Bamberg et al., 2012).</li>
<li>Ständige Verfügbarkeit korreliert daneben auch mit Rollenkonflikten zwischen Familie und Arbeit aufgrund der konkurrierenden Anforderungen der verschiedenen Lebensbereiche (Sonnentag & Fritz, 2007)</li>
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<li>Ständige Verfügbarkeit korreliert daneben auch mit Rollenkonflikten zwischen Familie und Arbeit aufgrund der konkurrierenden Anforderungen der verschiedenen Lebensbereiche (Sonnentag & Fritz, 2007).</li>
<li>Ständig Erreichbare berichteten in der Untersuchung der Initiative Gesundheit & Arbeit über eine subjektiv schlechtere Schlafqualität als Personen der Vergleichsgruppe (iga.Report 23, 2013).</li>
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<li>Ständig Erreichbare berichteten in der Untersuchung der Initiative Gesundheit & Arbeit über eine subjektiv schlechtere Schlafqualität als Personen der Vergleichsgruppe (Hassler et al., 2016).</li>
 
<li>Auch Gesundheitsprobleme wie Rücken- und Nackenschmerzen und Absentismus können auftreten, wenn Beschäftigte außerhalb der Erwerbszeit zu arbeitsbezogenen Angelegenheiten kontaktiert werden können (Arlinghaus & Nachreiner, 2013).</li></ul>
 
<li>Auch Gesundheitsprobleme wie Rücken- und Nackenschmerzen und Absentismus können auftreten, wenn Beschäftigte außerhalb der Erwerbszeit zu arbeitsbezogenen Angelegenheiten kontaktiert werden können (Arlinghaus & Nachreiner, 2013).</li></ul>
 
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"Der Ressourcen-Anforderungs-Fragebogen“ (ReA) erfasst auf 18 Subskalen Anforderungen, die am Arbeitsplatz durch die Beschäftigten wahrgenommen werden. Mit dem ReA können daneben auf 20 Subskalen die Ressourcen gemessen werden, über die die Mitarbeitenden zur Bewältigung der Anforderungen verfügen. Eine Anforderung, die durch den ReA erfasst wird, ist Verfügbarkeit, welche als eine ständige Erreichbarkeit für Arbeitsanforderungen auch außerhalb der regulären Arbeitszeit definiert werden kann. Die Items im ReA beschreiben mögliche Anforderungen und Situationen aus dem Arbeitsalltag der Mitarbeitenden, welche beim Ausfüllen des Fragebogens gebeten werden anzugeben, in wie weit die entsprechenden Anforderungen auf ihre berufliche Tätigkeit zutreffen.  
 
"Der Ressourcen-Anforderungs-Fragebogen“ (ReA) erfasst auf 18 Subskalen Anforderungen, die am Arbeitsplatz durch die Beschäftigten wahrgenommen werden. Mit dem ReA können daneben auf 20 Subskalen die Ressourcen gemessen werden, über die die Mitarbeitenden zur Bewältigung der Anforderungen verfügen. Eine Anforderung, die durch den ReA erfasst wird, ist Verfügbarkeit, welche als eine ständige Erreichbarkeit für Arbeitsanforderungen auch außerhalb der regulären Arbeitszeit definiert werden kann. Die Items im ReA beschreiben mögliche Anforderungen und Situationen aus dem Arbeitsalltag der Mitarbeitenden, welche beim Ausfüllen des Fragebogens gebeten werden anzugeben, in wie weit die entsprechenden Anforderungen auf ihre berufliche Tätigkeit zutreffen.  
 
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Itemformulierungen der Subskala "Verfügbarkeit" des ReA:  
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<ul><li>Ich muss nach Feierabend bzw. am Wochenende für meinen Vorgesetzten/ Job verfügbar sein. </li>
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<b>Itemformulierungen der Subskala "Verfügbarkeit" des ReA:</b>
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<ul><li>Ich muss nach Feierabend bzw. am Wochenende für meinen Vorgesetzten/ Job verfügbar sein.</li>
 
<li>Ständige Erreichbarkeit ist bei uns selbstverständlich.</li>
 
<li>Ständige Erreichbarkeit ist bei uns selbstverständlich.</li>
 
<li>Ich bearbeite arbeitsbezogene E-Mails und wichtige Anliegen (bspw. von Kunden) auch außerhalb meiner regulären Arbeitszeit.</li></ul>
 
<li>Ich bearbeite arbeitsbezogene E-Mails und wichtige Anliegen (bspw. von Kunden) auch außerhalb meiner regulären Arbeitszeit.</li></ul>
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Der ReA gibt nicht nur Auskunft über die globale Belastung durch Verfügbarkeit. Über die verschiedenen Itemformulierungen können vielmehr auch die Facetten von Verfügbarkeit erfasst werden.
 
 
<h1>Was kann man machen, um den Folgen von ständiger Verfügbarkeit entgegenzuwirken?</h1>
 
<h1>Was kann man machen, um den Folgen von ständiger Verfügbarkeit entgegenzuwirken?</h1>
Ständige Verfügbarkeit kann eine Anforderungen an die Beschäftigen darstellen, die negative Folgen für die Gesundheit und das indiviuelle Wohlbefinden mit sich bringt. In dem folgenden Abschnitt werden verschiedene kurz- und langfristige Maßnahmen und Interventionsmöglichkeiten vorgestellt, mit denen den negativen Folgen von ständiger Verfügbarkeit begegnet werden kann.  
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Ständige Verfügbarkeit kann eine Anforderungen an die Beschäftigen darstellen, die negative Folgen für die Gesundheit und das individuelle Wohlbefinden mit sich bringt. In dem folgenden Abschnitt werden verschiedene kurz- und langfristige Maßnahmen und Interventionsmöglichkeiten vorgestellt, mit denen den negativen Folgen von ständiger Verfügbarkeit begegnet werden kann oder mit denen jene vorgebeugt werden können.  
 
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==Sofortmaßnahmen==
 
==Sofortmaßnahmen==
Durch mobile Technologien und neue Kommunikationsmittel können wir räumlich und zeitlich flexibel arbeiten. Smartphones oder auch Laptops erlauben uns die Arbeit von zu Hause oder unterwegs. Diese flexible Arbeitsgestaltung bietet dem Beschäftigten sowohl Chancen als auch Risiken. Eine ständige Verfügbarkeit stellt dabei aber insbesondere ein Risiko dar. Die neuen Kommunikationstechnologien fördern die Erwartungen der Beschäftigten auch außerhalb der regulären Arbeitszeit beruflich erreichbar sein zu müssen (Bergman & Gardiner, 2007). Konsistent mit dieser Argumentation geht mit mobilen Kommunikationstechnologien ein höherer Arbeitsumfang und längere Arbeitszeiten einher (Tower, Duxbury & Thomas, 2005). Mithilfe der unten aufgeführten Sofortmaßnahmen kann die eigene Verfügbarkeit für beruflichen Belange außerhalb der Arbeitszeit selbstbestimmt reguliert werden. Dies geschieht, unter anderem, indem die mobilen Technologien als Kommunikationsmittel bewusst eingesetzt und ausgeschaltet werden. Eine Checkliste kann helfen, die Selbstreflexion anzuregen und erste Gegenmaßnahmen einzuleiten.
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Durch mobile Technologien und neue Kommunikationsmittel können wir räumlich und zeitlich flexibel arbeiten. Smartphones oder auch Laptops erlauben uns die Arbeit von zu Hause oder unterwegs. Diese flexible Arbeitsgestaltung bietet dem Beschäftigten sowohl Chancen, schafft aber auch Risiken. Die ständige Erreichbarkeit stellt dabei aber insbesondere ein Risiko dar. Die neuen Kommunikationstechnologien fördern die Erwartungen der Beschäftigten auch außerhalb der regulären Arbeitszeit beruflich erreichbar sein zu müssen (Bergman & Gardiner, 2007). Konsistent mit dieser Argumentation geht mit mobilen Kommunikationstechnologien ein höherer Arbeitsumfang und längere Arbeitszeiten einher (Tower, Duxbury & Thomas, 2005). Mithilfe der unten aufgeführten Sofortmaßnahmen kann die eigene Verfügbarkeit für berufliche Belange außerhalb der Arbeitszeit selbstbestimmt reguliert werden. Dies geschieht, unter anderem, indem die mobilen Technologien als Kommunikationsmittel bewusst eingesetzt und ausgeschaltet werden. Eine Checkliste kann helfen, die Selbstreflexion anzuregen und erste Gegenmaßnahmen einzuleiten.
 
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==Entspannungs- und Achtsamkeitsübungen==
 
==Entspannungs- und Achtsamkeitsübungen==
Ständige Verfügbarkeit kann subjektiv oder kulturell erwartet werden. Deswegen sehen Experten vor allem Unternehmen und Organisationen in der Pflicht zu regulierenden Maßnahmen (iga.Report 23, 2013). Diese Maßnahmen sind jedoch sehr aufwendig (vgl. Volkswagen AG: Ausschalten der Mailserver) und dementsprechend noch nicht die Regel. Es ist folglich davon auszugehen, dass der Mitarbeiter in der nahen Zukunft eigenverantwortlich für seine Gesundheit und sein persönliches Wohlbefinden zuständig bleibt. Beschäftigte können den negativen Folgen von ständiger Verfügbarkeit und den damit einhergehenden Belastungen durch Entspannungs- und Achtsamkeitsübungen entgegenwirken.
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Ständige Verfügbarkeit kann subjektiv oder kulturell erwartet werden. Deswegen sehen Experten vor allem Unternehmen und Organisationen in der Pflicht zu regulierenden Maßnahmen (Hassler et al., 2016). Diese Maßnahmen sind jedoch sehr aufwendig (vgl. Volkswagen AG: Ausschalten der Mailserver zu einer bestimmten Uhrzeit) und dementsprechend noch nicht die Regel. Es ist folglich davon auszugehen, dass der Mitarbeiter in der nahen Zukunft eigenverantwortlich für seine Gesundheit und sein persönliches Wohlbefinden zuständig bleibt. Beschäftigte können den negativen Folgen (z. B. Erschöpfung, Nacken- und Rückenschmerzen) von ständiger Verfügbarkeit und den damit einhergehenden Belastungen durch Entspannungs- und Achtsamkeitsübungen entgegenwirken.
 
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Achtsamkeit ist die Fähigkeit wahrzunehmen, ohne zu bewerten. Achtsam kann man nur im Hier und Jetzt sein. Die Gedanken sollten daher nicht zu den ToDo-Listen oder einer Rekapitulationen von Meetings abwandern. Achtsamkeit kann bei der Stressreduktion und Entspannung helfen. Die Übung <i>Body-Scan</i> geht schrittweise durch den Körper von den Füßen bis hin zum Kopf. Der Körper, die Empfindungen und Gefühle sollen auf diese Weise intensiver gespürt werden. Die Übung kann mit und ohne Musik hier online heruntergeladen werden: https://www.tk.de/techniker/magazin/life-balance/aktiv-entspannen/body-scan-download-2007110
 
Achtsamkeit ist die Fähigkeit wahrzunehmen, ohne zu bewerten. Achtsam kann man nur im Hier und Jetzt sein. Die Gedanken sollten daher nicht zu den ToDo-Listen oder einer Rekapitulationen von Meetings abwandern. Achtsamkeit kann bei der Stressreduktion und Entspannung helfen. Die Übung <i>Body-Scan</i> geht schrittweise durch den Körper von den Füßen bis hin zum Kopf. Der Körper, die Empfindungen und Gefühle sollen auf diese Weise intensiver gespürt werden. Die Übung kann mit und ohne Musik hier online heruntergeladen werden: https://www.tk.de/techniker/magazin/life-balance/aktiv-entspannen/body-scan-download-2007110
 
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==Einstellungen, Gedanken und Verhalten gezielt verändern==
 
==Einstellungen, Gedanken und Verhalten gezielt verändern==
Im Folgenden ist ein praktisch angeleiteter Schritt-für-Schritt-Plan aufgeführt, der unterstützen kann die eigenen Einstellungen, Gedanken und das eigene Verhalten in Bezug auf die ständige Verfügbarkeit zu reflektieren und zu ändern. Ziel ist es langfristig zu einem gewohnheitsmäßigen Verhalten im Sinne der eigenen psychischen und physischen Gesundheit zu gelangen. Dieser stufenweise aufgeführte Plan lässt sich in diesem Sinne von den Sofortmaßnahmen abgrenzen, die eine kurzfristige gesundheitsförderliche Aktion darstellen. Einstellungen beeinflussen das eigene Verhalten (Stroebe & Stroebe, 1998). Es soll mithilfe der folgenden Maßnahme erreicht werden, dass sich die eigene Einstellung zu dem Thema "ständige Verfügbarkeit" dahingehend verändert, dass diese nicht mehr als fremdbestimmt und einseitig positiv bewertet wird, sondern, dass der eigene Handlungsspielraum und die kritischen Risikopunkte berücksichtigt werden. Leider ist der Zusammenhang zwischen Einstellung und Verhalten nicht so stark, wie man intuitiv annehmen würde (Stürmer, 2009). Wichtig ist, dass das Zielverhalten spezifisch, messbar, attraktiv, realistisch und terminiert ist (Locke & Latham, 1990). Die folgenden Aufgaben und Übungen haben viele Parallelen zu verhaltenstherapeutischen Methoden. Ziel ist eine kognitive Umstrukturierung, die die Art der automatisch ablaufenden Gedanken verändert. Nach der ABC-Theorie können das eigene Verhalten und die eigenen Einstellungen (Consequences) durch eine Veränderung der Bewertung (Belief) der auslösenden Situation (Activating event) verändert werden (Ellis, 1962). Die Bewertung wird folglich systematisch umstrukturiert, wodurch sich ebenfalls ein anderes Verhalten zeigt. Es gibt folglich verschiedene Ansätze, um Verhalten zu verändern. Wir versuchen im folgenden Programm sowohl auf die zugrundeliegenden Gedanken, als auch auf die fundamentalen Einstellungen einzugehen und durch Reflektionsübungen erste Veränderungen anzuleiten:
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Im Folgenden ist ein praktisch angeleiteter Schritt-für-Schritt-Plan aufgeführt, mit dem Einstellungen, Gedanken und Verhalten bezüglich ständiger Verfügbarkeit reflektiert und gezielt geändert werden sollen. Ziel ist es langfristig ein gewohnheitsmäßiges Verhalten im Sinne der eigenen psychischen und physischen Gesundheit zu entwickeln. Dieser stufenweise aufgeführte Plan lässt sich von den Sofortmaßnahmen dahingehend abgrenzen, dass jene eine kurzfristige gesundheitsförderliche Wirkung entfalten sollen. Mittels der folgenden Maßnahmen soll erreicht werden, dass sich die Einstellung zu ständiger Verfügbarkeit, die das Verhalten beeinflusst (Stroebe & Stroebe, 1998), dahingehend ändert, dass ständige Verfügbarkeit nicht mehr als fremdbestimmt und ausschließlich positiv bewertet wird, sondern dass der eigene Handlungs- und Gestaltungsspielraum und die Risiken ständiger Erreichbarkeit ebenso in den Fokus rücken. Die im Folgenden vorgestellten Techniken und Übungen haben viele Parallelen zu kognitiv-verhaltenstherapeutischen Methoden, mit welchen das Ziel einer kognitiven Umstrukturierung verfolgt werden kann, d. h. einer Veränderung der automatisch ablaufenden Denkmuster. Nach dem ABC-Modell kann das Verhalten (Consequences) durch eine Veränderung der Bewertung (Belief) der auslösenden Situation (Activating event) gezielt verändert werden (Ellis, 1962). Die Bewertung eines Ereignisse (z. B. Anruf der Führungskraft am Abend) wird folglich durch das Hinterfragen der irrationalen Überzeugung (z. B. die Erwartung, direkt zurückrufen zu müssen) systematisch verändert, weshalb ein anderes Verhalten gezeigt wird (z. B. Rückruf erst am Folgetag in der Arbeitszeit). Im Folgenden sollen daher durch verschiedenste Übungen und Techniken Denk- und Einstellungsmuster und entsprechende Verhaltensweisen schrittweise verändert werden. Damit das Verhalten auch langfristig gezeigt wird, ist es wichtig, dass das Zielverhalten - die Ausgestaltung der eigenen Verfügbarkeit und Erreichbarkeit für arbeitsbezogene Anliegen - spezifisch, messbar, attraktiv, realistisch und terminiert ist. Im diesem Zusammenhang spricht man von der SMART-Methode. Sie besagt, dass Ziele am besten wirken, wenn sie SMART formuliert sind (Locke & Latham, 1990). Daher sollen auch Sie abschließend ein Zielverhalten definieren, das SMART ist und ihr Wohlbefinden und ihre Gesundheit sicherstellt.
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[[File:ABC-Modell nach Ellis.PNG|200px|thumb|left|Abbildung 1: ABC-Modell]]
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<li>Schritt: Schaffung eines Bewusstseins</li>
 
In diesem ersten Schritt soll ein Bewusstsein über den aktuellen Ist-Zustand geschaffen werden.
 
 
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<i>Wie häufig beantworte ich in meiner Freizeit berufliche E-Mails bzw. nehme Anrufe entgegen?</i> Führen Sie ein Ritual ein: Bei jedem Anruf, bei jeder E-Mail, die Sie in Ihrer Freizeit beantworten, legen Sie eine Kugel in ein Glas. Sie können dafür auch das folgende Handout ausdrucken und mit einer Strichliste Buch führen.
 
 
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<i>Wie lange beschäftige ich mich mit arbeitsrelevanten Themen bzw. tue etwas für die Arbeit nach Feierabend/ am Wochenende/ an Feiertagen/ im Urlaub?</i> Um die Dauer der unregulierten Arbeitszeit zu messen, tracken Sie die Bildschirmzeit über mehrere Tage hinweg.
 
 
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<b><li>Schritt: Bewusstsein schaffen</li></b>
 
[[File:Strichliste_2.png|100px|thumb|left|[[File:Strichliste_2.pdf]]]]
 
[[File:Strichliste_2.png|100px|thumb|left|[[File:Strichliste_2.pdf]]]]
 
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<li>Schritt: Reflektion</li>
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In einem ersten Schritt sollten Sie sich des Ausmaßes der Verfügbarkeit für Arbeitsanforderungen außerhalb der regulären Arbeitszeit bewusst werden. Hierzu stehen Ihnen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung.
Die Reflektion der Konsequenzen von ständiger Verfügbarkeit ist wichtig, um herauszufinden, ob mit dieser eine psychische und/oder physische Belastung einhergeht.  
 
 
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<i>Wie fühle ich mich dabei? Was macht das mit mir?</i> Führen Sie mit dem folgenden Handout Tagebuch über Ihre Gedanken und Gefühle im Laufe des Tages.
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<p><i>Wie häufig beantworte ich in meiner Freizeit berufliche E-Mails bzw. nehme Anrufe entgegen?</i>  
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Führen Sie ein Ritual ein: Bei jedem Anruf, bei jeder E-Mail, die Sie in Ihrer Freizeit beantworten, legen Sie eine Kugel in ein Glas. Alternativ können dafür auch das folgende Handout ausdrucken und eine Strichliste über die Anzahl entgegengenommener Anrufe und beantworteter E-Mails führen.</p>
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<p><i>Wie lange beschäftige ich mich mit arbeitsrelevanten Themen bzw. wie lange arbeite ich auch nach Feierabend/ am Wochenende/ an Feiertagen/ im Urlaub?</i> Um die Dauer der unregulierten Arbeitszeit zu messen, tracken Sie die Bildschirmzeit (z. B. des Dienstsmartphones) über mehrere Tage hinweg.</p>
 
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<b><li>Schritt: Reflektion der Folgen der Verfügbarkeit</li></b>
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Im folgenden Schritt sollten Sie hinterfragen, inwieweit die ständige Verfügbarkeit eine Belastung für Ihr Wohlbefinden oder Ihre Gesundheit darstellt.
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<p><i>Wie fühle ich mich dabei? Was macht das mit mir ständig erreichbar zu sein? Wie habe ich entsprechende Situationen erlebt?</i> Führen Sie mit dem folgenden Handout Tagebuch über Ihre Gedanken und Gefühle in Situationen, in denen Sie in der Freizeit Ihrer beruflichen Tätigkeit nachgegangen sind oder zu arbeitsbezogenen Angelegenheiten kontaktiert wurden.</p>
 
[[File:Tagebuch_2.png|100px|thumb|left|[[File:Tagebuch_2.pdf]]]]
 
[[File:Tagebuch_2.png|100px|thumb|left|[[File:Tagebuch_2.pdf]]]]
 
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<li>Schritt: Realitätsprüfung</li>
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<b><li>Schritt: Realitätsprüfung</li></b>
In diesem Schritt wird überprüft, inwiefern die eigene Überzeugung, dass die ständige Verfügbarkeit vom Arbeitsumfeld erwartet wird, tatsächlich der Realität entspricht. Außerdem wird ein Augenmerk auf die Effektivität dieser außerregulären Arbeitszeit gelegt. Diese geht zu Lasten der Erholungs- und Regenerationszeit und sollte dementsprechend wertschaffend sein, um gerechtfertigt werden zu können.  
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In diesem Schritt wird überprüft, inwiefern die eigene Überzeugung, dass die ständige Verfügbarkeit vom Arbeitsumfeld erwartet wird, tatsächlich der Realität entspricht. Außerdem wird ein Augenmerk auf die Effektivität dieser außerregulären Arbeitszeit gelegt. Da diese häufig zu Lasten der Erholungs- und Regenerationszeit geht, sollte sie dementsprechend wertschaffend sein, um gerechtfertigt werden zu können.  
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<i>Wird es wirklich erwartet, dass ich ständig erreichbar bin? Wie wird es von anderen bewertet, wenn ich nicht verfügbar bin?</i> Die erwartete ständige Verfügbarkeit können Sie zum Beispiel durch ein Gespräch mit Ihrer Führungskraft oder Ihren Kollegen und Kolleginnen hinterfragen. Sie können aber auch versuchen sich die Fragen in dem folgenden Handout selber zu beantworten, um auf diesem Weg zu Erkenntnissen bzgl. dieser Erwartung zu kommen.
 
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<i>Schaffe ich wirklich noch etwas nach Feierabend?</i> Reflektieren Sie welche Probleme Sie nach Feierabend gelöst haben oder welche Aufgaben Sie beendet haben. Inwiefern würde sich das Arbeitsergebnis verschlechtern, wenn Sie die Zeit nach Feierabend nicht mehr investiert hätten?
 
 
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<p><i>Wird es tatsächlich erwartet, dass ich ständig für arbeitsbezogene Angelegenheiten erreichbar bin? Wie wird es von meiner Führungskraft negativ bewertet, wenn ich am Abend oder im Urlaub nicht erreichbar bin?</i> Ob tatsächlich erwartet wird, ständig verfügbar zu sein, können Sie hinterfragen, indem Sie ein Gespräch mit Ihrer Führungskraft oder Ihren Kollegen und Kolleginnen suchen. Alternativ können Sie sich mit den Fragen auch in diesem Handout auseinandersetzen, um auf diesem Weg zu Erkenntnissen bzgl. entsprechender Erwartungen zu gelangen.</p>
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<p><i>Schaffe ich wirklich noch etwas nach Feierabend? Wie produktiv bin ich am Abend oder am Wochenende noch?</i> Überlegen Sie welche Aufgaben Sie nach Feierabend tatsächlich noch erledigt oder welche Probleme Sie gelöst haben. <i>Inwiefern wäre das Arbeitsergebnis schlechter, wenn Sie in ihrer Freizeit keine Zeit in die Bearbeitung der Aufgabe investiert hätten?</i></p>
 
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<li>Schritt: Umstrukturierung</li>
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<b><li>Schritt: Veränderung der Verhaltens- und Denkmuster</li></b>
Dieser Schritt ist relevant, wenn Sie festgestellt haben, dass Sie auch außerhalb der regulären Arbeitszeit arbeitsbezogene Anliegen bearbeiten und für Kollegen und Kolleginnen, sowie Ihre Führungskraft verfügbar bleiben und das ändern wollen. Außerdem steigt die Bedeutung dieses Schrittes, wenn Sie in Schritt 2 festgestellt haben, dass mit dieser ständigen Verfügbarkeit eine Belastung einhergeht und Sie darüber hinaus in Schritt 3 herausgefunden haben, dass diese außerreguläre Arbeitszeit keinen Mehrwert für Ihre Arbeitsleistung oder Ihre Bewertung durch Kollegen/innen oder Ihre Führungskraft mit sich bringt. Die drei folgenden Übungen führen durch ständige Wiederholung zum besten Erfolg:
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Dieser Schritt ist relevant, wenn Sie festgestellt haben, dass Sie auch außerhalb der regulären Arbeitszeit arbeitsbezogene Anliegen bearbeiten und für Kollegen und Kolleginnen sowie Ihre Führungskraft oder Kundinnen und Kunden erreichbar bleiben, obwohl dies womöglich gar nicht gefordert oder notwendig ist. Die Bedeutung dieses Schrittes ist umso größer, wenn Sie festgestellt haben, dass mit dieser ständigen Verfügbarkeit eine Belastung für Gesundheit und Wohlbefinden einhergeht und Sie im Weiteren erkannt haben, dass diese außerreguläre Arbeitszeit keinen Mehrwert für Ihre Arbeitsleistung oder Ihre Bewertung durch Kollegen/innen oder Ihre Führungskraft darstellt. Die drei folgenden Methoden sind bei regelmäßiger Wiederholung erfolgversprechend, um dysfunktionale Denk- und Verhaltensmuster zu ändern:
 
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<b>Selbstinstruktionen</b>
 
<b>Selbstinstruktionen</b>
 
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Unter einer Selbstinstruktion versteht man die gedankliche Wiederholung von ausgewählten Sätzen. Diese Methode wird eingesetzt, wenn bestimmte Denkmuster unterbrochen werden sollen. Beim Thema ständige Verfügbarkeit können beispielsweise Gedankenschleifen wie "Ich muss jetzt zurückrufen." und "Andere werden mich schlecht bewerten." auftreten. Diese angstbesetzten Gedanken behindern die Veränderung im Verhalten. Häufig müssen diese automatisch ablaufenden Gedanken zunächst bewusst wahrgenommen werden und dann explizit gedanklich entkräftet werden. Die Selbstinstruktion hilft an dieser Stelle zu intervenieren. Beispielsätze könnten sein: "Es reicht, wenn ich in meiner Arbeitszeit verfügbar bin.", "Meine Verfügbarkeit für Arbeitsthemen bestimme ich bewusst selbst.", "Ich achte auf meine Gesundheit." etc. Suchen Sie sich einen für Sie passenden Satz aus und wiederholen Sie diesen häufig hintereinander.
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Unter einer Selbstinstruktion versteht man die gedankliche Wiederholung ausgewählter Sätze. Diese Methode wird eingesetzt, um bestimmte dysfunktionale Denkmuster zu unterbrechen. Angstbesetzte Gedankenschleifen wie "Wenn ich diese Mail nicht noch heute beantworte, hat das negative Folgen für meine Karriere und verschlechtert meine Aufstiegschancen" und "Meine Führungskraft erwartet einen sofortigen Rückruf" verhindern eine Veränderung des Verhaltens. Daher müssen diese automatisch ablaufenden Gedanken zunächst bewusst wahrgenommen werden und dann explizit gedanklich entkräftet werden. Selbstinstruktionen helfen an dieser Stelle zu intervenieren. Beispielhafte Selbstinstruktionen sind: "Es reicht, wenn ich in meiner Arbeitszeit für arbeitsbezogene Anfragen erreichbar bin", "Meine Verfügbarkeit für dienstliche Belange bestimme ich bewusst selbst" oder "Ich achte auf meine Gesundheit". Wählen Sie für sich passende Aussagen und wiederholen Sie diese regelmäßig.
 
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<b>Verstärkung</b>
 
<b>Verstärkung</b>
 
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Verstärkung eines Verhaltens erhöht die Wahrscheinlichkeit des Auftretens dieses Verhaltens in der Zukunft. Belohnen Sie sich, wenn Sie es geschafft haben Ihr gewünschtes Zielverhalten zu zeigen (Bsp. einen Abend Handy und Laptop ausschalten). Nutzen Sie die gewonnene Zeit bewusst für etwas Schönes (Bsp. Spaziergang, Sport, Treffen mit Freunden, Familienzeit).
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Die Verstärkung eines Verhaltens erhöht die Wahrscheinlichkeit des Auftretens dieses Verhaltens in der Zukunft. Belohnen Sie sich daher, wenn Sie es geschafft haben, Ihr gewünschtes Zielverhalten zu zeigen (z. B. am Abend das Smartphone und den Laptop ausschalten). Nutzen Sie die gewonnene Zeit bewusst für etwas Schönes (z. B. einen Spaziergang, Sport, Treffen mit Freunden, Zeit für die Familie).
 
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<b>Stimulus-Kontrolle</b>
 
<b>Stimulus-Kontrolle</b>
 
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Jeder von uns ist jeden Tag Stimuli (= Reizen, Gegenständen etc.) ausgesetzt, die bestimmte Erinnerungen wachrufen. Durch Stimulus-Kontrolle können wir kontrollieren, woran wir erinnert werden wollen. Dinge, die sich immer außerhalb unserer Wahrnehmung befinden, werden ausgeblendet und erhalten weniger Aufmerksamkeit. Diese Methode kann auch bei der ständigen Verfügbarkeit eingesetzt werden. Sie können zum Beispiel Ihr Diensthandy und Ihren Laptop weglegen. Oder Sie heften an den Kühlschrank einen motivierenden Spruch oder ein Motto, dass Sie anspricht (Bsp. "Genug getan für heute"). Dadurch würden Sie sich bewusst dieses Motto regelmäßig in Erinnerung rufen.  
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Jeder von uns ist tagtäglich Stimuli (= Reizen, Gegenständen) ausgesetzt, die bestimmte Erinnerungen wachrufen. Durch eine Stimulus-Kontrolle können wir bewusst kontrollieren, woran wir erinnert werden, was unsere Aufmerksamkeit erhält und was ausgeblendet wird. Diese Methode kann auch bei der Gestaltung der eigenen Verfügbarkeit für Arbeitsanforderungen eingesetzt werden. Sie können zum Beispiel Ihr Diensthandy und Ihren Laptop weglegen. Oder Sie heften an den Kühlschrank einen motivierenden Spruch oder ein Motto (z. B. "Genug getan für heute"), das Sie persönlich anspricht und welches Sie sich regelmäßig in Erinnerung rufen möchten.
 
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<li>Schritt: Umsetzung</li>
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<b><li>Schritt: Umsetzung</li></b>
Dieser letzte Schritt soll Ihnen helfen erste Maßnahmen umzusetzen und Ihre Fortschritte zu testen. Die oben beschriebenen Kriterien für ein gutes Ziel (SMART) können in dem folgenden Handout verwendet werden, um sich selber konkrete Verhaltensweisen vorzunehmen. Die SMART-Kriterien unterstützen die Zielsetzung und sichern den Erfolg bei der Umsetzung. <i>Wie leicht fällt es mir schon meine ständige Verfügbarkeit zu unterbrechen? Wie häufig gelingt mir das schon?</i> In dem folgenden Handout Stempelkarte kann spielerisch dieser Erfolg überprüft werden.
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Der letzte Schritt zielt darauf, das angestrebte Verhalten auch tatsächlich umzusetzen und Ihre Fortschritte zu überprüfen. Die oben beschriebenen Kriterien für ein gutes Ziel (SMART) können in dem folgenden Handout verwendet werden, um konkrete Verhaltensweisen zu entwickeln, die im Alltag auch langfristig gezeigt werden können. Die SMART-Kriterien unterstützen die Zielsetzung und sichern den Erfolg bei der Entwicklung und Umsetzung des Verhaltens. <i>Wie leicht fällt es mir schon meine Verfügbarkeit zu unterbrechen? Wie oft gelingt es mir schon?</i> Mit der folgenden Stempelkarte kann spielerisch der Erfolg bei der Umsetzung überprüft werden.
 
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<h1>Literatur</h1>
 
<h1>Literatur</h1>
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Ajzen, I. (1985). <i>From intentions to actions: A theory of planned behavior</i>. Berlin, Heidelber, New York: Springer-Verlag.
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Arlinghaus, A., & Nachreiner, F. (2013). When work calls - Associations between being contacted outside of regular working hours for work-related matters and health. <i>Chronobiology International, 30</i>(9), 1197-1202.
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Bakker, A. B., & Demerouti, E. (2007). The Job Demands-Resources model: State of the art. <i>Journal of Managerial Psychology, 22</i>(3), 309–328.
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Bamberg, E., Dettmers, J., Funck, H., Krähe, B., & Vahle-Hinz, T. (2012). Effects of on-call work on well-being: Results of a daily survey. <i>Applied Psychology: Health and Well-Being, 4</i>, 299-320.
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Bergman, A., & Gardiner, J. (2007). Employee availability for work and family: three Swedish case studies. <i>Employee Relations, 29</i>, 400–414.
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Hassler, M., Rau, R.,Hupfeld, J., Paridon, H., & Schuchart, U. (2016). <i>iga.Report23: Auswirkungen von ständiger Erreichbarkeit und Präventionsmöglichkeiten.</i> Abgerufen von http://www.iga-info.de/fileadmin/redakteur/Veroeffentlichungen/iga_Reporte/Dokumente/iga-Report_23_Teil2_Auswirkungen_staendiger_Erreichbarkeit.pdf
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==Weiterführende Literatur==
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Sonnentag, S., & Fritz, C. (2007). The Recovery Experience Questionnaire: Development and validation of a measure for assessing recuperation and unwinding from work. <i>Journal of Occupational Health Psychology, 12</i>(3), 204-221.
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Sonnentag, S., & Schiffner, C. (2019). Psychological detachment from work during nonwork time and employee well-being: The role of leader's detachment. <i>Spanish Journal of Psychology, 22</i>(3).
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Stroebe, W., Stroebe, M. S., & Niedernhuber, S. (1998). <i>Lehrbuch der Gesundheitspsychologie: Ein sozialpsychologischer Ansatz</i> (1. Aufl.). Klotz.
 
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Towers, I., Duxbury, L., Higgins, C., & Thomas, J. (2006). Time thieves and space invaders: technology, work and the organization. <i>Journal of Organizational Change Management, 19</i>(5), 593–618.

Latest revision as of 22:01, 15 November 2019

Was ist ständige Verfügbarkeit?

Ständige Verfügbarkeit definiert sich durch die unregulierte Verfügbarkeit für Arbeitsanforderungen außerhalb der tariflich oder vertraglich geregelten Arbeitszeit. Hierbei findet oft eine Kontaktierung der Beschäftigten zu dienstlichen Belangen statt. Die Kontaktaufnahme kann telefonisch, über Instant-Messenger oder über E-Mail erfolgen. Ständige Verfügbarkeit geht über eine einmalige Kontaktaufnahmen außerhalb der regulären Arbeitszeit hinaus und wird als ein Zustand verstanden, der durch die fremd- oder selbstbestimmte Erreichbarkeitserwartung definiert ist. Folglich zeichnet sich dieser Zustand durch eine ständige Ansprechbarkeit und Reaktionsbereitschaft des Beschäftigten aus (Bergman & Gardiner, 2007). Die Erreichbarkeit der Beschäftigten auch außerhalb der vereinbarten Arbeitszeit stellt ein verbreitetes Phänomen dar. So geben beinahe die Hälfte der Beschäftigten in Europa an, in der Freizeit oft oder manchmal zu beruflichen Angelegenheiten kontaktiert zu werden (Arlinghaus & Nachreiner, 2013). Neben der ständigen Verfügbarkeit außerhalb der regulären Arbeitszeit gibt es tariflich und zeitlich befristete Verfügbarkeiten. So gibt es beispielsweise in der Großindustrie technische Mitarbeiter, die im Falle einer technischen Störung jederzeit erreichbar sein müssen. Diese Verantwortung wird hierbei zusätzlich vergütet. Das folgende Kapitel beschäftigt sich jedoch vorrangig mit der unregulierten Verfügbarkeit für Arbeitsanforderungen, ihren Folgen und Belastungen für das Individuum und entsprechenden Interventionsmöglichkeiten.

Antezedenzien von ständiger Verfügbarkeit

Die Gründe einer ständigen Verfügbarkeit für Arbeitsbelange auch außerhalb der regulären Arbeitszeit sind vielfältig. Sie reichen von der direkten Einforderung der ständigen Verfügbarkeit etwa durch Vorgesetzte und Kollegen/innen über eine entsprechende Arbeitskultur bis hin zu einer freiwilligen und aus individuellem Antrieb gelebten Verfügbarkeit für die gestellten Arbeitsanforderungen. Im Sinne des Job Demands-Resources Model (http://praeventa.aundo-braunschweig.de/tipps/index.php?title=Job_Demands-Resources_Model) von Bakker & Dermerouti (2007) kann die ständige Verfügbarkeit als eine Anforderung, die an die Beschäftigten gestellt wird, definiert werden. Eine Häufung von Anforderungen kann jenem Modell nach verschiedenste negative Folgen haben, wie beispielsweise Stress, Depression oder gesundheitliche bzw. körperliche Beschwerden. Entsprechende negative Folgen können jedoch durch die vorhandenen Ressourcen gemildert werden (Bakker & Dermerouti, 2007). Die Folgen von ständiger Verfügbarkeit werden im folgenden Abschnitt weiter ausgeführt. Auch eine vermutete oder wahrgenommene Erwartung anderer (subjektive Norm) entsprechend der Theorie des geplanten Verhaltens (Ajzen,1985) kann für die ständige Verfügbarkeit der Beschäftigten ursächlich sein. Demnach entwickelt sich aus der Überzeugung, dass die ständige Verfügbarkeit beispielsweise von Seiten des/r Arbeitgebers/in oder der Führungskraft erwartet wird, und der Motivation dieser Erwartung gerecht werden zu wollen, ein entsprechendes Verhalten, welches sich etwa in ständiger Ansprechbarkeit und Reaktionsbereitschaft zeigt. Seitens der Beschäftigten spielen insbesondere motivationale Faktoren wie beispielsweise Spaß an der Arbeit oder das Streben nach Anerkennung (Ohly & Latour, 2014) sowie eine hohe Identifikation mit der Arbeitsdomäne eine wichtige Rolle und bilden somit zentralen Beweggrund, sich auch außerhalb der regulären Arbeitszeit mit beruflichen Belangen zu beschäftigen (Matthews & Barnes-Farrell, 2010). Schließlich sind auch der Einsatz und die Weiterentwicklung von Kommunikationstechnologien, die die ständige Erreichbarkeit der Beschäftigen erst ermöglichen, für das Phänomen der ständigen Verfügbarkeit und letztendlich auch für die Entwicklung von Gegenmaßnahmen von großer Bedeutung (Bergman & Gardiner, 2007).

Fallbeispiel
Max Mustermann hat seit seinem Abteilungswechsel vor zwei Monaten ein Problem. Er ist dauerhaft erschöpft und seine Gedanken kreisen ständig um die Arbeit. Er arbeitet nun in einem neuen Team mit neuen Kollegen/innen und hat neue Aufgaben zugeteilt bekommen. Sein Aufgabengebiet in der früheren Abteilung umfasste vor allem Routineaufgaben. Er hat in einem Verwaltungsapparat gearbeitet und hatte nur selten neue und ungeplante Anfragen, auf die er reagieren musste. Sein Arbeitstag begann um 8 Uhr morgens und endete in der Regel um 17 Uhr. Nach der Arbeit beschäftigte Herr Mustermann sich nur wenig mit der Arbeit. Er konnte am nächsten Tag ohne großen Zeitdruck an den liegengebliebenen Aufgaben vom Vortag weiterarbeiten. Mit dem Abteilungswechsel hat sich das geändert. Er hat sich sehr auf die neuen Herausforderungen einer neuen Position gefreut. Nun arbeitet er in einem Projektteam, welches ständig auf Veränderungen reagieren muss. Sein Arbeitstag ist gefüllt von wechselnden und spannenden Tätigkeiten. Wenn ein Problem auftritt, dann muss er spontan seine Prioritäten neu ordnen. Das aktuelle Projekt ist für einen Kunden aus New York. Der Kontakt zum Kunden ist sehr eng und durch einen ständigen Austausch gekennzeichnet. Durch die Zeitverschiebung erhält Herr Mustermann wichtige E-Mails oft erst spät nach Feierabend. Die interkulturelle Zusammenarbeit macht ihm großen Spaß und er möchte gerne durch großen Arbeitseinsatz und gute Leistungen auf sich aufmerksam machen. Herr Mustermann hat daher damit begonnen, telefonische Anfragen oder E-Mails auch außerhalb der regulären Arbeitszeit zu beantworten oder zu bearbeiten. Mittlerweile fühlt er sich hierzu auch verpflichtet und ist davon überzeugt, dass der Kunde und auch der Projektleiter diesen zusätzlichen Arbeitseinsatz von ihm erwarten. Leider geht diese Mehrarbeit stark zu Lasten seiner Freizeit. Immer häufiger kommt es zu Streitigkeiten mit seiner Ehefrau aufgrund der vielen Heimarbeit. Auch für Freunde und Bekannte bleibt wenig Zeit und zum Sport schafft er es nur noch äußerst selten.

Selbstreflexion
Um sich der eigenen Beweggründe einer ständigen Verfügbarkeit für berufliche Anforderungen bewusst zu werden, können die folgenden Fragen helfen:

  • Wird die ständige Verfügbarkeit von mir erwartet? Wer erwartet von mir, ständig erreichbar zu sein?
  • Warum bin ich für Kollegen/innen, Kunden/innen oder meine/n Vorgesetzte/n ständig erreichbar? Was ist mein Antrieb dahinter?
  • Drohen tatsächlich Konsequenzen, wenn ich am Abend oder am Wochenende nicht erreichbar bin? Was sind mögliche Konsequenzen?

Folgen von ständiger Verfügbarkeit: Empirische Zusammenhänge

Die Folgen von ständiger Verfügbarkeit außerhalb der regulären Arbeitszeit und der damit verbundenen zusätzlichen Arbeitsbelastung sind ebenso vielfältig wie ihr Ursachen. Sie stellen für die Gesundheit und das Wohlbefinden der Betroffenen eine große Belastung dar. Im Folgenden werden daher verschiedene Befunde zu den potenziellen psychischen wie auch physischen Folgen, die sich aus der Belastung durch eine ständige Verfügbarkeit ergeben, beschrieben.

  • Eine ständige Verfügbarkeit für Arbeitsanforderungen in der Freizeit beeinträchtigt die Erholungsfähigkeit: Unter den ständig für Arbeitsbelange Erreichbaren erwiesen sich in einer Untersuchung der Initiative Arbeit & Gesundheit 36% als erholungsunfähig, während in der Vergleichsgruppe nur 16% Auffälligkeiten zeigten (Hassler, Rau, Hupfeld, Paridon & Schuchart, 2016). Ein mangelnde Erholung von der Arbeit wiederum beeinträchtigt das Wohlbefinden (z. B. Sonnentag & Fritz, 2007).
  • Bei ständiger Verfügbarkeit ist die mentale Distanzierung von der Arbeit, die eine wesentliche Voraussetzung für den psychologischen Erholungsprozess von der Arbeit darstellt, beeinträchtigt. Ein mangelnde mentale Distanzierung ist daher mit negativen Beanspruchungsfolgen (Müdigkeit, Erschöpfung) verbunden (Sonnentag & Schiffner, 2019).
  • Bei Beschäftigten, die ständig für arbeitsbezogene Angelegenheiten erreichbar sind, sind zudem oft ein Rückgang der Freizeitaktivitäten und eine verminderte Stimmung sowie erhöhte Reizbarkeit zu beobachten (Bamberg et al., 2012).
  • Ständige Verfügbarkeit korreliert daneben auch mit Rollenkonflikten zwischen Familie und Arbeit aufgrund der konkurrierenden Anforderungen der verschiedenen Lebensbereiche (Sonnentag & Fritz, 2007).
  • Ständig Erreichbare berichteten in der Untersuchung der Initiative Gesundheit & Arbeit über eine subjektiv schlechtere Schlafqualität als Personen der Vergleichsgruppe (Hassler et al., 2016).
  • Auch Gesundheitsprobleme wie Rücken- und Nackenschmerzen und Absentismus können auftreten, wenn Beschäftigte außerhalb der Erwerbszeit zu arbeitsbezogenen Angelegenheiten kontaktiert werden können (Arlinghaus & Nachreiner, 2013).


Die negativen Folgen einer ständigen Erreichbarkeit sind unabhängig davon, ob ein tatsächlicher Arbeitseinsatz erfolgt oder nicht. Allein die Verfügbarkeit für arbeitsbezogene Belange in der Freizeit kann die Gesundheit und das Wohlbefinden beeinträchtigen (z. B. Bamberg et al., 2012). Entsprechende empirische Befunde unterstreichen die Bedeutsamkeit von Maßnahmen, die den negativen Folgen einer ständigen Verfügbarkeit entgegenwirken.

Skala zur Erfassung von Verfügbarkeit

"Der Ressourcen-Anforderungs-Fragebogen“ (ReA) erfasst auf 18 Subskalen Anforderungen, die am Arbeitsplatz durch die Beschäftigten wahrgenommen werden. Mit dem ReA können daneben auf 20 Subskalen die Ressourcen gemessen werden, über die die Mitarbeitenden zur Bewältigung der Anforderungen verfügen. Eine Anforderung, die durch den ReA erfasst wird, ist Verfügbarkeit, welche als eine ständige Erreichbarkeit für Arbeitsanforderungen auch außerhalb der regulären Arbeitszeit definiert werden kann. Die Items im ReA beschreiben mögliche Anforderungen und Situationen aus dem Arbeitsalltag der Mitarbeitenden, welche beim Ausfüllen des Fragebogens gebeten werden anzugeben, in wie weit die entsprechenden Anforderungen auf ihre berufliche Tätigkeit zutreffen.

Itemformulierungen der Subskala "Verfügbarkeit" des ReA:

  • Ich muss nach Feierabend bzw. am Wochenende für meinen Vorgesetzten/ Job verfügbar sein.
  • Ständige Erreichbarkeit ist bei uns selbstverständlich.
  • Ich bearbeite arbeitsbezogene E-Mails und wichtige Anliegen (bspw. von Kunden) auch außerhalb meiner regulären Arbeitszeit.

Was kann man machen, um den Folgen von ständiger Verfügbarkeit entgegenzuwirken?

Ständige Verfügbarkeit kann eine Anforderungen an die Beschäftigen darstellen, die negative Folgen für die Gesundheit und das individuelle Wohlbefinden mit sich bringt. In dem folgenden Abschnitt werden verschiedene kurz- und langfristige Maßnahmen und Interventionsmöglichkeiten vorgestellt, mit denen den negativen Folgen von ständiger Verfügbarkeit begegnet werden kann oder mit denen jene vorgebeugt werden können.

Sofortmaßnahmen

Durch mobile Technologien und neue Kommunikationsmittel können wir räumlich und zeitlich flexibel arbeiten. Smartphones oder auch Laptops erlauben uns die Arbeit von zu Hause oder unterwegs. Diese flexible Arbeitsgestaltung bietet dem Beschäftigten sowohl Chancen, schafft aber auch Risiken. Die ständige Erreichbarkeit stellt dabei aber insbesondere ein Risiko dar. Die neuen Kommunikationstechnologien fördern die Erwartungen der Beschäftigten auch außerhalb der regulären Arbeitszeit beruflich erreichbar sein zu müssen (Bergman & Gardiner, 2007). Konsistent mit dieser Argumentation geht mit mobilen Kommunikationstechnologien ein höherer Arbeitsumfang und längere Arbeitszeiten einher (Tower, Duxbury & Thomas, 2005). Mithilfe der unten aufgeführten Sofortmaßnahmen kann die eigene Verfügbarkeit für berufliche Belange außerhalb der Arbeitszeit selbstbestimmt reguliert werden. Dies geschieht, unter anderem, indem die mobilen Technologien als Kommunikationsmittel bewusst eingesetzt und ausgeschaltet werden. Eine Checkliste kann helfen, die Selbstreflexion anzuregen und erste Gegenmaßnahmen einzuleiten.











Entspannungs- und Achtsamkeitsübungen

Ständige Verfügbarkeit kann subjektiv oder kulturell erwartet werden. Deswegen sehen Experten vor allem Unternehmen und Organisationen in der Pflicht zu regulierenden Maßnahmen (Hassler et al., 2016). Diese Maßnahmen sind jedoch sehr aufwendig (vgl. Volkswagen AG: Ausschalten der Mailserver zu einer bestimmten Uhrzeit) und dementsprechend noch nicht die Regel. Es ist folglich davon auszugehen, dass der Mitarbeiter in der nahen Zukunft eigenverantwortlich für seine Gesundheit und sein persönliches Wohlbefinden zuständig bleibt. Beschäftigte können den negativen Folgen (z. B. Erschöpfung, Nacken- und Rückenschmerzen) von ständiger Verfügbarkeit und den damit einhergehenden Belastungen durch Entspannungs- und Achtsamkeitsübungen entgegenwirken.

Entspannungsübung
Die Muskelrelaxation nach Jacobsen ist eine effektive Methode, um im ganzen Körper Verspannungen in den Muskeln zu lösen und dadurch zu einer tieferen Entspannung zu gelangen. Durch eine häufige Wiederholung der Übung kann immer schneller der Zustand der Entspannung erreicht werden. Zu Beginn wird empfohlen in liegender Position (evtl. vor dem Einschlafen) die Übung mithilfe der langen Audio-Anleitung durchzuführen. Mit zunehmender Übung kann die Muskelrelaxation nach Jacobsen auch im Sitzen (z. B. im Büro) mithilfe der kurzen Audio-Anleitung durchgeführt werden. Unter diesem Link finden Sie beide Audio-Anleitungen: https://www.tk.de/techniker/magazin/life-balance/aktiv-entspannen/progressive-muskelentspannung-zum-download-2021142

Achtsamkeitsübung
Achtsamkeit ist die Fähigkeit wahrzunehmen, ohne zu bewerten. Achtsam kann man nur im Hier und Jetzt sein. Die Gedanken sollten daher nicht zu den ToDo-Listen oder einer Rekapitulationen von Meetings abwandern. Achtsamkeit kann bei der Stressreduktion und Entspannung helfen. Die Übung Body-Scan geht schrittweise durch den Körper von den Füßen bis hin zum Kopf. Der Körper, die Empfindungen und Gefühle sollen auf diese Weise intensiver gespürt werden. Die Übung kann mit und ohne Musik hier online heruntergeladen werden: https://www.tk.de/techniker/magazin/life-balance/aktiv-entspannen/body-scan-download-2007110

Einstellungen, Gedanken und Verhalten gezielt verändern

Im Folgenden ist ein praktisch angeleiteter Schritt-für-Schritt-Plan aufgeführt, mit dem Einstellungen, Gedanken und Verhalten bezüglich ständiger Verfügbarkeit reflektiert und gezielt geändert werden sollen. Ziel ist es langfristig ein gewohnheitsmäßiges Verhalten im Sinne der eigenen psychischen und physischen Gesundheit zu entwickeln. Dieser stufenweise aufgeführte Plan lässt sich von den Sofortmaßnahmen dahingehend abgrenzen, dass jene eine kurzfristige gesundheitsförderliche Wirkung entfalten sollen. Mittels der folgenden Maßnahmen soll erreicht werden, dass sich die Einstellung zu ständiger Verfügbarkeit, die das Verhalten beeinflusst (Stroebe & Stroebe, 1998), dahingehend ändert, dass ständige Verfügbarkeit nicht mehr als fremdbestimmt und ausschließlich positiv bewertet wird, sondern dass der eigene Handlungs- und Gestaltungsspielraum und die Risiken ständiger Erreichbarkeit ebenso in den Fokus rücken. Die im Folgenden vorgestellten Techniken und Übungen haben viele Parallelen zu kognitiv-verhaltenstherapeutischen Methoden, mit welchen das Ziel einer kognitiven Umstrukturierung verfolgt werden kann, d. h. einer Veränderung der automatisch ablaufenden Denkmuster. Nach dem ABC-Modell kann das Verhalten (Consequences) durch eine Veränderung der Bewertung (Belief) der auslösenden Situation (Activating event) gezielt verändert werden (Ellis, 1962). Die Bewertung eines Ereignisse (z. B. Anruf der Führungskraft am Abend) wird folglich durch das Hinterfragen der irrationalen Überzeugung (z. B. die Erwartung, direkt zurückrufen zu müssen) systematisch verändert, weshalb ein anderes Verhalten gezeigt wird (z. B. Rückruf erst am Folgetag in der Arbeitszeit). Im Folgenden sollen daher durch verschiedenste Übungen und Techniken Denk- und Einstellungsmuster und entsprechende Verhaltensweisen schrittweise verändert werden. Damit das Verhalten auch langfristig gezeigt wird, ist es wichtig, dass das Zielverhalten - die Ausgestaltung der eigenen Verfügbarkeit und Erreichbarkeit für arbeitsbezogene Anliegen - spezifisch, messbar, attraktiv, realistisch und terminiert ist. Im diesem Zusammenhang spricht man von der SMART-Methode. Sie besagt, dass Ziele am besten wirken, wenn sie SMART formuliert sind (Locke & Latham, 1990). Daher sollen auch Sie abschließend ein Zielverhalten definieren, das SMART ist und ihr Wohlbefinden und ihre Gesundheit sicherstellt.

Abbildung 1: ABC-Modell










  1. Schritt: Bewusstsein schaffen










  2. In einem ersten Schritt sollten Sie sich des Ausmaßes der Verfügbarkeit für Arbeitsanforderungen außerhalb der regulären Arbeitszeit bewusst werden. Hierzu stehen Ihnen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung.

    Wie häufig beantworte ich in meiner Freizeit berufliche E-Mails bzw. nehme Anrufe entgegen? Führen Sie ein Ritual ein: Bei jedem Anruf, bei jeder E-Mail, die Sie in Ihrer Freizeit beantworten, legen Sie eine Kugel in ein Glas. Alternativ können dafür auch das folgende Handout ausdrucken und eine Strichliste über die Anzahl entgegengenommener Anrufe und beantworteter E-Mails führen.

    Wie lange beschäftige ich mich mit arbeitsrelevanten Themen bzw. wie lange arbeite ich auch nach Feierabend/ am Wochenende/ an Feiertagen/ im Urlaub? Um die Dauer der unregulierten Arbeitszeit zu messen, tracken Sie die Bildschirmzeit (z. B. des Dienstsmartphones) über mehrere Tage hinweg.


  3. Schritt: Reflektion der Folgen der Verfügbarkeit
  4. Im folgenden Schritt sollten Sie hinterfragen, inwieweit die ständige Verfügbarkeit eine Belastung für Ihr Wohlbefinden oder Ihre Gesundheit darstellt.

    Wie fühle ich mich dabei? Was macht das mit mir ständig erreichbar zu sein? Wie habe ich entsprechende Situationen erlebt? Führen Sie mit dem folgenden Handout Tagebuch über Ihre Gedanken und Gefühle in Situationen, in denen Sie in der Freizeit Ihrer beruflichen Tätigkeit nachgegangen sind oder zu arbeitsbezogenen Angelegenheiten kontaktiert wurden.











  5. Schritt: Realitätsprüfung
  6. In diesem Schritt wird überprüft, inwiefern die eigene Überzeugung, dass die ständige Verfügbarkeit vom Arbeitsumfeld erwartet wird, tatsächlich der Realität entspricht. Außerdem wird ein Augenmerk auf die Effektivität dieser außerregulären Arbeitszeit gelegt. Da diese häufig zu Lasten der Erholungs- und Regenerationszeit geht, sollte sie dementsprechend wertschaffend sein, um gerechtfertigt werden zu können.

    Wird es tatsächlich erwartet, dass ich ständig für arbeitsbezogene Angelegenheiten erreichbar bin? Wie wird es von meiner Führungskraft negativ bewertet, wenn ich am Abend oder im Urlaub nicht erreichbar bin? Ob tatsächlich erwartet wird, ständig verfügbar zu sein, können Sie hinterfragen, indem Sie ein Gespräch mit Ihrer Führungskraft oder Ihren Kollegen und Kolleginnen suchen. Alternativ können Sie sich mit den Fragen auch in diesem Handout auseinandersetzen, um auf diesem Weg zu Erkenntnissen bzgl. entsprechender Erwartungen zu gelangen.

    Schaffe ich wirklich noch etwas nach Feierabend? Wie produktiv bin ich am Abend oder am Wochenende noch? Überlegen Sie welche Aufgaben Sie nach Feierabend tatsächlich noch erledigt oder welche Probleme Sie gelöst haben. Inwiefern wäre das Arbeitsergebnis schlechter, wenn Sie in ihrer Freizeit keine Zeit in die Bearbeitung der Aufgabe investiert hätten?











  7. Schritt: Veränderung der Verhaltens- und Denkmuster
  8. Dieser Schritt ist relevant, wenn Sie festgestellt haben, dass Sie auch außerhalb der regulären Arbeitszeit arbeitsbezogene Anliegen bearbeiten und für Kollegen und Kolleginnen sowie Ihre Führungskraft oder Kundinnen und Kunden erreichbar bleiben, obwohl dies womöglich gar nicht gefordert oder notwendig ist. Die Bedeutung dieses Schrittes ist umso größer, wenn Sie festgestellt haben, dass mit dieser ständigen Verfügbarkeit eine Belastung für Gesundheit und Wohlbefinden einhergeht und Sie im Weiteren erkannt haben, dass diese außerreguläre Arbeitszeit keinen Mehrwert für Ihre Arbeitsleistung oder Ihre Bewertung durch Kollegen/innen oder Ihre Führungskraft darstellt. Die drei folgenden Methoden sind bei regelmäßiger Wiederholung erfolgversprechend, um dysfunktionale Denk- und Verhaltensmuster zu ändern:

    Selbstinstruktionen
    Unter einer Selbstinstruktion versteht man die gedankliche Wiederholung ausgewählter Sätze. Diese Methode wird eingesetzt, um bestimmte dysfunktionale Denkmuster zu unterbrechen. Angstbesetzte Gedankenschleifen wie "Wenn ich diese Mail nicht noch heute beantworte, hat das negative Folgen für meine Karriere und verschlechtert meine Aufstiegschancen" und "Meine Führungskraft erwartet einen sofortigen Rückruf" verhindern eine Veränderung des Verhaltens. Daher müssen diese automatisch ablaufenden Gedanken zunächst bewusst wahrgenommen werden und dann explizit gedanklich entkräftet werden. Selbstinstruktionen helfen an dieser Stelle zu intervenieren. Beispielhafte Selbstinstruktionen sind: "Es reicht, wenn ich in meiner Arbeitszeit für arbeitsbezogene Anfragen erreichbar bin", "Meine Verfügbarkeit für dienstliche Belange bestimme ich bewusst selbst" oder "Ich achte auf meine Gesundheit". Wählen Sie für sich passende Aussagen und wiederholen Sie diese regelmäßig.

    Verstärkung
    Die Verstärkung eines Verhaltens erhöht die Wahrscheinlichkeit des Auftretens dieses Verhaltens in der Zukunft. Belohnen Sie sich daher, wenn Sie es geschafft haben, Ihr gewünschtes Zielverhalten zu zeigen (z. B. am Abend das Smartphone und den Laptop ausschalten). Nutzen Sie die gewonnene Zeit bewusst für etwas Schönes (z. B. einen Spaziergang, Sport, Treffen mit Freunden, Zeit für die Familie).

    Stimulus-Kontrolle
    Jeder von uns ist tagtäglich Stimuli (= Reizen, Gegenständen) ausgesetzt, die bestimmte Erinnerungen wachrufen. Durch eine Stimulus-Kontrolle können wir bewusst kontrollieren, woran wir erinnert werden, was unsere Aufmerksamkeit erhält und was ausgeblendet wird. Diese Methode kann auch bei der Gestaltung der eigenen Verfügbarkeit für Arbeitsanforderungen eingesetzt werden. Sie können zum Beispiel Ihr Diensthandy und Ihren Laptop weglegen. Oder Sie heften an den Kühlschrank einen motivierenden Spruch oder ein Motto (z. B. "Genug getan für heute"), das Sie persönlich anspricht und welches Sie sich regelmäßig in Erinnerung rufen möchten.

  9. Schritt: Umsetzung
  10. Der letzte Schritt zielt darauf, das angestrebte Verhalten auch tatsächlich umzusetzen und Ihre Fortschritte zu überprüfen. Die oben beschriebenen Kriterien für ein gutes Ziel (SMART) können in dem folgenden Handout verwendet werden, um konkrete Verhaltensweisen zu entwickeln, die im Alltag auch langfristig gezeigt werden können. Die SMART-Kriterien unterstützen die Zielsetzung und sichern den Erfolg bei der Entwicklung und Umsetzung des Verhaltens. Wie leicht fällt es mir schon meine Verfügbarkeit zu unterbrechen? Wie oft gelingt es mir schon? Mit der folgenden Stempelkarte kann spielerisch der Erfolg bei der Umsetzung überprüft werden.



















Literatur

Ajzen, I. (1985). From intentions to actions: A theory of planned behavior. Berlin, Heidelber, New York: Springer-Verlag.
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