Emotionsarbeit - Was können Arbeitgeber tun?

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Was ist Emotionsarbeit?

Emotionsarbeit bedeutet, dass eine Person sich auf der Arbeit verstellt [1]. Sie zeigt gegenüber anderen bestimmte Gefühle, indem sie Mimik, Gestik und Stimme anpasst. Dabei stimmt das gezeigte Gefühl nicht mit dem eigentlichen Gefühl der Person überein [2]. Ärgert sich ein Verkäufer zum Beispiel über einen unfreundlichen Kunden, wird von ihm erwartet weiterhin freundlich bleiben.
Auf der anderen Seite kann eine Person auch bestimmte Gefühle zeigen oder verstecken, weil das für sie oder die Karriere förderlich ist [3]. Wenn der Vorgesetzte zum Beispiel einen Fehler auf einen Mitarbeiter schiebt, so traut sich dieser möglicherweise nicht seine Wut zu zeigen aus Angst vor Problemen.

Warum ist es wichtig, auf Emotionsarbeit zu achten?

Bestimmte Gefühle zeigen zu müssen ist besonders im Dienstleistungssektor ein wichtiges Thema. Egal ob es um Kunden, Patienten oder Schüler geht, bei allen ist Emotionsarbeit fast immer gefordert [4][5]. Aber auch beim Umgang mit Kollegen oder Vorgesetzten kann Emotionsarbeit erfolgen. Dabei geht es nicht nur darum, ein positives Gefühl bei z. B. Kunden zu erzeugen, sondern oft auch darum, ein negatives zu unterdrücken.
Mitarbeitende haben zwei Möglichkeiten, die gewünschten Gefühle zu erzeugen: Sie können sie entweder nur oberflächlich darstellen (sogenanntes Oberflächenhandeln) oder versuchen, sie selbst zu empfinden und daraufhin zu zeigen (auch Tiefenhandeln genannt). Wenn die Person das gezeigte Gefühl so nicht empfindet, hat das häufig zur Folge, dass sie dem Gegenüber ebenso nicht authentisch erscheinen. Es kommt darüber hinaus zu einem Widerspruch zwischen den wahren und den gezeigten Gefühlen der Person. Dies kann Stress verursachen und langfristig sogar ein Burnout hervorrufen.
Die negativsten Auswirkungen bringt die emotionale Dissonanz, beispielsweise wenn positive Gefühle ausgedrückt werden müssen obwohl man diese gar nicht empfindet bzw. tatsächlich eigentlich negative Gefühle empfindet [6]. In einer Studie wurde herausgefunden, dass Substanzmissbrauch, Kopfschmerzen, Absentismus und sexuelle Störungen mit der Emotionsarbeit von Flugbegleitern und Fahrkartenkontrolleuren zusammenhängen [7]. Die genannten Aspekte der Emotionsarbeit gehen alle u. a. mit emotionaler Erschöpfung einher. Weiterhin steht emotionale Dissonanz beispielsweise im Zusammenhang mit sinkender Arbeitszufriedenheit. Eine Folge kann beispielsweise Burnout sein. Dies ist auch für den Arbeitgeber mit stark negativen Konsequenzen, z.B. im Falle einer vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit des Beschäftigten, verbunden. [8]
Um die negativen Auswirkungen zu minimieren oder diesen entgegenzuwirken, ist es für Unternehmen wichtig, auf Emotionsarbeit und dessen Auswirkungen zu achten. Es ist im Sinne des Unternehmens, die Beschäftigten bei der Emotionsarbeit zu unterstützen und somit langfristig deren psychische Gesundheit aufrecht zu erhalten.

Was kann das Unternehmen tun?

Im Zusammenhang mit Emotionsarbeit helfen verschiedene organisationale Interventionsmaßnahmen, welche die Emotionsarbeit nicht reduzieren, jedoch deren Bedingungen optimieren.
Eine Voraussetzung zur Einleitung dieser Maßnahmen ist allerdings, dass Vorgesetzte in der Lage sind, zu erkennen, wann und warum jemand von negativen Konsequenzen der Emotionsarbeit betroffen ist. Daher folgt zunächst ein Exkurs dazu, wie Vorgesetze die Emotionen der Mitarbeitenden wahrnehmen können:

Wahrnehmung von Gefühlen

Zu jeder Emotion gehören bestimmte Gedanken und ein konkretes Verhalten , aber auch die eigene Erfahrung (wie stark jemand eine Emotion erlebt) sowie eine körperliche Reaktion in Form von zum Beispiel Herzrasen oder Schwitzen. Die nebenstehende Abbildung zeigt diese vier Aspekte noch einmal [9]:

Wie die unterschiedlichen Aspekte in einer bestimmten Situation zusammenhängen, soll anhand zweier Beispiele in der folgenden Abbildung erklärt werden:

© Präventa

Auf eine bestimmte Situation folgt eine körperliche Reaktion, die die Person bewusst oder unbewusst wahrnimmt. Damit einher gehen konkrete Gedanken, auf die eine Emotion folgt. Daraufhin verhält sich die Person in einer bestimmten Art und Weise. Es ist Aufgabe der Führungskraft, auf die für sie wahrnehmbaren Komponenten der Emotion zu achten, um beispielsweise negative Emotionen wie Trauer in der Folge von Emotionsarbeit feststellen zu können und Maßnahmen einleiten zu können.
Diese Maßnahmen konzentrieren sich auf

  • emotionale Anforderungen,
  • Stressoren
  • Ressourcen

1. Anpassung emotionaler Anforderungen:

Es kann Mitarbeitenden helfen, wenn Führungskräfte ihnen den Rücken stärken und zeigen, dass es im Berufsleben mehr oder weniger „normal“ ist, Emotionsarbeit zu leisten. Gleichzeitig sollte die Führungskraft betroffenen Mitarbeitenden Maßnahmen an die Hand geben, die sie selbstständig durchführen können. Siehe hierzu: https://praeventa.aundo-braunschweig.de/tipps/index.php?title=Emotionsarbeit_%E2%80%93_Was_k%C3%B6nnen_Sie_pers%C3%B6nlich_f%C3%BCr_sich_tun%3F#Entstehung_von_Gef.C3.BChlen.
Aber auch das Unternehmen kann zu einer Anpassung der emotionalen Anforderungen beitragen: Emotionale Anforderungen an den Beschäftigten können verringert werden, z. B. durch Job Rotation oder Teilzeitanstellungen. Bei der Job Rotation werden Arbeitsaufgaben zwischen verschiedenen Beschäftigten getauscht, d. h. Stellen regelmäßig gewechselt. Dies geht mit einer höheren Zufriedenheit einher [10].
Beispiel: Frau R. ist einem Lebensmittelmarkt an der Kasse eingesetzt. Hier muss sie viel Emotionsarbeit leisten, z. B. lächeln und freundlich sein. Frau R. hilft es sehr, dass sie nicht immer an der Kasse sitzt, sondern in regelmäßigen Abständen im Kühllager neuangekommene Ware verräumen muss. Hier ist keine Emotionsarbeit erforderlich, was Frau R. entlastet. Seit Neuestem arbeitet Frau R. in Teilzeit. Somit ist der Anteil der Zeit, in der sie an der Kasse arbeitet und Emotionsarbeit leisten muss, noch geringer. Häufig kann sie daher die Gefühle zeigen, die sie tatsächlich empfindet und es kommt zu deutlich weniger emotionaler Erschöpfung durch emotionale Dissonanz.

2. Vermeidung von Stressoren:

Viele Stressoren und deren Auswirkungen können durch bestimmte Arbeitsgestaltungsmaßnahmen reduziert/verhindert werden.
Beispiel: Die KundInnen eines Schnellrestaurants sind aufgrund langer Wartezeiten verärgert. Hier ist die Anforderung an die Beschäftigten gestellt, freundlich und ruhig zu bleiben, obwohl sie tatsächlich aber vielleicht eher unruhig und genervt sind. Es resultiert emotionale Dissonanz, die emotionale Erschöpfung bewirkt.
Welche Maßnahmen können durch den Arbeitgeber nun ergriffen werden? Zum Beispiel:

  • Einsatz von ausreichend Personal, um lange Wartezeiten zu verhindern
  • Schulungen für Beschäftigte, damit diesen keine Informationen fehlen und KundInnen daraufhin nicht in Wut ausbrechen können.


Eine weitere Möglichkeit, emotional belastende Situationen zu reduzieren, ist die Erhöhung des Handlungsspielraums der Mitarbeitenden. Dazu zählen z. B. die individuelle Gestaltung des zeitlichen Ablaufs, der Entscheidungsspielraum und die Art der Aufgabenbearbeitung (z. B. schriftlich vs. nicht-schriftlich). Ein erhöhter Handlungsspielraum kann eine Schutzfunktion bieten und emotionale Erschöpfung vorbeugen.

3. Stärkung von Ressourcen:

Trotz Maßnahmen, um Stressoren zu verringern oder zu verhindern, werden einige Stressoren weiterhin auftreten. Eine Möglichkeit, mit diesen besser umgehen zu können, ist die Stärkung der eigenen Ressourcen. Als Ressourcen werden hier Fähigkeiten, Fertigkeiten (z. B. Kommunikationsfähigkeit) und Ressourcen/Energiequellen (z. B. ein hilfsbereites Kollegium) gesehen.
Fähigkeiten und Fertigkeiten können im Rahmen von Schulungen und Trainings ausgebaut werden. Beispielsweise können Kommunikationstrainings der oben beschriebenen Frau R. helfen, um in angemessener Weise mit verärgerten Kunden zu kommunizieren. Die Energiequellen können individuell betrachtet und genutzt werden. Langfristig sollte das Ziel sein, die Energiequellen der Mitarbeitenden zu stärken und die Energieräuber in ihrem Auftreten zu minimieren. Auf folgendem Arbeitsblatt kann der Vorgesetzte potenzielle Energiequellen und -räuber des Teams reflektieren und im Anschluss daran entsprechende Maßnahmen treffen:
Media:01_Übung_Energiequellen_und_Energieräuber.pdf Emotional belastende Situationen können durch die Erhöhung des Handlungsspielraums oder bessere Kontrollmöglichkeiten der Mitarbeitenden verringert werden. Die Organisation hat dabei verschiedene Möglichkeiten, z. B.:

  • Die Mitarbeitenden verfügen bei den Darbietungsregeln über einen gewissen Ermessensspielraum.

Beispiel: Die Ressourcen von Herrn S. (angestellter Unternehmensberater in einer Beratungsagentur) sollen gestärkt werden. Bis vor kurzem war es Pflicht, dass Herr die Mitarbeiter der Agentur in Anzug zu Kundenterminen fahren. Zusätzlich sollten sie sehr selbstbewusst und dominant auftreten. Herr S. ist jedoch eher ein Mensch, der sich lieber auf Augenhöhe und mit Kunden unterhält, weshalb er sich bis vor Kurzem immer verstellen musste. Seine Führungskraft hat die daraus resulierende gesunkene Arbeitszufriedenheit erkannt und lässt Herrn S. hier einen größeren Spielraum.

  • Die Mitarbeitenden verfügen über einen Zeitspielraum, z. B. durch Kurzpausen und Auszeiten.

Beispiel: In der Vergangenheit klagte Herr S. darüber, von Termin zu Termin zu hetzen, Termine vorzeitig beenden zu müssen und dadurch sehr gestresst zu sein. In der Agentur von Herrn S. sollen Kundentermine daher in Zukunft mit etwas Puffer eingeplant werden. Dies soll das Nehmen von Kurzpausen ermöglichen und den Zeitspielraum erhöhen.

  • Die Mitarbeitenden verfügen über einen Entscheidungsspielraum, beispielsweise ist es möglich »schwierige Fälle« an andere Mitarbeitende zu übergeben. >br>

Beispiel: Herr S. und sein Team treffen sich regelmäßig und besprechen, welcher Unternehmensberater welchen Kunden übernimmt. Dies erhöht den Entscheidungsspielraum.

  • Mitarbeitende werden bereits im Personalauswahlprozess auf ihre emotionale Stabilität (d. h. ob sie z. B. in der Lage sind, Emotionsarbeit zu leisten) hin geprüft. (Person-Job-Fit) [4].

Beispiel: Wenn nun neue Mitarbeitende für den Kundenkontakt eingestellt werden, wird geprüft, ob sie in der Lage sind, Emotionsarbeit zu leisten.

Der Person-Job-Fit und seine wichtige Rolle bei Personalentscheidungen

Er ist definiert als die Passung zwischen den Fähigkeiten einer Person und den Ansprüchen des Jobs oder den Wünschen einer Person und den Aufgaben des Jobs. Beim Person-Job Fit soll unter allen sich Bewerbenden die Person gefunden werden, die die nötigen Fertigkeiten, Fähigkeiten und das geforderte Wissen für die zu besetzende Stelle aufweist. Deshalb spielt der Person-Job Fit eine zentrale Rolle bei Personalentscheidungen. Die generelle Arbeitszufriedenheit wird am meisten vom Person-Job Fit beeinflusst. Darum ist es wichtig, die am besten geeignetste Person für eine Stelle zu finden. Dies garantiert langfristig eine hohe Arbeitszufriedenheit. [1]

Beispiel: Ein Kleidungsgeschäft sucht einen neuen Kundenberater. Mit den Bewerbern wird eine Alltagssituation aus dem Geschäft nachgestellt, bei der der Bewerber in die Rolle des Kundenberaters schlüpft. Der Kunde ist dabei ein Schauspieler und beschwert sich u. a. über die unaufgeräumten Umkleidekabinen. Es sind zwei Bewerber eingeladen. Neben vielen weiteren Dingen wird während der Simulation beobachtet, inwiefern die Mitarbeitenden fähig sind, Emotionsarbeit zu leisten und beispielsweise freundlich zu bleiben, obwohl sie durch einen pöbelnden Kunden wütend sind. Es werden zwei Bewerber eingeladen:

  • Bewerber A fühlt versucht freundlich zu bleiben. Dennoch ist offensichtlich, dass er unzufrieden mit der Situation und sauer auf den Kunden ist. Dies spürt auch der „Schauspiel-Kunde“ und verlässt den Laden unumgehend.
  • Bewerber B bleibt sehr freundlich und ist verständnisvoll. Der „Schauspiel-Kunde“ beruhigt sich so schnell wieder und bleibt noch eine Weile im Laden.

In diesem Beispiel passen die Fähigkeiten in Bezug auf die Emotionsarbeit deutlich besser mit Bewerber A überein. Bewerber B wird aufgrund seiner mangelnden Emotionsarbeits-Fähigkeit nicht eingestellt.

Weiterführende Quick Wins, Ideen und Impulse

In Gesprächen mit Mitarbeitenden, Führungskräften und Experten aus der Praxis wurden zusätzliche Ideen und Impulse gesammelt. Diese spiegeln somit persönliche Erfahrungen aus der Praxis wieder, die nicht per se wissenschaftlich gesichert sind. Gern können Sie diese Ideen und Impulse als zusätzliche Inspiration nutzen.

  • Offene Tür beim Vorgesetzten und Bereitschaft für Gespräche über die Anforderungen der Emotionsarbeit und dem Umgang mit dieser
  • MA-Gespräche in geregelten Zeitabständen (eventuell auch mit der Teamleitung) über die Anforderungen der Emotionsarbeit und dem Umgang mit dieser
  • Sozialberatung/ wöchentliche psychologische Sprechstunde im Unternehmen, um mit einer neutralen Person über die Anforderungen der Emotionsarbeit und den Umgang mit dieser sprechen zu können und sich Hilfe zu holen
  • Vorleben & Akzeptanz der Führungskraft von Gesundheitsmaßnahmen, um emotionaler Erschöpfung entgegenzuwirken
  • Mitarbeiter für Emotionsarbeit sensibilisieren und aufklären
  • Einzelne gezielte Aktionen (z.B. Entspannungsmaßnahmen) für kleine, bestimmte Gruppen anbieten
  • Vorgesetzte auf individuelle Maßnahmen hinweisen, die in den Arbeitsalltag integriert werden können und Vorgesetzte sollten Arbeitszeit für solche Maßnahmen zur Verfügung stellen

Literatur

[1] Kauffeld, S., & Martens, A. (2019). Arbeitsanalyse und -gestaltung. In Arbeits-, Organisations- und Personalpsychologie für Bachelor (S. 261-303). Berlin, Heidelberg: Springer.
[2] Zapf, D., Seifert, C., Mertini, H., Voigt, C., Holz, M., Vondran, E., ... & Schmutte, B. (2000). Emotionsarbeit in Organisationen und psychische Gesundheit. Psychologie der Arbeitssicherheit. Beiträge zur Förderung von Sicherheit und Gesundheit in Arbeitssystemen, 1, 99-106.
[3] Paoli, P. (1997). Second European survey on the work environment 1995. Dublin: European Foundation for the Improvement of Living and Working Conditions.
[4] Hochschild, A. R. (1990). Das gekaufte Herz. Zur Kommerzialisierung der Gefühle. Frankfurt/M.: Campus.
[5] Zapf, D., Vogt, C., Seifert, C., Mertini, H., & Isic, A. (1999). Emotion work as a source of stress. The concept and development of an instrument. European Journal of Work and Organizational Psychology, 8, 371–400.
[6] Huang, H. J. (1999). Job rotation from the employees’ point of view. Research and Practice in Human Resource Management, 7(1), 75-85).