Qualifikation - Was können Arbeitgeber tun?

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Was ist Qualifikation?

Passung von Qualifikation und Anforderungen, © Präventa

Der Begriff „Qualifikation“ umfasst alle Merkmale einer Person, die deren Leistung beeinflussen. Diese Fähigkeiten und Fertigkeiten helfen der Person, die Anforderungen ihres Arbeitsplatzes erfolgreich zu bewältigen. Qualifikation ist also das, was eine Person befähigt, einen bestimmten Beruf auszuführen [1].

Qualifikation umfasst also alle Inhalte der bisherigen Aus-, Fort- und Weiterbildung Ihrer Mitarbeitenden und ist meist an Zertifikate oder Zeugnisse geknüpft [2]. Dabei ist aber vor allem entscheidend, wie diese Inhalte sie auf Ihre derzeitige Arbeit vorbereitet haben – die Passung von Qualifikation und Anforderungen.

Formelles und informelles Lernen

Man unterscheidet zwischen formellem und informellem Lernen. Bei informellem Lernen wird außerhalb formaler Bildungseinrichtungen (z.B. Schulen) gelernt. Die Person lernt hier beispielsweise durch Erfahrungen oder im Austausch mit Kollegen und Kolleginnen. Qualifikation bezieht sich aber eher auf formelles Lernen. Hier werden der Person Lerninhalte organisiert und gezielt vermittelt durch z.B. Seminare [3].

Warum ist formelle Qualifikation wichtig?

Am Arbeitsplatz kann es passieren, dass die Fähigkeiten eines oder einer Mitarbeitenden nicht zu den Anforderungen einer Arbeitstätigkeit passen. Nur 70% der Beschäftigten in Deutschland erleben eine Passung zwischen ihrem Abschluss und dem geforderten Abschluss der Tätigkeit. Ungefähr jeder zehnte Mitarbeiter in Deutschland ist für seine Beschäftigung unterqualifiziert [4]. Unterqualifizierung kann verschiedene Ursachen haben. Einerseits ist es möglich, dass die bisherige Ausbildung die Person weniger gut auf die Aufgabe vorbereitet hat. Es kann aber auch sein, dass sich die Anforderungen der Arbeit geändert haben – z.B. durch die Digitalisierung. In jedem Fall fehlen dem oder der Mitarbeitenden bei einer Unterqualifizierung wichtige Fähigkeiten, um die Aufgaben erfolgreich auszuführen [4]. Das kann auch für die Mitarbeitenden, das Unternehmen und gesamtwirtschaftlich negative Auswirkungen haben:

  • Arbeitszufriedenheit des oder der Mitarbeitenden sinkt [4]
  • Gefahr für Burnout ist erhöht [5]
  • Überforderung [6]
  • möglicher Verlust der Beschäftigungsfähigkeit der Mitarbeitenden [2]
  • geringere Produktivität des Betriebs [4]
  • Humankapital und Produktivitätswachstum (gesamtwirtschaftlich) [7]
  • Verlust der Wettbewerbsfähigkeit [2]

Passt die Qualifikation einer Person zu den Arbeitsanforderungen, nimmt die Person ihre Aufgaben weniger als Routinetätigkeiten wahr [4]. Das bedeutet, die Tätigkeit ist vielfältiger und anspruchsvoller. Das Erleben von Unterforderung oder Langeweile wird vermieden.

Neue Herausforderungen durch die Digitalisierung

Digitalisierung ist gekennzeichnet durch die Umwandlung analoger Daten (Text, Bild, Ton) in digitale Daten [8]. Damit einhergehend verändern sich möglicherweise Strukturen und Prozesse in Ihrem Unternehmen [9]. Arbeitsaufgaben werden zunehmend mit modernen Informations- und Kommunikationstechnologien ausgeführt [8;10]. Diese neuen Arbeitsweisen können eine Herausforderung an die Qualifikation Ihrer Mitarbeitenden stellen [11]. Sie haben dann das Gefühl, dass die Komplexität der neuen Technologien ihre Fähigkeiten übersteigt und befürchten, dass sie die nötige Qualifikation nicht erreichen können. Durch die zunehmend schnelleren Veränderungen müssen Organisationen, ihre Anpassung und Lernfähigkeit kontinuierlich verbessern [12].

Was kann für Qualifikation getan werden?

Häufig wird für das Scheitern von Veränderungen die mangelnde Unterstützung der Mitarbeitenden verantwortlich gemacht [12]. Dabei ist Widerstand gegen Veränderung meistens eine natürliche Reaktion. Menschen stehen zum einen Veränderungen generell eher negativ gegenüber. Zum anderen haben Veränderungen oft nicht für alle Mitarbeitenden positive Folgen. Die Mitarbeitenden reagieren dann negativ, z.B. in Form von Protest oder Unzufriedenheit, wenn Veränderungen nicht in Ihrem Interesse sind oder die Veränderungen nicht motivierend kommuniziert wurden. Um Widerstand seitens Ihrer Mitarbeitenden nachvollziehen zu können, müssen Sie zunächst die Ursachen dafür erkennen. Schauen wir uns ein Beispiel von Marion an:

02 Qualifikation Bild MarionFallbeispiel.png

Fallbeispiel Marion Qualifikation, © Präventa


Der Widerstand von Marion kann zwei mögliche Ursachen haben:

  • Nicht-Können: Marion kennt die neuen Prozesse. Ihr fehlen aber die notwendigen Fähigkeiten, um diese auch umzusetzen [12].
  • Nicht-Wollen: Marion fehlt die Motivation, die neuen Prozesse umzusetzen oder diese zu erlernen. Sie hat Angst vor der Veränderung und möchte die alten Prozesse beibehalten [12].

Maßnahmen bei Nicht-Können

Zeigt der oder die Mitarbeitende ausgeprägtes Engagement für die Veränderung, aber ihm oder ihr fehlen die nötigen Fähigkeiten? Entwickeln Sie die Kompetenz des oder der Mitarbeitenden durch Qualifizierungsmaßnahmen [13]. Dabei sind verschiedene Aspekte zu beachten, die Ihnen jetzt vorgestellt werden.

Tipps für Ihr Gespräch, © Präventa

Zunächst ist es wichtig, zu prüfen, welche Qualifikation der oder die Mitarbeitende genau benötigt. Planen Sie dafür einen Gesprächstermin mit dem oder der Mitarbeitenden. Alternativ können Sie dafür auch Jahresgespräche nutzen. Wichtige Hinweise zur Vor- und Nachbereitung, sowie zur Durchführung eines solchen Gesprächs finden Sie in diesem Handout "Tipps für Ihr Gespräch". Um den Bedarf des oder der Mitarbeitenden festzustellen, können Sie dieses Handout nutzen. Legen Sie im Gespräch gemeinsam SMARTe Ziele fest [13;16]. Diese Formulierung erhöht sowohl die Motivation als auch die Wahrscheinlichkeit für das Erreichen eines Ziels [14].

Qualifizierungsbedarf feststellen, © Präventa

Prüfen Sie anschließend, welche Angebote Sie dem oder Mitarbeitenden anbieten können. Das können zum Beispiel Fort- und Weiterbildungen oder Seminare sein. Wenn es keine passenden Angebote innerhalb Ihres Unternehmens gibt, können Sie auch auf externe Anbieter zurückgreifen. Hier kann schon eine kurze Internetrecherche zahlreiche Ergebnisse liefern. Beispielsweise liefert aber auch die Seite KURSNET der Bundesagentur für Arbeit einen umfassenden Überblick von Qualifizierungsangeboten [15]. Binden Sie gerne den oder die Mitarbeitende in die Recherche ein. Machen Sie aber klare Vorgaben dazu, wie die Teilnahme an einem solchen Seminar finanziell und zeitlich gestaltet werden kann.

Maßnahmen bei Nicht-Wollen

Zeigt der oder die Mitarbeitende kein Engagement, die nötigen Fähigkeiten zu erwerben? In diesem Fall müssen Sie vor der Qualifizierungsmaßnahme noch die Motivation des oder der Mitarbeitenden stärken. Ist er oder sie nicht motiviert, wird er oder sie die gelernten Inhalte trotzdem nicht anwenden. Motivation kann durch Anreize und Belohnungen gestärkt werden, wie zum Beispiel finanzielle Anreize, Autonomie aber auch Anerkennung und Wertschätzung. Auch soziale Beziehungen können motivierend wirken. So kann der oder die Mitarbeitende in einer Fortbildung beispielsweise auch neue Kollegen und Kolleginnen kennenlernen. Wichtig ist aber: Sprechen Sie offen über Kosten und Nutzen der Veränderung [12]. Machen Sie dem oder der Mitarbeitenden die Notwendigkeit der Veränderung deutlich und bieten Sie Ihre Unterstützung an. Weiterhin können Sie Motivierende Gesprächsführung nutzen, um die Motivation Ihrer Mitarbeitenden für die Veränderung zu erhöhen. Motivierende Gesprächsführung ist ein Kommunikationsansatz zum individuellen Umgang mit Widerständen und kann bei Mitarbeitergesprächen generell sehr hilfreich sein. Lesen Sie hier mehr zu dieser Technik.

Quellen

[1] Blickle, G. (2019). Anforderungsanalyse. In F. W. Nerdinger, G. Blickle, & N. Schaper (Eds.), Arbeits- und Organisationspsychologie (4th ed., pp. 573-600). Berlin, Heidelberg: Springer Berlin Heidelberg.

[2] Kauffeld, S. & Paulsen, H. (2018). Kompetenzmanagement in Unternehmen: Kompetenzen beschreiben, messen, entwickeln und nutzen. Stuttgart, Germany: Kohlhammer.

[3] Dehnbostel, P. (2010). Betriebliche Bildungsarbeit: Kompetenzbasierte Aus- und Weiterbildung im Betrieb. Baltmannsweiler: Schneider-Verlag Hohengehren.

[4] Rohrbach-Schmidt, D. & Tiemann, M. (2010). (Mis-)Matching in Deutschland: Eine Analyse auf der Basis formaler Qualifikationen und Fähigkeiten von Erwerbstätigen. Berufsbildung in Wissenschaft und Praxis, 1/2010, 34-38.

[5] Kauffeld, S., Ochmann, S., & Hoppe, D. (2019). Arbeit und Gesundheit. In S. Kauffeld (Ed.), Arbeits-, Organisations- und Personalpsychologie für Bachelor (3rd ed., pp. 167-210). Berlin, Germany: Springer-Verlag GmbH.

[6] Caplan, R.D. (1983). Person-environment fit: Past, present, and future. In Cooper CL (Ed.), Stress research (pp. 35-78). New York: Wiley.

[7] Baden, C., Gericke, P.-A., Hasberg, R., Klems, W., Schmid, A., & Werth, S. (2013). Berufliche Qualifikationsmismatches bei Zugängen in Arbeitslosigkeit: Ein Diskussionsbeitrag. Frankfurt (Main), Germany: Goethe-Universität Frankfurt am Main.

[8] Brockhaus (2014). Digitalisierung. Verfügbar unter: https://brockhaus.de/ecs/enzy/article/digitalisierung 

[9] Kauffeld, S. & Sauer, N. C. (2018). Vergangenheit und Zukunft der Arbeits- und Organisationspsychologie. In S. Kauffeld (Ed.), Arbeits-, Organisations- und Personalpsychologie für Bachelor (3rd ed., pp. 21-46). Berlin, Germany: Springer-Verlag GmbH.

[10] Börner, F., Kehl, C., & Nierling, L. (2017). Chancen und Risiken mobiler und digitaler Kommunikation in der Arbeitswelt (TAB-Arbeitsbericht Nr. 174).

[11] Gimpel, H., Lanzl, J., Regal, C., Urbach, N., Wischniewski, S., Tegtmeier, P., Kreilos, M., Kühlmann, T. M., Becker, J., Eimecke, J. & Derra, N. D. (2019). Gesund digital arbeiten?! Eine Studie zu digitalem Stress in Deutschland. Augsburg, Germany: Projektgruppe Wirtschaftsinformatik des Fraunhofer FIT.

[12] Kauffeld, S., Endrejat, P. C., & Richter, H. (2018). Organisationsentwicklung. In S. Kauffeld (Ed.), Arbeits-, Organisations- und Personalpsychologie für Bachelor (3rd ed., pp. 21-46). Berlin, Germany: Springer-Verlag GmbH.

[13] Malik, F. (2019). Führen Leisten Leben: Wirksames Management für eine neue Welt. München, Germany: Heyne.

[14] Rubin, R.S. (2002). Will the real SMART goals please stand up?. The Industrial‐Organizational Psychologist, 39, 26‐7.

[15] Bundesagentur für Arbeit. KURSNET. Verfügbar unter: https://kursnet-finden.arbeitsagentur.de/kurs/

[16] Locke, E. A. & Latham, G. P. (1990). A theory of goal setting and task performance. Upper Saddle River, NJ: Prentice-Hall.