Was ist Burnout und wie wurde es erhoben?

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Was ist Burnout?

Definition

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Burnout heißt wörtlich übersetzt „ausbrennen“ oder im Zusammenhang mit einer Kerze auch „herunterbrennen“ / „ausgehen“ [1]. Denken wir nicht nur an die Kerze, die herunterbrennen kann, sondern zum Beispiel an ein heiles, intaktes Haus, das von wütendem Feuer erfasst wird, das ausbrennt: Übrig bleibt nach dem verheerenden Brand oft nur ein verkohltes Gerüst, vom Rest des Hauses ist dann nicht mehr viel übrig. Ob es sich eher um eine herunterbrennende Kerze handelt oder um ein abbrennendes Haus, das ist von Mensch zu Mensch, von Situation zu Situation unterschiedlich.

Burnout ist ein Zustand von körperlicher, emotionaler und psychischer Erschöpfung [2]. Es lassen sich drei allgemeine Hauptaspekte erkennen, die Menschen mit Burnout erleben [3]:

  • Emotionale Erschöpfung:
    Damit ist das Gefühl gemeint, durch den Kontakt mit Menschen emotional überanstrengt und ausgelaugt zu sein, die emotionalen Ressourcen sind quasi aufgebraucht.
  • Depersonalisation:
    Das heißt, dass anderen eine gefühlslose, abgestumpfte und herzlose Einstellung gegenüber gebracht wird, die sich auch in einem negativen, zynischen Verhalten widerspiegelt.
  • Reduzierte Leistungsfähigkeit:
    Das ist die Tendenz, sich selbst und die eigene Leistung negativ zu bewerten, wodurch bei der Arbeit ein Kompetenz- und Erfolgsverlust wahrgenommen wird. Betroffene sind unzufrieden mit sich selbst und ihren Erfolgen bei der Arbeit.
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Ursachen von Burnout

Burnout auf allen Ebenen (in Anlehnung an Schwazer, 2020 [8] und Cherniss, 1980 [21])

Burnout wurde anfänglich vor allem mit Berufen, in denen Menschen mit Patienten oder Klienten arbeiten, in Verbindung gebracht, wie zum Beispiel in Schulen, in der Krankenpflege, im medizinischen oder sozialen Bereich [3]. Als Ursache wurde hier “Erschöpfung aufgrund emotionaler Belastung durch Helfen ohne adäquate Belohnung” [5] beschrieben. Um diese emotionale Erschöpfung zu bewältigen, ziehen Menschen sich emotional und sozial zurück. Eine weitere Bewältigungsstrategie ist der Rückzug auf kognitiver Ebene, der die oben genannte gefühllose, abgestumpfte Reaktion auf andere (die Depersonalisation) zur Folge hat [4].

Mit der Zeit wurde das Konzept Burnout außerdem auf viele weitere Bereiche der Arbeitswelt angewendet. Mittlerweile liegt der Fokus auch nicht mehr nur auf Burnout in Erwerbstätigkeit, sondern auch auf dem Zusammenhang mit länger andauernden familiären Belastungen, wie zum Beispiel die Pflege eines Angehörigen [5].

Die genauen Ursachen von Burnout zu identifizieren ist kompliziert, da je nach Arbeitssituation, persönlicher Kompetenzen und Eigenschaften sowie des privaten Lebens verschiedene Faktoren zusammenkommen [4]. Burnout ist eine Summe von vielfältigen Faktoren in allen Ebenen unseres Lebens. Eine mögliche Zusammenfassung dieser verschiedensten Ursachen für das Entstehen eines Burnouts ist z.B. in der Abbildung zu sehen [8]: Die Ebenen Individuum, Team, Organisation und Gesellschaft sind dabei nicht unabhängig voneinander. Verschlimmert sich einer der genannten Aspekte auf einer Ebene, kann es auch zu einer Verschlimmerung auf einer anderen Ebene kommen.

Wenn es so viele Einflussfaktoren gibt, wo soll man dann ansetzen?

Maslach, eine der führenden Forscherinnen im Bereich Burnout betont die Relevanz der folgenden 6 Faktoren [9]:

  • Arbeitsüberlastung:
    Unternehmen wollen mit einem höheren Arbeitsumfang mehr Produktivität erreichen – dabei wird Arbeit für Mitarbeitende jedoch immer intensiver, komplexer und erfordert auch mehr Zeit – d.h. weniger Entspannung
  • Mangel an Kontrolle:
    Haben Mitarbeitende zu wenig Möglichkeit, ihre Arbeit selbst zu kontrollieren und über die Reihenfolge und Art der Bearbeitung zu entscheiden, kann dies das Interesse an der Arbeit verringern und zu Distanzierung führen
  • Unzureichende Belohnung:
    Zu wenig Belohnung / Anreiz von außen (z.B. Lob, Geld, etc.), aber auch von innen (z.B. Freude, Stolz über eine erledigte Aufgabe), können zu fehlender Motivation führen
  • Zusammenbruch der Gemeinschaft (am Arbeitsplatz):
    Wenn z.B. die Sicherheit des Arbeitsplatzes nicht gegeben ist oder wenn es nur noch um Profit geht und somit der menschliche Aspekt der Arbeit verloren geht, dann wird sich dies negativ auf persönliche Beziehungen und die Teamarbeit auswirken
  • Fehlende Fairness:
    Ein Fehlen von Vertrauen (in das Unternehmen und / oder das eigene Team), Offenheit (Meinungen und Probleme werden nicht offen kommuniziert) und Respekt (jedem Einzelnen gegenüber) führen dazu, dass ein Mangel an Fairness wahrgenommen wird
  • Widersprüchliche Werte:
    Manchmal sind Werte der Führungsebene gegensätzlich zu den Werten der Mitarbeitenden – das ist problematisch

Diese 6 Faktoren sowie die Abbildung oben zeigen, dass Studien zahlreiche, verschiedenste Ursachen für Burnout finden konnten. D.h. aber auch, dass es nicht DIE Ursache gibt, die für Burnout verantwortlich gemacht werden kann. Daher ist es wichtig, dass jeweils unterschiedliche mögliche Ursachen reflektiert und – wenn möglich – behoben werden.


Teufelskreis Burnout-Prozess (in Anlehnung an Burisch, 2014 [12] und Cherniss, 1980 [21])

Ein entscheidender Faktor ist zudem der Zeitpunkt: Oft werden Betroffene erst tätig, wenn nichts mehr geht. Burnout ist jedoch ein schleichender Prozess, bei dem Betroffene nach und nach mehr Symptome aufweisen [4]. Die Abbildung zum „Teufelskreis“ veranschaulicht dies. Aus diesem Prozess wieder herauszukommen ist schwierig, denn Burnout ist zudem gekennzeichnet durch einen Verlust der natürlichen Fähigkeit zur Regeneration. Man kann sich nicht mehr erholen [5].

Der Teufelskreis des Burnouts (siehe Abbildung) beginnt oft mit negativen Gedanken: „Bin ich dieser Aufgabe wirklich gewachsen? Nimmt man mich auch ernst? Was, wenn ich es nicht schaffe und versage?“ Diese negative Einstellung führt dazu, dass Betroffene viel unsicherer bei der Arbeit sind und häufiger Fehler machen. Mitunter können das sogar traumatische Erfahrungen sein. Dies wiederum wirkt sich nicht besonders gut auf den eigenen Selbstwert aus, er sinkt. Um auf diese innerliche Bedrohung zu reagieren, stürzen sich viele erst recht in die Arbeit: Es werden viele Überstunden und wenig Pause gemacht. Die dauerhafte Reduzierung der Erholungszeit führt nun dazu, dass Betroffene oft gar nicht mehr abschalten können und auch im vermeintlichen Feierabend weiter viel an die Arbeit denken. So geht die natürliche Fähigkeit, sich selbst zu erholen, verloren. Die fehlende Erholung schwächt auch am nächsten Tag die Widerstandskraft gegenüber alltäglichen Problemen. Es folgt ein Zustand körperlicher und geistiger Erschöpfung. Der Teufelskreis geht weiter: Durch die Erschöpfung wiederum sinkt die Leistung weiter. Das löst Ängste aus: „Was werden die anderen von mir denken? Ich versage wirklich, was soll nur aus mir werden?“ Die Betroffenen ziehen sich immer weiter zurück, meiden den Kontakt mit anderen. Unter anderem aus Angst, verurteilt zu werden, aber auch, weil sie so mit ihren eigenen Problemen beschäftigt sind, dass der Kontakt zu anderen zu viel, zu anstrengend ist. Die negativen Gedanken werden verstärkt. Und der Teufelskreis ist vollkommen [12].

Warnsignale für Burnout

Daher ist es wichtig (sowohl für sich selbst, als auch für Mitarbeitenden) auf die folgenden Warnsignale zu achten und frühzeitig tätig zu werden. Wichtig ist hier auch, dass es nicht unbedingt immer eine hohe Arbeitsmenge ist, die zu Burnout führt. Es zählen viel mehr die Gefühlslage bei der Arbeit: Wenn man z.B. den ganzen Tag unter Strom und Anspannung ist und nach der Arbeit nicht mehr abschalten kann. Manch andere können über lange Zeit hinweg einen hohen Grad des Engagements aufrechterhalten, ohne wirkliche Symptome für Burnout zu zeigen. Vielleicht weil sich die positiven und negativen Aspekte ausgleichen, vielleicht weil diese Menschen einfach resistenter sind. Aber wenn auf Dauer häufiger ein Energiemangel, das fehlende Abschalten von der Arbeit und zu wenig Schlaf auftreten, dann ist das ein Zeichen dafür, dass es doch zu viel war [12].

Überhöhter Energieeinsatz:

  • Hyperaktivität, führt zu freiwilliger (unbezahlter) Mehrarbeit
  • Gefühl, unentbehrlich zu sein („ich muss das noch fertig machen, es ist meine Aufgabe und die anderen brauchen das“)
  • Gefühl, nie Zeit zu haben (es muss immer noch etwas erledigt werden)
  • Nicht Abschalten / sich Entspannen können
  • Eigene Bedürfnisse verleugnen („so dringend brauche ich den Feierabend und die Entspannung nun auch nicht, ein bisschen was geht noch“)
  • Misserfolge und Enttäuschungen werden verdrängt

Erschöpfung:

  • Energiemangel
  • Zu wenig Schlaf (weil Entspannung und Abschalten von der Arbeit fehlt, die Gedanken kreisen um die Arbeit)
  • Erhöhte Unfallgefahr (da Konzentration nachlässt)

Folgen von Erschöpfung:

  • Aufmerksamkeitsstörungen (z.B. Schwierigkeiten, anderen zuzuhören)
  • Tagträumen / in Gedanken verloren sein
  • Negative Einstellung zur Arbeit (Widerwillen, der Arbeit überdrüssig sein → verringertes Engagement)
  • Erhöhte Ansprüche (Konzentration auf die eigenen Ansprüche)
  • Neigung zum Weinen, abrupte Stimmungsschwankungen
  • Verringerte emotionale Belastbarkeit (schwierige Situationen werden zu viel, zu anstrengend)
  • Ruhelosigkeit
  • Reizbarkeit (schneller gereizte Reaktion)

Warum ist Burnout ein so wichtiges Thema?

Dass in den letzten Jahrzehnten immer öfter von Burnout gesprochen wird, liegt zum Teil an der wachsenden Forschung und Literatur zu dem Begriff und der Krankheit im Allgemeinen. Psychische Störungen im Allgemeinen werden in der Gesellschaft immer mehr akzeptiert, auch Ärztinnen und Ärzte sind zunehmend sensibilisiert dafür; nichtsdestotrotz nehmen auch die Arbeitsbedingungen, die eine Belastung darstellen, stetig zu [10]. Aber auch die Zahlen aus den letzten Jahren zeigen, dass Burnout immer relevanter für uns als Gesellschaft wird.

© Präventa (Originalbild: Freepik.com [25])


Der jährlich erscheinende Fehlzeiten-Report analysiert die Entwicklung des Krankenstandes in allen Branchen der Wirtschaft [7][10]. Es zeigt sich, dass die Zahl der psychischen Erkrankungen in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat: Im Vergleich zum Jahr 2007 wurden im Jahr 2017 45,5% mehr Arbeitsunfähigkeitsfälle aufgrund psychischer Erkrankungen verzeichnet. Dabei gab es im Jahr 2017 im Vergleich zu 2007 67,5% mehr Arbeitsunfähigkeitstage aufgrund psychischer Erkrankungen [10]. Auch die Dauer der Arbeitsunfähigkeit bei einer psychischen Erkrankung ist vergleichsweise hoch: Bei Psychischen und Verhaltensstörungen sind Betroffene durchschnittlich mehr als 40 Tage lang arbeitsunfähig. Damit stehen sie auf Platz 2 der Arbeitsunfähigkeitsdauer. Lediglich die Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems und des Bindegewebes (z.B. Erkrankungen an der Wirbelsäule, den Gelenken, Muskeln und Sehnen) haben eine längere Arbeitsunfähigkeits-Dauer [7].

Dabei ist die Zusatz-Diagnose „Burnout“ im Jahr 2018 dreimal häufiger vergeben worden als das 2008 noch der Fall war [7]: Wo es 2008 pro 1000 AOK-Mitgliedern noch 39,8 Arbeitsunfähigkeitstage aufgrund von Burnout gab (das sind 2,5 Fälle je 1000 Mitglieder), sind es 2017 nun 116,7 Arbeitsunfähigkeitstage pro 1000 Mitglieder (das sind 5,5 Fälle je 1000 Mitglieder) [10]. Frauen sind dabei deutlich häufiger betroffen als Männer [10]. Mit zunehmendem Alter steigt das Risiko, aufgrund von Burnout krankgeschrieben zu werden [7].

Welche Folgen kann Burnout haben?

Es gibt verschiedene langfristige Folgen von Burnout, entscheidend dafür sind die Person selbst sowie die äußeren Bedingungen. Nicht jede Folge tritt zwangsweise ein, es sind aber mögliche Ausgänge des Burnout-Prozesses. Bei regelmäßig wiederkehrenden Burnout-Symptomen lassen sich z.B. fast immer auch weitere körperliche oder psychische Beschwerden feststellen. Mögliche Folgen von Burnout sind wie folgt:

Für das Individuum [17]

  • Depression
  • Weitere psychische Störungen (z.B. Angststörungen, Alkoholismus)
  • Muskel-Skelett-Erkrankungen
  • Herz-Kreislauf-Erkrankungen
  • Diabetes
  • Weitere Infektionen und psychosomatische Beschwerden

Arbeitseinstellungen [18] [9]

  • Verlust von Engagement
  • Geringe Arbeitszufriedenheit
  • Geringes organisationales Commitment (d.h. man identifiziert sich mit der eigenen Organisation)
  • Höhere Turnover Intention (d.h. Planung, die Organisation zu verlassen / zu kündigen)

Für die Organisation [9] [12]

  • Angespannte, gereizte Atmosphäre im Team → Zusammenarbeit gestört
  • Verschlechterte Qualität der Arbeit / Produkte / Service
  • Fluktuation (d.h. Jobwechsel zu einer anderen Organisation)
  • Absentismus (d.h. Mitarbeitende sind häufiger nicht da, fehlen z.T. auch länger)
  • Produktivitätsverlust (Einzelne sowie das ganze Team weniger produktiv)
  • Hohe Kosten bei Fehlzeiten (auch für die Gesellschaft allgemein relevant
  • Mehrkosten durch Neubesetzung von Stellen, ggf. auch langfristige Entschädigungszahlungen

Für Interessierte: Abgrenzung zu anderen Forschungszweigen

Zusammenhang mit Stress

Burnout und Stress hängen zwar zusammen, aber Burnout ist keine unbedingte Folge von Stress. Es ist wichtig zwischen Stress und Dauerstress zu unterscheiden. Burnout entwickelt sich häufig aus andauernd unbewältigten Stresssituationen. Viele erfolglose Versuche der Bewältigung von Stresssituationen („Stress erster Ordnung“) führen zunächst dazu, dass die Stressresistenz über das normale Niveau hinaus ansteigt („Stress zweiter Ordnung“), was längerfristig dann Erschöpfung zur Folge hat („Stress dritter Ordnung“) und damit möglicherweise auch zu Burnout [11].

Stress entsteht also nicht von heute auf morgen. Und auch nicht jeder stressige Beruf führt gleich dazu, dass alle Burnout erleiden [12]. Auch im Bereich Stress kann es vielfältige Ursachen geben, wie schon oben angesprochen.

Zusammenhang mit Depression

Überschneidung der Felder © Präventa

Bei einem Burnout kann man ähnliche Symptome wie bei vielen depressiven Störungsbildern erleben [5]. Es ist deshalb schwierig, das Burnout-Syndrom von diesen Störungsbildern abzugrenzen, auch, weil es noch nicht als eigenständige Krankheit im ICD-10 (der internationalen Klassifikation der Krankheiten) vermerkt ist, sondern nur als Zusatzdiagnose [6]. Außerdem werden die Begriffe “Depression” und “Burnout” von der Allgemeinbevölkerung oft synonym verwendet.

In einer Studie wurde untersucht, womit Menschen Depression und Burnout assoziieren. Man fand heraus, dass Depression eher mit Vererbung als Ursache in Verbindung gebracht wird [13]. Immer wieder wird auch die Stigmatisierung von Depression im Vergleich zu Burnout thematisiert: Es fällt Menschen schwerer, sich selbst als depressiv anzusehen als ein Burnout einzugestehen [14]. Bei Burnout dagegen denken Menschen nicht an Vererbung, sondern am häufigsten an berufliche Belastung, die zum Burnout führen. Damit ist nicht nur die Arbeit an sich sondern auch das Verschwimmen oder sogar Fehlen der Grenzen zwischen Beruf und Privatleben bzw. Freizeit gemeint [13]. Somit wird mit Depression in der Gesellschaft eher ein Problem in der Person selbst verbunden – bei Burnout hingegen werden stärker schwierige Rahmen- und Arbeitsbedingungen als Ursache angesehen.

Eine mögliche Erklärung ist etwa, dass bei Burnout eher der „Kampfgeist“ auftritt, wenn sich die Anforderungen immer weiter häufen, es wird immer weiter gemacht, solange wie möglich. Bei Depression hingegen ist es eher das Aufgeben im Sinne einer Abwärtsspirale (z.B. „ich kann nicht“ und „ich bin alleine“). In dem Sinne kann Burnout auch die Vorstufe einer Depression sein, wenn die Symptome noch nicht so stark ausgeprägt sind. Sollten sich die Beschwerden verschlimmern, kann es sein, dass die Hauptsymptomatik des Burnouts (Erschöpfung, Depersonalisation, Leistungsminderung) nicht mehr im Vordergrund steht. An deren Stelle rückt dann die Eigendynamik einer Depression (Selbstzweifel, Verlassenheit, Misstrauen, Hilflosigkeit) [16].

Allerdings hat sich in einer weiteren Studie, die Ergebnisse von 92 Studien zusammenfasst, gezeigt, dass es immer noch sehr unklar ist, wo genau denn eigentlich die Unterschiede zwischen Burnout und Depression liegen. Es wird auch nach wie vor diskutiert, ob es überhaupt einen Unterschied dazwischen gibt [15]. Aus wissenschaftlicher Sicht ist diese Frage (Burnout = Depression, Burnout als Vorstufe zur Depression) also noch nicht abschließend geklärt. In der Praxis kann es hingegen helfen, über Burnout zu sprechen: Die oben beschriebene höhere gesellschaftliche Akzeptanz kann dazu beitragen, dass Betroffene sich eher Unterstützung holen und somit früher den negativen Teufelskreis (siehe Abbildung oben: Teufelskreis des Burnout-Prozesses) durchbrechen.

Wie wurde Burnout in der Studie erhoben?

Das Burnout Assessment Tool

Das Burnout Assessment Tool wurde von Schaufeli, De Witte und Desart (2019) entwickelt [19]. Wie der Name bereits vermuten lässt, wurde es entwickelt um Burnout zu "messen". Es umfasst sechs Subskalen, die sich in 4 Kernsymptome und 2 sekundäre Symptome unterteilen lassen:
Kernsymptome:

  • Erschöpfung
  • Mentale Distanz
  • Kognitive Beeinträchtigung
  • Emotionale Beeinträchtigung

Sekundäre Symptome:

  • Psychologische Beschwerden
  • Psychosomatische Beschwerden

Zu jeder Subskala gehören mindestens fünf Aussagen, die beantwortet werden sollen. Hier kann der komplette Fragebogen eingesehen werden (allerdings gibt es bisher nur Versionen auf niederländisch, französisch und englisch).

Die Skala Erschöpfung

Emotionale Erschöpfung ist eines der Kernsymptome von Burnout [9]. Es gilt als das früheste Syndrom für Burnout und kann Depersonalisation und reduzierte Leistungsfähigkeit voraussagen [23] [24]. Eine Studie, die über drei Jahre hinweg Ärzte begleitete, belegte den kausalen Zusammenhang zwischen emotionaler Erschöpfung und Stress: Ein hohes Level an emotionaler Erschöpfung löst Stress aus und umgekehrt führt ein hohes Stresslevel zu emotionaler Erschöpfung [22].

Für den Fragebogen, an dem Sie teilgenommen haben, wurde somit nur die Skala Erschöpfung ausgewählt. "Erschöpfung" umfasst Gefühle der emotionalen Überanspruchung und Abgeschlagenheit durch die Arbeit. Die Aussagen, die Sie im Fragebogen dazu beurteilt haben, lauten zum Beispiel:

  • „Bei der Arbeit fühle ich mich geistig erschöpft.“
  • „Wenn ich morgens aufstehe, fehlt mir die Energie in einen neuen Arbeitstag zu starten.“
  • „Ich möchte bei der Arbeit aktiv sein, aber irgendwie schaffe ich es nicht.“

Der Grad der Erschöpfung wird insgesamt anhand von acht Aussagen ermittelt. Dabei mussten Sie für jede der Aussagen angeben, wie häufig diese auf Sie zutrifft. Dafür konnten Sie Werte zwischen 1 und 5 angeben, 1 heißt „nie“ und 5 heißt „immer“. Aus Ihren Angaben wurde dann ein Mittelwert gebildet, der wiederum Werte zwischen 1 und 5 annehmen kann. Ein hoher Gesamtwert bedeutet also eine hohe Erschöpfung, ein kleiner Wert eine geringe Erschöpfung [19].

Ab wann ist jemand emotional erschöpft?

Der Fragebogen wurde an einer Gruppe von 1500 flämischen Arbeitnehmenden (mit und ohne Burnout) getestet. Auf Basis dieser Daten wurden für den gesamten Fragebogen und jede Subskala Grenzwerte festgelegt: Je nach erzielten Werten im Fragebogen ist die Wahrscheinlichkeit für einen Burnout gering (sicherer Bereich), mittel (Risiko-Bereich) oder hoch (Gefahren-Bereich) einzuschätzen [19]. In der Tabelle rechts finden Sie die Grenzwerte für die Subskala „Erschöpfung“.

Tabelle Grenzwerte Burnout-Wahrscheinlichkeit

Beachten Sie jedoch, dass diese Werte nicht in Stein gemeißelt sind und nicht universell gültig sind. In der Psychologie (und auch in der Medizin) werden häufig Grenzwerte benutzt, um die Diagnose einer Erkrankung zu erleichtern. Wenn ein bestimmter Testwert überschritten wird, wird eine Person so z.B. als „krank“ beurteilt. Diese Grenzwerte werden anhand einer Normstichprobe ermittelt, d.h. einer möglichst großen Anzahl an Personen, die repräsentativ für die Gruppe an Menschen, die wir später untersuchen wollen, ist. Dabei versucht man möglichst Werte zu finden, die nicht fälschlicherweise gesunde Personen als krank einstufen oder umgekehrt. Dabei muss man einen guten Mittelweg finden: ausreichend, aber nicht zu viele Burnout Fälle identifizieren. Die Einteilung von Menschen durch Grenzwerte heißt also nicht zwingend, dass die Person auch in die entsprechende Risiko-Gruppe hineingehört. Dennoch sind sie ein guter Hinweis darauf, wie emotional beansprucht Sie oder Ihre Mitarbeitenden durch die Arbeit sind.

Da der Fragebogen nicht komplett genutzt wurde, wird Burnout von uns nicht ganzheitlich erfasst. Es kann also auch sein, dass Sie (oder Ihre Mitarbeitenden) einen niedrigen Wert erzielten, obwohl Sie das Gefühl haben, dass Sie (oder andere) sehr wohl stark Burnout-gefährdet sind. Verlassen Sie sich also nicht völlig auf den hier erzielten Wert, sondern betrachten Sie ggf. auch andere Faktoren.

Zudem sollte hier auch gesagt werden, dass es nicht allein genügt, einen Fragebogen für Burnout zu erheben, um festzustellen, ob eine Person Burnout hat oder nicht. Dafür benötigt es zusätzlich ein Gespräch mit Fachleuten, wie z.B. Ärztinnen und Ärzten oder Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten [19].

Was lässt sich bei Burnout tun?

Generell gilt es die Risiken zu minimieren, dass es bei Ihnen, Ihren Kolleginnen oder Kollegen, Ihrem Team oder Ihren Mitarbeitenden überhaupt zu Burnout kommen kann. Das ist einer der Gründe, warum wir das Projekt „Präventa“ ins Leben gerufen haben. Präventa hat als Ziel, die psychische Gesundheit am Arbeitsplatz zu stärken. Darunter fällt auch das Reduzieren von verschiedensten Faktoren, die Burnout auslösen oder begünstigen können. Schauen Sie sich daher zunächst gerne vertieft in diesem Wiki um und finden Sie die wichtigsten Stellen, die angegangen werden sollten.

Was kann ich für mich selbst tun?

© Präventa (Originalbild: Freepik.com [25])


Werfen Sie zunächst noch einmal einen Blick auf Ihr Ergebnis und Ihre individuelle Rückmeldung, welche Skalen für Sie besonders wichtig sind. Genau diese Anforderungen, die Sie im Arbeitsalltag bewältigen müssen, können einen Einfluss auf Ihr Burnout-Risiko haben. Auch die Ressourcen, die für Sie hilfreich wären, aktuell aber noch nicht so gut funktionieren, sind hier wichtig. Also alles, was ihr Erleben Ihrer Arbeit beeinflusst, zählt auch mit auf Ihr Burnout-„Punktekonto“.

Wählen Sie dann eine der Seiten aus, die Ihnen empfohlen werden, und lesen Sie mehr darüber, was Sie ganz gezielt in diesen Punkten tun können. Oder überlegen Sie, was Sie am meisten belastet oder am meisten fehlt: Ist es vielleicht noch etwas ganz anderes als die empfohlenen Punkte? Suchen Sie dann im Feld rechts oben im Wiki danach oder schauen Sie in der Übersicht der Anforderungen und Ressourcen hier, welche es noch gibt. Dort finden Sie viele passende Tipps und Empfehlungen, die Ihr Burnout-Erleben verringern können und Ihnen einen entspannteren Arbeitstag ermöglichen können.

Sie können auch den vollen Fragebogen für Burnout verwenden, um Ihre eigene Wahrscheinlichkeit, an Burnout zu erkranken, umfassender beurteilen zu können. Die gesamte Version des Burnout Assessment Tools finden Sie hier.

Wenn Sie alleine nicht weiterkommen und Unterstützung benötigen, schauen Sie sich die Tipps auf der Seite hier an. Dort erfahren Sie mehr, wie und wo Sie sich Unterstützung holen können, wenn Sie weitere Hilfe brauchen.

Sollten Sie bei sich selbst ernsthafte Symptome für Burnout feststellen, ist jedoch mit den Tipps auf den Seiten hier bei Präventa nicht allein geholfen. In dem Falle ist es hilfreich, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Bei anfänglichen Symptomen kann es noch helfen, sich längere Auszeiten zu nehmen oder auch über einen Arbeitsplatzwechsel nachzudenken. Im weiteren Burnout-Verlauf ist aber auch professionelle Hilfe, z.B. in Form einer Therapie, eine sinnvolle Maßnahme, da Selbsthilfe hier meist nicht mehr viel bringt [20].

Es gibt viele Wege, professionelle Hilfe zu suchen. Eine Möglichkeit ist z.B. die Seite hier.

Was kann ich für meine Mitarbeitenden tun?

Wenn Sie bei Ihren Mitarbeitenden merken, dass sich die Person grundsätzlich anders verhält als sonst und auch bestimmte Symptome für Burnout zeigt, suchen Sie zunächst ein Gespräch. Können Sie der Person vielleicht irgendwie unter die Arme greifen? Was braucht die Person gerade? Mit jemandem darüber zu reden, kann auch schon helfen. Und Sie bringen direkt mehr in Erfahrung, was Ihre Mitarbeitenden konkret belastet.

Werfen Sie auch einen Blick auf die Rückmeldung der Ergebnisse Ihres Teams und die dort empfohlenen Angriffspunkte. Es gibt vieles, das Sie als Führungskraft tun können, um Ihre Mitarbeitenden zu stärken und die belastenden Faktoren zu reduzieren. Je nachdem, was in Ihrem Team oder für die einzelne Person besonders wichtig ist, können Sie auch hier die verschiedenen Seiten im Wiki nutzen. Verwenden Sie dafür immer die Seiten mit dem Fokus auf „Was können Arbeitgeber tun“. Weitere Hinweise für Führungskräfte und dem Umgang mit den Teamergebnissen finden Sie hier.

Langfristig kann es bei ernsthaften Problemen eines Mitarbeitenden jedoch nicht genug sein, an den genannten Punkten anzusetzen. Bedenken Sie immer, Sie können zwar die Arbeitssituation und die Rahmenbedingungen der Arbeit verändern, Sie sind aber kein Ersatz für professionelle psychische Unterstützung. Wenn Sie bei Ihren Mitarbeitenden ernsthafte Probleme bemerken oder vermuten, legen Sie ihm oder ihr vorsichtig ans Herz, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Quellen

[1] Burnout. (o.J.). In dict.cc Online-Wörterbuch. Dict.cc. https://www.dict.cc/?s=burn+out
[2] Jaggi, F. (2019). Burnout praxisnah, S. 23. Lehmanns Media GmbH.
[3] Maslach, C., Jackson, S. E. & Leiter, M. (1986). The Measurement of Experienced Burnout, Journal of Organizational Behavior, 2(2), 99-113. Abgerufen unter https://www.researchgate.net/publication/227634716_The_Measurement_of_Experienced_Burnout
[4] Burisch, M. (2006). Das Burnout-Syndrom: Theorie der inneren Erschöpfung (3. überarbeitete Aufl.). Springer Medizin.
[5] Kaluza, G. (2004). Stress - was ist das eigentlich? In G. Kaluza (Hrsg.), Stressbewältigung, (S. 13-47). Springer-Verlag Berlin Heidelberg.
[6] Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI), Bundesministerium für Gesundheit (BMG)l, Arbeitsgruppe ICD des Kuratoriums für Fragen der Klassifikation im Gesundheitswesen (KKG) (Hrsg., 2019). ICD-10-GM 2020: Systematisches Verzeichnis (10. Revision). Deutscher Ärzteverlag GmbH.
[7] Meyer, M., Maisuradze, M. & Schenkel, A. (2019). Krankheitsbedingte Fehlzeiten in der deutschen Wirtschaft im Jahr 2018 – Überblick. In B. Badura, A. Ducki, H. Schröder, J. Klose, M. Meyer (Hrsg.), Fehlzeiten-Report 2019: Digitalisierung – ein gesundes Arbeiten ermöglichen. Springer-Verlag GmbH.
[8] Schwazer, J. (2020). Burnout in Teams: Ursachenanalyse und Ableitung von Vorbeugungsmaßnahmen. Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH.
[9] Maslach, C. & Leiter, M. P. (2001). Die Wahrheit über Burnout: Stress am Arbeitsplatz und was Sie dagegen tun können. Springer-Verlag.
[10] Meyer, M., Wenzel, J. & Schenkel, A. (2018). Krankheitsbedingte Fehlzeiten in der deutschen Wirtschaft im Jahr 2017. In B. Badura, A. Ducki, H. Schröder, J. Klose, M. Meyer (Hrsg.), Fehlzeiten-Report 2018: Sinn erleben – Arbeit und Gesundheit. Springer-Verlag GmbH.
[11] Selye, H. (1975). Implications of stress concept. New York State Journal of Medicine, 75(12), 2139-2145.
[12] Burisch, M. (2014). Das Burnout-Syndrom: Theorie der inneren Erschöpfung – Zahlreiche Fallbeispiele – Hilfen zur Selbsthilfe (5. überarbeitete Aufl.). Springer Medizin.
[13] Rechenberg, T., Nowikow, J. & Schomerus, G. (2020). „Man gesteht sich ja heutzutage keine Depression mehr ein, sondern nennt es Burnout“: Berichterstattung über Burnout in deutschen Printmedien. Psychiat Prax, eFirst (publiziert am 08.04.2020). DOI: 10.1055/a-1142-9140
[14] Bahlmann, J., Angermeyer, M. C. & Schomerus, G. (2013). „Burnout“ statt „Depression“ – eine Strategie zur Vermeidung von Stigma? Psychiat Prax, 40, 78-82. DOI: 10.1055/s-0032-1332891
[15] Bianchi, R., Schonfeld, I. S. & Laurent, E. (2015). Burnout-depression overlap: A review. Clinical Psychology Review, 36, 28-41. DOI: 10.1016/j.cpr.2015.01.004
[16] Brühlmann, T. (2010). Burnout und Depressionen: Überschneidung und Abgrenzung. Schweiz Med Forum 2010, 10(8), 148–151.
[17] Ahola, K. & Hakanen, J. (2014). Burnout and health. In M. P. Leiter, A. B. Bakker & C. Maslach (Eds.), Burnout at Work: A psychological perspective. Psychology Press.
[18] Alarcon, G. M. (2011). A meta-analysis of burnout with job demands, resources, and attitudes. Journal of Vocational Behavior, 79, 549-562. DOI: 10.1016/j.jvb.2011.03.007
[19] Schaufeli, W.B., De Witte, H. & Desart, S. (2019). Manual Burnout Assessment Tool (BAT). KU Leuven, Belgium: Unpublished internal report.
[20] Pro Psychotherapie e.V. (2020). Burnout: Neustart mit Therapie: Mehr Selbstwert und gesündere Lebensgewohnheiten. Therapie.de. https://www.therapie.de/psyche/info/index/diagnose/burnout/therapie/
[21] Cherniss, C. (1980). Professional Burnout in Human Service Organizations. Praeger Publishers Inc.
[22] McManus, I. C., Winder, B. C. & Gordon, D. (2002). The causal links between stress and burnout in a longitudinal study of UK doctors. Lancet, 359(9323). DOI: 10.1016/s0140-6736(02)08915-8
[23] Maslach, C. (1982). Burnout: The Cost of Caring. Prentice Hall.
[24] Toppinen-Tanner, S., Kalimo, R. & Mutanen, P. (2002). The process of burnout in white-collar and blue-collar jobs: Eight-year prospective study of exhaustion. Journal of Organizational Behavior, 23(5), 555–570. DOI: 10.1002/job.155
[25] Freepik.com. https://www.freepik.com/