Emotionsarbeit - Was können Arbeitgeber tun?

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Was ist Emotionsarbeit?

Emotionsarbeit bedeutet, dass eine Person bei der Arbeit bestimmte Gefühle zeigen soll, wenn sie in Kontakt mit anderen (außenstehenden) Personen tritt. An die Person wird diese Erwartungshaltung gestellt und sie sollte z. B. ihre Mimik, Gestik sowie ihre Stimme daran anpassen. Dabei kann es sein, dass das gezeigte Gefühl nicht mit dem eigentlichen Gefühl der Person übereinstimmt. Die eigenen Emotionen werden also kontrolliert, sodass ein Gefühl zum Ausdruck gebracht wird, unabhängig davon, ob dies mit den eigenen inneren Empfindungen übereinstimmt oder nicht. [1]

Beispiel: Von einer Stewardess wird ein freundliches, lächelndes Auftreten von Flugpassagieren erwartet. Stewardess A ist in Realität allerdings durch eine private Angelegenheit unzufrieden und ihr ist eigentlich nicht zum Lächeln zumute. Dennoch lächelt sie viel, weil dies von ihr erwartet wird.

Es lassen sich fünf Aspekte der Emotionsarbeit feststellen:

  • Ausdruck positiver Gefühle
  • Ausdruck negativer Gefühle, Umgang mit negativen Gefühlen
  • Wahrnehmung von Gefühlen anderer
  • Interaktionsspielraum: Einfluss auf die Interaktion mit dem Kunden/Klienten
  • Emotionale Dissonanz (Ausdruck positiver Gefühle, trotzdessen man gar nichts oder etwas anderes empfindet)

Warum ist es wichtig, auf Emotionsarbeit zu achten?

Emotionsarbeit ist Bestandteil in vielen Dienstleistungsberufen. Mehr als 50% der in europäischen Ländern Beschäftigten arbeiten in Dienstleistungsberufen (Paoli, 1997). Sie interagieren mit Kunden, wodurch sich kognitive, soziale und auch emotionale Arbeitsanforderungen ableiten lassen. Diese liegen dann meist nicht im Ermessen des Arbeitnehmers, sondern werden vom Arbeitgeber und von z. B. Kunden erwartet.
Die meist positiven Emotionen, die in der Folge von den Beschäftigten gezeigt werden, können als Quelle von Stress gesehen werden, weil die tatsächlichen Gefühle nicht mit den gezeigten Gefühlen übereinstimmen (emotionale Dissonanz). In einer Studie wurde zudem herausgefunden, dass Substanzmissbrauch, Kopfschmerzen, Absentismus und sexuelle Störungen mit der Emotionsarbeit von Flugbegleitern und Fahrkartenkontrolleuren zusammenhängen (Hochschild, 2000).
Die oben genannten Aspekte der Emotionsarbeit gehen alle mit emotionaler Erschöpfung einher. Auf der anderen Seite geht die Häufigkeit des Zeigens positiver Gefühle und das Wahrnehmen der Gefühle anderer mit einem positiven Gefühl der Leistungserfüllung einher. Die negativsten Auswirkungen bringt die emotionale Dissonanz. Eine Folge kann beispielsweise Burnout sein. Dies ist auch für den Arbeitgeber mit stark negativen Konsequenzen, z. B. im Falle einer vorübergehenden Arbeitsfähigkeit des Beschäftigten, verbunden. Um die negativen Auswirkungen zu minimieren oder diesen entgegenzuwirken, ist es für Unternehmen wichtig, auf Emotionsarbeit und dessen Auswirkungen zu achten. Es ist im Sinne des Unternehmens, die Beschäftigten bei der Emotionsarbeit zu unterstützen und somit langfristig deren psychische Gesundheit aufrecht zu erhalten.

Was kann das Unternehmen tun?

Durch soziale Unterstützung kann das Unternehmen helfen, die Beschäftigten vor emotionaler Erschöpfung zu schützen. Im Zusammenhang mit Emotionsarbeit helfen verschiedene organisationale Interventionsmaßnahmen, welche die Emotionsarbeit nicht reduzieren, jedoch deren Bedingungen optimieren. Diese Maßnahmen konzentrieren sich auf

  • die emotionalen Anforderungen,
  • die stressauslösenden Situationen (Stressoren) und
  • die Energiequellen (Ressourcen).


1. Anpassung emotionaler Anforderungen: Emotionale Anforderungen an den Beschäftigten können verringert werden, z. B. durch Job Rotation oder Teilzeitanstellungen. Bei der Job Rotation werden Arbeitsaufgaben zwischen verschiedenen Beschäftigten getauscht, d. h. Stellen regelmäßig gewechselt. Dies geht mit einer höheren Zufriedenheit einher (Huang, H. J. (1999). Job rotation from the employees’ point of view. Research and Practice in Human Resource Management, 7(1), 75-85). Beispiel: Frau R. ist einem Lebensmittelmarkt an der Kasse eingesetzt. Hier muss sie viel Emotionsarbeit leisten, z. B. lächeln und freundlich sein. Frau R. hilft es sehr, dass sie nicht immer an der Kasse sitzt, sondern in regelmäßigen Abständen im Kühllager neuangekommene Ware verräumen muss. Hier ist keine Emotionsarbeit erforderlich, was Frau R. entlastet. Seit Neuestem arbeitet Frau R. in Teilzeit. Somit ist der Anteil der Zeit, in der sie an der Kasse arbeitet und Emotionsarbeit leisten muss, noch geringer. Häufig kann sie daher die Gefühle zeigen, die sie tatsächlich empfindet und es kommt zu deutlich weniger emotionaler Erschöpfung durch emotionale Dissonanz.

2. Vermeidung von Stressoren: Viele Stressoren und deren Auswirkungen können durch bestimmte Arbeitsgestaltungsmaßnahmen reduziert/verhindert werden. Beispiel: Die KundInnen eines Schnellrestaurants sind aufgrund langer Wartezeiten verärgert. Hier ist die Anforderung an die Beschäftigten gestellt, freundlich und ruhig zu bleiben, obwohl sie tatsächlich aber vielleicht eher unruhig und genervt sind. Es resultiert emotionale Dissonanz, die emotionale Erschöpfung bewirkt. Welche Maßnahmen können durch den Arbeitgeber nun ergriffen werden? Zum Beispiel:

  • Einsatz von ausreichend Personal, um lange Wartezeiten zu verhindern
  • Schulungen für Beschäftigte, damit diesen keine Informationen fehlen und KundInnen daraufhin nicht in Wut ausbrechen können.

Eine weitere Möglichkeit, emotional belastende Situationen zu reduzieren, ist die Erhöhung des Handlungsspielraums. Dazu zählen z. B. die individuelle Gestaltung des zeitlichen Ablaufs, der Entscheidungsspielraum und die Art der Aufgabenbearbeitung (z. B. schriftlich vs. nicht-schriftlich). Ein erhöhter Handlungsspielraum kann eine Schutzfunktion bieten und emotionale Erschöpfung vorbeugen.

3. Stärkung von Ressourcen: Trotz Maßnahmen, um Stressoren zu verringern oder zu verhindern, werden einige Stressoren weiterhin auftreten. Eine Möglichkeit, mit diesen besser umgehen zu können, ist die Stärkung der eigenen Ressourcen. Als Ressourcen werden hier Fähigkeiten, Fertigkeiten (z. B. Kommunikationsfähigkeit) und Energiequellen (z. B. ein hilfsbereites Kollegium) gesehen. Fähigkeiten und Fertigkeiten können im Rahmen von Schulungen und Trainings ausgebaut werden. Beispielsweise können Kommunikationstrainings der oben beschriebenen Frau R. helfen, um in angemessener Weise mit verärgerten Kunden zu kommunizieren. Die Energiequellen können individuell betrachtet und genutzt werden. Langfristig sollte das Ziel sein, die Energiequellen zu stärken und die Energieräuber in ihrem Auftreten zu minimieren. Es sollte mindestens ein Gleichgewicht zwischen Energiequellen und Energieräubern vorliegen, im Idealfall sogar ein Übergewicht an Energiequellen. Auf dem folgenden Arbeitsblatt können Sie ihre eigenen Energiequellen und Energieräuber reflektieren: Media:01_Übung_Energiequellen_und_Energieräuber.pdf

Weiterführende Tipps für Unternehmen

In Gesprächen mit Mitarbeitenden, Führungskräften und Experten aus der Praxis wurden zusätzliche Ideen und Impulse gesammelt. Diese spiegeln somit persönliche Erfahrungen aus der Praxis wieder, die nicht per se wissenschaftlich gesichert sind. Gern können Sie diese Ideen und Impulse als zusätzliche Inspiration nutzen.

  • Offene Tür beim Vorgesetzten und Bereitschaft für Gespräche über die Anforderungen der Emotionsarbeit und dem Umgang mit dieser
  • MA-Gespräche in geregelten Zeitabständen (eventuell auch mit der Teamleitung) über die Anforderungen der Emotionsarbeit und dem Umgang mit dieser
  • Sozialberatung/ wöchentliche psychologische Sprechstunde im Unternehmen, um mit einer neutralen Person über die Anforderungen der Emotionsarbeit und den Umgang mit dieser sprechen zu können und sich Hilfe zu holen
  • Vorleben & Akzeptanz der Führungskraft von Gesundheitsmaßnahmen, um emotionaler Erschöpfung entgegenzuwirken
  • Mitarbeiter für Emotionsarbeit sensibilisieren und aufklären
  • Einzelne gezielte Aktionen (z.B. Entspannungsmaßnahmen) für kleine, bestimmte Gruppen anbieten
  • Vorgesetzte auf individuelle Maßnahmen hinweisen, die in den Arbeitsalltag integriert werden können und Vorgesetzte sollten Arbeitszeit für solche Maßnahmen zur Verfügung stellen

Der Person-Job-Fit und seine wichtige Rolle bei Personalentscheidungen

Er ist definiert als die Passung zwischen den Fähigkeiten einer Person und den Ansprüchen des Jobs oder den Wünschen einer Person und den Aufgaben des Jobs. Beim Person-Job Fit soll unter allen sich Bewerbenden die Person gefunden werden, die die nötigen Fertigkeiten, Fähigkeiten und das geforderte Wissen für die zu besetzende Stelle aufweist. Deshalb spielt der Person-Job Fit eine zentrale Rolle bei Personalentscheidungen. Die generelle Arbeitszufriedenheit wird am meisten vom Person-Job Fit beeinflusst. Darum ist es wichtig, die am besten geeignetste Person für eine Stelle zu finden. Dies garantiert langfristig eine hohe Arbeitszufriedenheit. [5]

Beispiel: Ein Kleidungsgeschäft sucht einen neuen Kundenberater. Mit den Bewerbern wird eine Alltagssituation aus dem Geschäft nachgestellt, bei der der Bewerber in die Rolle des Kundenberaters schlüpft. Der Kunde ist dabei ein Schauspieler und beschwert sich u. a. über die unaufgeräumten Umkleidekabinen. Es sind zwei Bewerber eingeladen. Neben vielen weiteren Dingen wird während der Simulation beobachtet, inwiefern die Mitarbeitenden fähig sind, Emotionsarbeit zu leisten und beispielsweise freundlich zu bleiben, obwohl sie durch einen pöbelnden Kunden wütend sind. Es werden zwei Bewerber eingeladen:

  • Bewerber A fühlt versucht freundlich zu bleiben. Dennoch ist offensichtlich, dass er unzufrieden mit der Situation und sauer auf den Kunden ist. Dies spürt auch der „Schauspiel-Kunde“ und verlässt den Laden unumgehend.
  • Bewerber B bleibt sehr freundlich und ist verständnisvoll. Der „Schauspiel-Kunde“ beruhigt sich so schnell wieder und bleibt noch eine Weile im Laden.

In diesem Beispiel passen die Fähigkeiten in Bezug auf die Emotionsarbeit deutlich besser mit Bewerber A überein. Bewerber B wird aufgrund seiner mangelnden Emotionsarbeits-Fähigkeit nicht eingestellt.


Literatur

[1] Kauffeld, S., & Martens, A. (2014). Arbeitsanalyse und -gestaltung. Arbeits-, Organisations- und Personalpsychologie für Bachelor (S. 211-240), (S. 290-291). Heidelberg: Springer.
[2] Nerdinger, F. (2012). Emotionsarbeit im Dienstleistungsbereich. Report Psychologie, 37, 1, 8-18.
[3] Schulz, A. & Schöllgen, I. (2017). Emotionsarbeit – Ein Review zu Gestaltungsaussagen. Zeitschrift für Arbeitswissenschaft, 71, 26-38.
[4],[5] Kauffeld, S., & Martens, A. (2014). Arbeitsanalyse und -gestaltung. Arbeits-, Organisations- und Personalpsychologie für Bachelor (S. 291). Heidelberg: Springer.