Überforderung - Was können Arbeitgeber tun?

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Was ist Überforderung?

Unter Überforderung versteht man eine Form der Belastung, die durch ein Empfinden von Hilflosigkeit und Überanstrengung geprägt ist. Sie geht damit einher, dass Anforderungen an eine Person gestellt werden, denen sie nicht gerecht werden kann [Duden, ]. Überforderung am Arbeitsplatz entsteht, wenn die Anforderungen einer Aufgabe nicht mit den Fähigkeiten eines Mitarbeitenden übereinstimmen. Die Mitarbeitenden sollen also Aufgaben erledigen, die ihre Fähigkeiten oder ihr Wissen übersteigen und deshalb nur schwer bis gar nicht zu bewältigen sind (lesen Sie mehr zur Entstehung im nächsten Abschnitt). Dies führt zu einer dauerhaften Überlastung. Von Überforderung spricht man, wenn diese Situation häufiger auftritt [Schulte].

Abgrenzung zu Zeitdruck: Zeitdruck bedeutet, dass Mitarbeitende sehr viele Aufgaben in kurzer Zeit erledigen müssen. Dabei reicht die Zeit meistens nicht aus und es müssen Überstunden absolviert werden. Im Vergleich dazu geht es bei Überforderung nicht nur um zu wenig Zeit für die einzelnen Aufgaben, sondern auch darum, dass Mitarbeitende nicht das notwendige Wissen für eine Aufgabe haben und deshalb überfordert sind [Schulte].

Abgrenzung zu Leistungsdruck: Leistungsdruck bedeutet, dass Mitarbeitende ihre Aufgaben sehr gut und gleichzeitig sehr schnell erledigen müssen. Das heißt, die Mitarbeitenden müssen viel Energie in ihre Arbeit stecken, um erfolgreich zu sein. Mitarbeitende mit Leistungsdruck unterliegen hohen Anforderungen an ihre Arbeit [Schulte].

Wie entsteht Überforderung?

Ein bekanntes Modell von Bakker und Demerouti geht davon aus, dass Stress oder Überforderung vor allem dann entstehen, wenn die Arbeitsanforderungen die Ressourcen der Mitarbeitenden übersteigen. Wenn für die Erledigung der Arbeitsanforderungen genügend Fähigkeiten und Ressourcen zur Verfügung stehen, kann die Anforderung gut bewältigt werden. Wenn jedoch die Anforderungen größer sind als die Ressourcen der Mitarbeitenden, kann es zu Stress oder Überforderung kommen [Bakker]. Klicken Sie auf den Link für genauere Informationen zum Job Demands-Resources Modell.

  • Arbeitsanforderungen beinhalten alles, womit Mitarbeitende durch ihre Arbeit konfrontiert werden, also beispielsweise neue Aufgaben, lange Arbeitszeiten, die Zusammenarbeit mit Kollegen/innen, Kundengespräche, Abgabefristen und so weiter.
  • Ressourcen können alles sein, was dem Mitarbeitenden hilft seine Ziele zu erreichen. Dies kann soziale Unterstützung sein durch die Führungskraft, eigene Fähigkeiten wie zum Beispiel eine gute Merkfähigkeit, Autonomie durch viel Entscheidungsspielraum oder eine positive Arbeitsumgebung durch gute Stimmung im Unternehmen.

Es gibt verschiedene Strategien Überforderung vorzubeugen. Bevor diese Strategien vorgestellt werden, wird zunächst aufgezeigt, warum dieses Thema für die Gesundheit und Produktivität der Mitarbeitenden sowie der Organisation so wichtig ist.

Warum ist es wichtig als Arbeitgeber auf Überforderung zu achten?

Eine Studie der Bertelsmann Stiftung und der BARMER GEK [Böcken] zeigt, dass Mitarbeitende zunehmend von Überforderung betroffen sind. Ein Viertel gab in einer Befragung an, den zu erledigenden Aufgaben auf Dauer nicht gewachsen zu sein. Dabei nehmen Mitarbeitende auch selbstschädigendes Verhalten in Kauf, in dem sie beispielsweise Pausen streichen oder viel Rauchen oder Kaffee trinken, um sich wach zu halten. Die Überforderung entsteht laut Angaben der Befragten durch die wachsenden Anforderungen im Unternehmen. Es ist vor allem wichtig Überforderung zu verhindern, um deren negative Folgen zu vermeiden. Im Folgenden wird aufgezeigt, welche das sein können.

Was sind die Folgen von Überforderung?

Wie jede dauerhafte Belastung verursacht Überforderung psychischen und physischen Stress. Bei anhaltender Belastung über einen längeren Zeitraum kann es zu einer Reihe von ernsten gesundheitlichen Folgen kommen [Nerdinger]. Die häufigsten Auswirkungen sind unter anderem [vgl. Faltmaier]:

  • generelle Beeinträchtigungen des Wohlbefindens
  • psychosomatische und psychische Störungen, z.B. Magen-Darm-Krankheiten, Hautkrankheiten, Schlafstörungen oder Depressionen
  • Bluthochdruck und Herz-Kreislauf-Krankheiten
  • Burnout

Warum betrifft das mich als Arbeitgeber?

Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers ergibt sich als Nebenpflicht des Arbeitsverhältnisses aus §§ 617 bis 619 BGB. Diese beinhaltet unter anderem die Sorgfaltspflicht, die den Arbeitnehmer beispielsweise vor Überforderung oder Überanstrengung schützen soll. Neben der gesetzlichen Grundlage zum Schutz der Arbeitnehmer, liegt es allerdings auch im ureigenen Interesse einer Organisation, die Gesundheit ihrer Mitarbeiter sicherzustellen. Gesunde, produktive und motivierte Mitarbeitende sind die Basis jeder erfolgreichen Organisation und tragen wesentlich zur Erfüllung organisationaler Ziele und der Unternehmensaufgabe bei [Kauffeld]. Auch unter finanziellen Aspekten zahlt sich ein achtsamer und gesundheitsförderlicher Umgang mit Ihrer Belegschaft aus. Überforderung führt vermehrt zu psychischen Krankheiten, welche einen zunehmend großen Anteil an Fehlzeiten und krankheitsbedingten personellen Engpässen haben. Gesunde und zufriedene Mitarbeiter haben weniger Fehlzeiten, sind motivierter und produktiver bei der Arbeit und handeln mehr im Sinne der Organisation [FZR].

Was kann ich als Arbeitgeber dagegen tun?

Überforderung vermeiden

Am besten ist es, Überforderung im Vorhinein zu vermeiden und durch geeignete Maßnahmen zu verhindern. Dafür ist es wichtig die einzelnen Stärken, Schwächen, Fähigkeiten und Kenntnisstände der Mitarbeitenden zu kennen und die Aufgabenverteilung daran anzupassen. Nur wer seine Mitarbeitenden kennt, kann ihre Produktivität und Gesundheit sicherstellen. Nutzen Sie dafür Mitarbeitergespräche und geeignete Qualifizierungsmaßnahmen, um Mitarbeitende optimal auf Ihre beruflichen Aufgaben vorzubereiten. Nicht nur fehlende oder unzureichende Qualifikationen der Mitarbeitenden können zu Überforderung führen, sondern auch ungesunde Ansprüche an die eigene Leistungsfähigkeit und ein intransparenter Umgang mit eigenen Wissenslücken und Schwächen (lesen Sie hier mehr zum Thema Transparenz). Wenn wir nicht die möglichen Ressourcen oder Fähigkeiten haben, um eine Aufgabe zu bewältigen, müssen wir das offen kommunizieren und uns entweder das notwendige Wissen aneignen oder die Aufgabe ablehnen oder weitergeben. Der Umgang mit Überforderung ist also ein entscheidender Faktor. An dieser Stelle haben Führungskräfte eine Vorbildfunktion und üben einen großen Einfluss darauf aus, ob Mitarbeitende ihre Wissenslücken offen kommunizieren oder so lange verschleiern, bis ihr eigenes Wohlbefinden beeinträchtigt ist und Organisationsaufgaben ggf. nicht erfüllt werden können. Lesen Sie hier mehr zum persönlichen Umgang mit Überforderung.

Überforderung erkennen

Wenn es bereits zu einer Überforderung gekommen ist, gilt es diese so schnell wie möglich zu erkennen und den Mitarbeiter zu entlasten. Im Handout auf der rechten Seite finden Sie eine Auswahl an möglichen Warnsignalen, um Überforderung zu erkennen und entsprechend handeln zu können.

Überforderung beheben

Nicht nur zur Vorbeugung, sondern auch bei akuter Überforderung sind Mitarbeitergespräche der erste Schritt, um geeignete Maßnahmen einzuleiten. Suchen Sie das Gespräch und finden Sie heraus, wie der Mitarbeitende entlastet werden kann. Im Grunde gibt es dafür zwei zentrale Möglichkeiten: Die Anforderungen müssen an die Fähigkeiten des Mitarbeiters angepasst und ggf. gesenkt werden oder der Mitarbeitende muss entsprechend der Anforderungen besser qualifiziert werden bzw. seine Ressourcen müssen erhöht werden.

Anforderungen anpassen

Ressourcen erhöhen

Transformationale Führung

Weiterführende Quick Wins, Ideen und Impulse?

In Gesprächen mit Mitarbeitenden, Führungskräften und Experten aus der Praxis wurden zusätzliche Ideen und Impulse gesammelt. Diese spiegeln somit persönliche Erfahrungen aus der Praxis wieder, die nicht per se wissenschaftlich gesichert sind. Gern können Sie diese Ideen und Impulse als zusätzliche Inspiration nutzen.

  • Lassen Sie Ihre Mitarbeitenden partizipieren und an Entscheidungen zu ihren Arbeitsaufgaben teilhaben. So stellen Sie eine gute Passung zwischen Fähigkeiten und Aufgaben sicher. Lesen Sie hier mehr zum Thema "Partizipation".
  • Schaffen Sie genügend Raum für Erholungszeiten und Entspannung. Das verhindert im Zweifel keine Überforderung, fördert allerdings die generelle Gesundheit und das Wohlbefinden Ihrer Mitarbeitenden und kann die Folgen von Überforderung abmildern. Lesen Sie hier mehr zum Thema "Entspannung".
  • Dieser Artikel schlägt weitere Maßnahmen vor, um die generelle Belastung der Mitarbeitenden zu senken.

Literatur

[] Badura, B., Ducki, A., Schröder, H., Klose, J., & Meyer, M. (Eds.). (2018). Fehlzeiten-Report 2018: Sinn erleben-Arbeit und Gesundheit. Springer-Verlag.

[] Bakker, A. B., & Demerouti, E. (2014). Job demands–resources theory. Wellbeing: A complete reference guide, 1-28.

[] Böcken, J., Braun, B., & Meierjürgen, R. (Eds.). (2015). Gesundheitsmonitor 2015: Bürgerorientierung im Gesundheitswesen-Kooperationsprojekt der Bertelsmann Stiftung und der BARMER GEK. Verlag Bertelsmann Stiftung.

[] Dudenredaktion (Hrsg.). (2019). Überforderung. Duden online. Abgerufen von https://www.duden.de/rechtschreibung/ueberfordern

[] Faltermaier, T. (2005). Gesundheitspsychologie. Stuttgart: Kohlhammer.

[] Kaluza, G. (2018). Gelassen und sicher im Stress: Das Stresskompetenz-Buch: Stress erkennen, verstehen, bewältigen. Springer-Verlag.

[] Kauffeld, S. (2019). Arbeits-, Organisations-und Personalpsychologie für Bachelor. Springer.

[] Nerdinger, F. W., Blickle, G., Schaper, N., & Schaper, N. (2008). Arbeits-und Organisationspsychologie (Vol. 429). Heidelberg: Springer.

[] Schulte, E.-M., Wittner, B., & Kauffeld, S. (2019). Ressourcen und Anforderungen in der Arbeitswelt umfassend messen: Entwicklung und Validierung eines Fragebogens (ReA). Manuskript in Vorbereitung.