Rollenklarheit - Was können Sie persönlich für sich tun?

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Was ist Rollenklarheit?

Überlegen Sie kurz: Welche Rollen erfüllen sie persönlich im Alltag? Kollege, Führungskraft, Mutter/ Vater, Sohn/ Tochter, Partner, Freund/ Freundin, …

Je länger Sie nachdenken, desto mehr Rollen werden Ihnen vermutlich einfallen. Grob können Rollen wie folgt einsortiert werden:

  • Berufsrollen: Pflegefachkraft, Laborant/in, Ingenieur/in, Arzt/Ärztin, Polizist/in, Lehrer/in, ...
  • Rangrollen: Auszubildende/r, Geselle/in, Vorgesetzte/r, ...
  • Rollen im Privatleben: Ehepartner/in, Elternteil, Vereinsangehörige/r, gute/r Freund/in
  • Das heißt, dass wir alle in unterschiedlichen Kontexten unterschiedliche Rollen einnehmen. Jede Rolle ist mit bestimmten Erwartungen verknüpft und hat Rechte sowie Pflichten. Zudem sollten sich Rollen untereinander ergänzen und sind somit aufeinander angewiesen. Denken Sie zum Beispiel an einen Bauleiter und Handwerker: Unabhängig davon, welche Person diese Rolle ausfüllt, sind bestimmte Erwartungen mit der Rolle verbunden. Und damit Erfolg möglich ist, müssen die Rollen gut aufeinander abgestimmt sein.
    Rollenklarheit bedeutet demnach, dass (a) jeder seine/ihre eigenen Rollen kennt und weiß was von ihm/ ihr erwartet wird sowie (b) auch jeder weiß, was er/sie von anderen erwarten kann. Sie wissen also, wer in Ihrem Team bzw. Ihrer Organisation wofür zuständig ist, wer welche Themen bearbeitet und wer für welche Themen spezialisiert ist [1], [2].

    Warum ist Rollenklarheit wichtig?

    Studien belegen, dass eine hohe Rollenklarheit zu mehr Wohlbefinden führt [2], [3] und – im Gegensatz dazu – Rollenkonflikte die Gefahr für Depressionen verstärken und den Einsatz der Beschäftigten für die eigene Organisation abschwächen [4], [5]. Eine weitere positive Folge der Rollenklarheit zeigt sich in klarer Gestaltung von sozialen Beziehungen, da klare Verhältnisse in der jeweiligen Situation (beispielsweise zwischen Führungskraft und Mitarbeitenden) geschaffen werden [6].

    Studien aus Luxemburg fassen die Kette sehr übersichtlich zusammen: Rollenklarheit wirkt positiv auf das Wohlbefinden, welches wiederum positiv mit der Arbeitszufriedenheit, -sicherheit und dem wahrgenommenem Respekt zusammenhängt. Gleichzeitig werden Stress, Mobbing und Burnout reduziert [7], [8].

    Auch Motivation und Partizipation nehmen zu, wenn Aufgaben- und Verantwortungsbereiche klar definiert sind [7], [8].

    Warum hat Rollenklarheit so weitreichende Effekte?

    • Sind Rollen und damit verbundene Erwartungen nicht klar definiert, kommt es zu Problemen und Missverständnissen, so dass Konflikte entstehen.
    • Klar definierte Rollen helfen mir selbst hingegen zu beurteilen, ob meine eigene Leistung dem entspricht, was von mir erwartet wird [9]. So kann ich bei Bedarf an meinem Verhalten etwas ändern oder mir dafür Unterstützung holen.
    • Wenn die Rollen anderer klar sind, weiß ich, was ich erwarten kann bzw. welches Verhalten auf mich zukommt. Das gibt Sicherheit.

    Warum gibt es dennoch so viele Rollenkonflikte?

    Die Gründe sind vielfältig: Widersprüchliche oder fehlende Informationen, nicht zu vereinbarende oder unklare Anforderungen oder rollenbezogene Überforderung sind wichtige Beispiele [5], [10], [11]. Die folgende Abbildung gibt einen Überblick. Im Zentrum der Beispiele steht immer Herr M. (auch „Rollenträger“ genannt). Die unterschiedlichen Bilder um Herrn M. veranschaulichen seine zahlreichen Rollen: Herr M. ist berufstägig, hat eine Familie, fliegt gern in den Urlaub und spielt in seiner Freizeit Fußball. Wie können Rollenkonflikte hier entstehen?


    1. Der Inter-Sender-Konflikt: 2. Der Intra-Sender-Konflikt: 3. Der Inter-Rollen-Konflikt: 4. Der Person-Rollen-Konflikt:
    Zwei Personen (Rollensender) stellen unvereinbare Forderungen an den Rollenträger.
    Beispiel: Die Führungskraft (Rollensender 1) von Herrn M. (Rollenträger) wünscht eine zügige Abwicklung eines Personalentwicklungsprojekts, da dieses unrentabel ist. Der betreffende Kunde (Rollensender 2) wünscht eine enge Beratung durch Herrn M., die für diesen allerdings einen hohen Zeitaufwand bedeutet. In diesem Beispiel gibt es also zwei Personen aus dem beruflichen Bereich, die einen Rollenkonflikt bei Herrn M. auslösen [2].
    Eine Person stellt widersprüchliche Anforderungen an den Rollenträger.
    Beispiel: Die Führungskraft von Herrn M. beauftragt ihn mit einer Präsentation bei der anstehenden Betriebsversammlung. Diese wird bereits in der kommenden Woche mit wichtigen Teilnehmenden stattfinden, weshalb die Präsentation nach Aussage der Führungskraft oberste Priorität bekommt und andere Aufträge zurückgestellt werden müssen. Einen Tag später erfährt Herr M. von seiner Führungskraft, dass er sie ab sofort bei einem mehrtägigen Termin mit einem wichtigen Kunden vertreten soll. Auch hier ist demnach nur der berufliche Bereich betroffen – in diesem Fall sogar nur eine weitere Person [2].
    Es gibt einen Rollenträger, der unterschiedliche, miteinander nicht vereinbare Rollen erfüllen muss.
    Beispiel: Herr M. hat aktuell sehr viel zu tun - durch umfangreiche Arbeitsprojekte bleiben Überstunden nicht aus. Der weite Weg zu seinem Arbeitsplatz kostet ihn täglich zusätzlich viel Zeit, wodurch er nur sehr wenig Freizeit hat. Seine Ehefrau wünscht sich mehr Unterstützung seinerseits im Haushalt und bei der Pflege des Opas, da sie selbst sich beruflich fortbilden möchte. In diesem Beispiel liegt der Konflikt also zwischen Rollen aus unterschiedlichen Lebensbereichen – Arbeit und Beruf scheinen nicht gut vereinbar zu sein [2].
    Die Anforderungen der Rolle stehen im Konflikt zu den Werten des Rollenträgers.
    Beispiel: Herrn M. ist Offenheit und Ehrlichkeit sehr wichtig. Er möchte immer, dass seine Kollegen wissen, woran Sie sind. Allerdings wurde ihn nun untersagt, Informationen zur geplanten Umstrukturierung weiterzugeben – obwohl dies für einzelne Kollegen mit einer Versetzung in ein anderes Bundeland verbunden ist [2].
    Inter-Sender-Konflikt © Präventa
    Intra-Sender-Konflikt © Präventa
    Inter-Rollen-Konflikt © Präventa
    Person-Rollen-Konflikt © Präventa


    Möglichkeiten Rollenklarheit für sich zu schaffen

    Reflexion der eigenen Rollen

    Um mögliche Konflikte aufzudecken ist es wichtig die eigenen Rollen zu reflektieren [6]. Dabei sollte der Arbeitsalltag wie auch der private Alltag betrachtet werden. So wird aufgedeckt, welche Erwartungen an die einzelnen Rollen geknüpft sind und eine Reflexion der eigenen Erwartungen und Werte wird ermöglicht.

    Im Folgenden stellen wir Ihnen mit der "Systemblüte" und „Mein Stressmanhattan“ zwei mögliche Ansätze vor, um Ihre eigenen Rollen und damit verbundene Anforderungen zu reflektieren. Schauen Sie sich beide Übungen kurz an und überlegen Sie, welche besser zu Ihnen passt. Nutzen Sie anschließend den Abschnitt "Fazit und nächste Schritte" zur weiteren Planung Ihres Vorgehens.

    Option 1: Übung Systemblüte

    Arbeitsblatt Systemblüte
    Handout Systemblüte, Bild: Pixabay

    Die Übung „Systemblüte“ ist ein Tool zur persönlichen Bestandsaufnahme. Es geht also darum, herauszufinden, wo Sie gerade stehen und welche Rollen zu Ihrer Person gehören.

  • In welchen Systemen bewegen Sie sich?
  • Wie viel Raum nehmen diese ein?
  • Wie sehr fühlen Sie sich von der Ausführung dieser Rolle aktuell beansprucht?
  • Wie gut passen die Rollen zusammen? Fallen Ihnen die Übergänge zwischen den Rollen leicht oder eher nicht?
  • Sie können sich auf diese Weise veranschaulichen, welche Anliegen und Aufträge mit den jeweiligen unterschiedlichen Rollen einhergehen.

    Dieses Video leitet Sie durch die Übung. Außerdem haben wir ein Handout mit zugehörigem Arbeitsblatt zu der Systemblüte vorbereitet, das bei der Durchführung der Übung helfen soll. Es können somit Ansatzpunkte für Veränderungen identifiziert werden. Mit dieser Selbstanalyse wird das Ziel verfolgt, die eigene (innere) Motivation zu entdecken, um Frust zu vermeiden und die Zufriedenheit zu erhöhen [12], [13].


    Mein Stressmanhattan, © Präventa

    Option 2: Übung Stressmanhattan

    Als Alternative zur Systemblüte können Sie auch die Reflexionsübung Stressmanhatten nutzen. Nutzen Sie dafür das Arbeitsblatt zum Stressmanhattan.

    Meine Rollen: Fazit & nächste Schritte

    Arbeitsblatt Fazit und nächste Schritte, © Präventa

    Nachdem Sie nun Ihre derzeitigen Rollen im beruflichen und privaten Bereich sowie Ihre Zufriedenheit mit diesen reflektiert haben, hilft Ihnen das folgende Arbeitsblatt dabei ein Fazit zu ziehen und ihre nächsten Schritte zu planen. Wenn Sie sich zudem Anregungen wünschen, um Ihre Ziele und nächsten Schritte möglichst so zu formulieren, dass Sie es gut in Handlung umsetzen können, schauen Sie hier.

    Die so erfolgte Reflexion und den daraus entstandenen Plan für Ihre nächsten Schritte können Sie dann sehr gut als Basis für Gespräche mit Ihren Kollegen oder Ihrer Führungskraft nutzen.

    Quellen

    [1] Schulte, E.-M., Wittner, B., & Kauffeld, S. (2021). Ressourcen und Anforderungen (ReA) in der Arbeitswelt: Entwicklung und erste Validierung eines Fragebogens. Gruppe. Interaktion. Organisation. Zeitschrift für Angewandte Organisationspsychologie (GIO), 52, 405-415.
    [2] Kauffeld, S., Ochmann, A., & Hoppe, D. (2019). Arbeit und Gesundheit. In S. Kauffeld (Ed.), Arbeits-, Organisations- und Personalpsychologie für Bachelor (3rd ed., pp. 305–358). Berlin: Springer.
    [3] Parker, S. K., Knight, C., & Ohly, S. (2017). The changing face of work design research: Past, present and future directions. The SAGE handbook of human resource management, 402-413.
    [4] Schmidt, S., Roesler, U., Kusserow, T., & Rau, R. (2014). Uncertainty in the workplace: Examining role ambiguity and role conflict, and their link to depression—a meta-analysis. European Journal of Work and Organizational Psychology, 23(1), 91-106.
    [5] Morrissette, A. M., & Kisamore, J. L. (2020). A Meta-Analysis of the Relationship between Role Stress and Organizational Commitment: the Moderating Effects of Occupational Type and Culture. Occupational Health Science 4, 23–42. https://doi.org/10.1007/s41542-020-00062-5.
    [6] Scherrmann, U. (2015). Prophylaxe: Führungskräfte in der Verantwortung (pp. 105-138). In U. Scherrmann (Ed.), Stress und Burnout in Organisationen: Ein Praxisbuch für Führungskräfte, Personalentwickler und Berater. Berlin: Springer.
    [7] Sischka, P. & Steffgen, G. (2017). Quality of Work Index: Wohlbefinden von Arbeitnehmern in Luxemburg. Better Work. Université du Luxembourg.
    [8] Sischka, P. & Steffgen, G. (2017). Quality of Work Index: 3. Forschungsbericht zur Weiterentwicklung des Arbeitsqualitätsindexes in Luxemburg. Working Paper Inside. Université du Luxembourg. https://www.csl.lu/bibliotheque/publications/201735c93e.pdf
    [9] Weinert, A. B. (2004). Organisations- und Personalpsychologie, 5. Aufl. Weinheim: Beltz.
    [10] Kahn, R. L., Wolfe, D. M., Quinn, R. P., Rosenthal, R. A. & Snoek, J. D. (1964). Organizational Stress: Studies in Role Conflict and Ambiguity. New York: Wiley.
    [11] Bauer, J. C., & Simmons, P. (2000). Role ambiguity: A review and integration of the literature. Journal of Modern Business, 3, 41-47.
    [12] Handwerk.com (o. D.). Persönlichkeitstest Systemblüte - so geht's. Abgerufen 30.08.20 https://www.handwerk.com/persoenlichkeitstest-systembluete-so-gehts

    [13] Deufel A. (2014). Studium, Beruf, Baby – und dann?. In C. Lieser (Ed.), Praxisfelder der systemischen Beratung. Wiesbaden: Springer VS.

    Bildquellen


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