Leistungsdruck - Was können Arbeitgeber tun?

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Was ist Leistungsdruck?

Ungleichgewicht Anforderungen und Ressourcen, © Präventa

Leistungsdruck bedeutet, dass an die Arbeit Ihrer Mitarbeitenden sehr hohe Anforderungen gestellt werden. Beispielsweise müssen diese sowohl sehr hohen Qualitätsanforderungen gerecht werden, als auch sehr schnell arbeiten. Oder es wird von ihnen erwartet, sehr genau und gründlich zu arbeiten – auch wenn die Arbeitsmenge sehr hoch ist. Oft haben die Mitarbeitenden dann das Gefühl, ihre Aufgaben nicht erfüllen zu können und müssen daher sehr viel Energie investieren, um Ihre Arbeit erfolgreich bewältigen zu können – oft über ein gesundes Maß hinaus [1;2]. Es entsteht ein Ungleichgewicht zwischen den Anforderungen der Umwelt (z.B. hohe Arbeitsmenge) und den individuellen Ressourcen einer Person (z.B. Leistungsfähigkeit) [1].

Warum ist es wichtig, auf Leistungsdruck zu achten?

Umfragen zufolge ist in etwa jede dritte arbeitnehmende Person von Zeitdruck und Leistungsdruck betroffen [3]. Die negativen Folgen für die Gesundheit der Mitarbeitenden dieser beiden Faktoren werden häufig unterschätzt und im betrieblichen Gesundheitsschutz nicht ausreichend berücksichtigt [4]. Dabei zeigen zahlreiche Studien für Leistungsdruck am Arbeitsplatz vielfache negative Auswirkungen:

  • Hohe Arbeitsmenge und Leistungsdruck werden als wesentliche gesundheitsgefährdende Belastungsfaktoren angesehen [5]
  • Zu hoher Leistungsdruck führt dazu, dass selbst eigentlich einfache Aufgaben nicht mehr gut ausgeführt werden können [4]
  • Die Schlafqualität ist bei hoher Arbeitsintensität schlechter [5;6]
  • Die Erholungsfähigkeit ist eingeschränkt [7]
  • Das Risiko für Burnout und Depressionen ist erhöht, ebenso für körperliche Erkrankungen [5;7]

Leistungsdruck ist zudem ein wichtiger Baustein des SMART Work Design Modells. Dieses Modell dient der Veranschaulichung von Möglichkeiten zur sinnvollen und motivierenden Arbeitsgestaltung. Entwickelt wurde es von der australischen Professorin Sharon Parker im Centre for Transformative Work Design Perth und konnte seither schon wissenschaftlich nachweisbare Erfolge verzeichnen. Studien belegen, dass Arbeitsplätze, die so gestaltet sind, dass sie diese fünf Hauptkomponenten berücksichtigen, präventiv psychischen und physischen Belastungen von Arbeit begegnen, Wohlbefinden der Mitarbeitenden stärken und damit auch zu einem wirtschaftlichen Vorteil führen können [8].

Übersicht der fünf SMART Kategorien. In Anlehnung an [8]

Was kann gegen Leistungsdruck getan werden?

Die Ursachen für Leistungsdruck sind sehr vielfältig. Beispielweise können mangelnde Qualifikation oder ein ungünstiges Führungsverhalten Leistungsdruck bei Mitarbeitenden hervorrufen [1]. Ebenso vielfältig sind jedoch auch die Maßnahmen, um Leistungsdruck zu reduzieren. Damit Ihre Maßnahmen gegen Leistungsdruck auch tatsächlich wirken, ist es wichtig, diese danach auszuwählen, welche Ursachen der Leistungsdruck Ihrer Mitarbeitenden hat. Ist die Lösung nicht an das tatsächliche Problem angepasst, bleibt die Maßnahme unwirksam. Sie können die Ursachen für den Leistungsdruck Ihrer Mitarbeitenden gemeinsam mit ihnen in einem Gespräch erörtern (bspw. in einem Teammeeting oder auch in individuellen Gesprächen) und dafür die folgenden Leitfragen nutzen:

  • Haben die Mitarbeitenden zu viele Aufgaben, ist also die Arbeitsmenge zu hoch? Falls ja, lesen Sie hier weiter.
  • Haben die Mitarbeitenden zu wenig Zeit für die Aufgaben? Falls ja, leiden Ihre Mitarbeitenden wahrscheinlich eher unter Zeitdruck. Maßnahmen, um den Zeitdruck Ihrer Mitarbeitenden zu reduzieren finden Sie hier.
  • Kennen Ihre Mitarbeitenden Ihre realistischen Erwartungen an die Qualität der Aufgaben? Sollte der oder die Mitarbeitende falsche Vorstellungen davon haben, welche Anforderungen Sie unter welchen (zeitlichen) Bedingungen stellen, lesen Sie hier weiter.
  • Fühlen sich die Mitarbeitenden durch die Leistung anderer Kolleginnen und Kollegen unter Druck gesetzt? Fühlen sich einzelne Mitarbeitende mit konkreten Aufgaben überfordert? Ein Hinweis hierfür könnte sein, wenn Ihre Teamergebnisse große Abweichungen innerhalb des Teams zeigen. Falls ja, lesen Sie hier weiter.


Wichtig ist: Egal was die Ursache ist, suchen Sie das Gespräch mit Ihren Mitarbeitenden und ermutigen Sie Ihre Mitarbeitenden, Leistungsdruck offen anzusprechen. In Anlehnung an das vorgestellte SMART Work Design sollten Stress und hohe Anforderungen kurzfristig tolerierbar sein. Indem Sie frühzeitig ins Gespräch kommen, können Sie dazu beitragen, dass diese Phasen nicht zu lange anhalten und somit negative Konsequenzen vermeiden. Zudem lassen sich in der Regel leichter Lösungen finden, wenn Schwierigkeiten frühzeitig erkannt werden. Versuchen Sie daher aktiv, Leistungsdruck zu erkennen und ggf. Maßnahmen mit den Mitarbeitenden gemeinsam zu erarbeiten.


Arbeitsmenge regulieren

Eine intuitive Maßnahme gegen Leistungsdruck besteht darin, die Arbeitsmenge pro Person zu reduzieren. Optimalerweise wird dafür mehr Personal zur Entlastung der Beschäftigten eingestellt [9]. Oft ist dies aber nicht möglich oder zumindest nicht kurzfristig umsetzbar. Daher können alternativ auch Aufgaben innerhalb des Teams umverteilt werden. Beziehen Sie dafür Ihre Mitarbeitenden mit ein. Erfragen Sie Interessen und lassen Sie das Team selbst im Sinne einer geteilten Führung über die Neuverteilung der Aufgaben bestimmen. Ihre Mitarbeitenden sind häufig näher an den Themen dran und können selbst am besten einschätzen, welche Kapazitäten sie haben. Hier finden Sie zudem Tipps, wie Sie Unterstützung zwischen den Kollegen steigern können.


Erwartungen kommunizieren

Ihnen ist bewusst, dass Ihre Mitarbeitenden zu bestimmten Zeiten/ in bestimmten Phasen viele Aufgaben auf einmal bewältigen müssen? Leider können Sie auch nicht - wie im vorherigen Absatz vorgeschlagen - das Personal für diese Phasen aufstocken? Und daher ist ihnen auch klar, dass in diesen Phasen eben nicht immer perfekte Qualitätsansprüche umgesetzt werden können? Ihnen reichen für bestimmte Aufgaben 80%? Dann haben Sie eine guten Lösungsansatz - Sie müssen jetzt nur noch sicherstellen, dass Ihre Mitarbeitenden dies auch wissen. Sonst versuchen diese jede Aufgabe weiterhin zu 100% perfekt zu erfüllen und setzen sich damit selbst unter Leistungsdruck. Um dies zu vermeiden, müssen Sie Ihre Erwartungen zunächst konkretisieren und dann eindeutig kommunizieren und so die Leistungsanforderungen in den Köpfen Ihrer Mitarbeitenden regulieren [9]. Folgende Fragen können Ihnen zur Vorbereitung helfen:

  • Welche Aufgaben sind aktuell besonders wichtig? Wo müssen wir - auch jetzt - 100% geben?
  • Welche Aufgaben können wir eher pragmatisch angehen? Was ist bei diesen Aufgaben das Minimalziel?


Individualität der Mitarbeitenden

Leistungsdruck kann auch auf individuelle Gründe zurückführbar sein. Eine Ursache für solche individuellen Unterschiede ist, dass objektiv betrachtet ähnliche Belastungen unterschiedliche Beanspruchungen bei Mitarbeitenden auslösen - dies hängt mit dem individuellen Zusammenspiel von vorhandenen Anforderungen und Ressourcen zusammen (lesen Sie mehr dazu hier). So kann es sein, dass die Anforderungen der Aufgabe nicht zu den Ressourcen des oder der Mitarbeitenden passen. Das ist laut dem Person-Environment-Fit-Modell (s. Video) aber wichtig, damit sich Personen in ihrem Job wohlfühlen. Eine mangelnde Passung führt dazu, dass der oder die Mitarbeitende mehr Zeit als andere Kolleginnen und Kollegen braucht, um diese Aufgabe zu erfüllen. Er oder sie investiert also deutlich mehr Zeit und Energie um das zu schaffen, was „alle anderen ja auch schaffen“. Der oder die Mitarbeitende setzt sich damit selbst unter Leistungsdruck. Zudem können Führungskräfte und Kollegen und Kolleginnen dieses Gefühl verstärken: Auch Sie nehmen ja wahr, das andere in einer ähnlichen Situation (bspw. ähnlich viele Aufgaben) trotzdem noch sehr gute Qualität liefern. Also sollte das doch auch in diesem Fall gehen... Vielleicht denken Sie genau deshalb auch gar nicht weiter darüber nach, sondern fragen nur "Wann bekomme ich endlich ..." oder Sie sind mit der Qualität eben nicht zufrieden und sagen "Das geht so noch gar nicht!". In jedem Fall wird der Leistungsdruck erhöht, ohne dass die individuellen Ursachen adressiert werden. Daher schauen Sie genauer hin: Hat der Mitarbeitende die erforderlichen Ressourcen? Oder können Sie dazu beitragen, die Passung zwischen den Anforderungen der Aufgabe und den Ressourcen des oder der Mitarbeitenden zu erhöhen? Folgende Möglichkeiten haben Sie:

  • Setzen Sie bei der Person an und qualifizieren Sie diese besser für die Anforderungen. Schauen Sie sich dazu die Seiten Qualifikation und Lernmöglichkeit an. Manchmal reicht es zudem schon, wenn mehr Zeit zur Einarbeitung gegeben wird.
  • Sorgen Sie für Unterstützung: Koppeln Sie bspw. erfahrene mit weniger erfahrenen Mitarbeitenden, so dass im Arbeitsprozess gemeinsam Prozesse optimiert werden können.
  • Außerdem können die Anforderungen der Aufgabe angepasst werden. Beispielsweise können Sie die Arbeitsmenge (zeitweise) reduzieren, Fristen lockern, eine andere Software wählen... Seien Sie hier kreativ - und zwar am besten zusammen mit den jeweiligen Mitarbeitenden: Was würde wirklich helfen?
  • Oder Sie verteilen Aufgaben im Team um: Schauen Sie gemeinsam, wer zu welchen Aufgaben die höchste Passung hat und wie sie so die Verteilung im Team optimieren können.
Effort-Reward-Imbalance-Modell in Anlehnung an [11]


Handout zur Selbstreflexion, © Präventa


Eine weitere Möglichkeit besteht darin, den empfundenen Stress durch eine Erhöhung der erhaltenen Belohnung zu reduzieren. Im Effort-Reward-Imbalance-Modell (s. Video) werden die beruflichen Anstrengungen den dafür erhaltenen Belohnungen gegenübergestellt. Kommt es hier zu einem Ungleichgewicht, empfindet der oder die Mitarbeitende Stress. Empfindet der oder die Mitarbeitende die erhaltenen Belohnungen aber als angemessen für die eingebrachte Anstrengung, so kann er oder sie eher mit hohem Leistungsdruck umgehen [11]. Solche Belohnungen müssen jedoch richtig eingesetzt werden [12]. Man unterscheidet materielle und immaterielle Anreize. Materielle Belohnungen können z.B. Prämien, Sonderurlaub, Weiterbildung oder kostenlose Mahlzeiten sein. Immaterielle Belohnungen sind beispielweise Wertschätzung, Anerkennung, Lob, interessante Aufgaben oder eigenverantwortliche Aufgabengestaltung [12]. Insbesondere Wertschätzung zeigt sich in Studien immer wieder als zentraler Faktor – und diesen können Sie als Führungskraft gut beeinflussen. Schafft es bspw. Frau Müller trotz einer sehr hohen quantitativen Arbeitsbelastung immer noch ausgezeichnete Qualität zu erbringen, sprechen Sie dies direkt an! Aber auch wenn jemand "nur" Ihre Erwartungen erfüllt, also in einer Phase mit hoher Arbeitsbelastung immer noch gute Qualität (geforderte 80%) erbringt, sagen Sie etwas wie "Danke, dass ich mich auf Sie verlassen kann - auch wenn es mal viel ist!“. Lesen Sie hier mehr zum Thema Wertschätzung.

Dieses Handout kann Sie dabei unterstützen, Ihren Umgang mit Ihren Mitarbeitenden und Leistungsdruck zu reflektieren und so mögliche Ansatzpunkte zu identifizieren.

Quellen

[1] Ahlers, E. (2003). Arbeitsbedingungen, Leistungsdruck, Gesundheit am Arbeitsplatz. (WSI-Diskussionspapier, 112). Düsseldorf: Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut in der Hans-Böckler-Stiftung.
[2] Schulte, E.-M., Wittner, B., & Kauffeld, S. (2019). Ressourcen und Anforderungen in der Arbeitswelt umfassend messen: Entwicklung und Validierung eines Fragebogens (ReA). Manuskript in Vorbereitung
[3] Schulz-Dadaczynski, A. (2017). Umgang mit Zeit- und Leistungsdruck. Präv Gesundheitsf, 12, 160–166. doi:10.1007/s11553-017-0582-5
[4] Ahlers, E. (2015). Leistungsdruck, Arbeitsverdichtung und die (ungenutzte) Rolle von Gefährdungsbeurteilungen. WSI-Mitteilungen, 68, 194–201. doi:10.5771/0342-300X-2015-3-194
[5] Nixon, A. E., Mazzola, J. J., Bauer, J., Krueger, J. R., & Spector, P. E. (2011). Can work make you sick? A meta-analysis of the relationships between job stressors and physical symptoms. Work & Stress, 25, 1–22. doi:10.1080/02678373.2011.569175.
[6] Baumeister, R. F. (1984). Choking under pressure: Self-consciousness and paradoxical effects of incentives on skillful performance. Journal of Personality and Social Psychology, 46, 610–620. doi:10.1037/0022-3514.46.3.610
[7] Rau R. (2012) Erholung als Indikator für gesundheitsförderlich gestaltete Arbeit. In: Badura B., Ducki A., Schröder H., Klose J., & Meyer, M. (Eds.), Fehlzeiten-Report 2012. Berlin, Germany: Springer-Verlag.
[8] Parker, S. K., Knight, C., & Ohly, S. (2017). The changing face of work design research: Past, present and future directions. The SAGE handbook of human resource management, 402-413
[9] Ahlers, E. (2020). Arbeitsintensivierung in den Betrieben. Problemdeutungen und Handlungsfelder von Betriebsräten. WSI-Mitteilungen, 73, 29-37.
[10] Caplan, R. D. (1983). Person-environment fit: Past, present, and future. In C. L. Cooper (Ed.), Stress research (pp. 35-78). New York, NY: Wiley.
[11] Kauffeld, S., Ochmann, S., & Hoppe, D. (2019). Arbeit und Gesundheit. In S. Kauffeld (Ed.), Arbeits-, Organisations- und Personalpsychologie für Bachelor (3rd ed., pp. 167-210). Berlin, Germany: Springer-Verlag.
[12] Albs, N. (2005). Wie man Mitarbeiter motiviert: Motivation und Motivationsförderung im Führungsalltag (1 ed.). Berlin, Germany: Cornelsen Scriptor.
Bildquellen