Partizipation – Was können Arbeitgeber tun?

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Was ist Partizipation?

Partizipation bedeutet, dass die Meinungen der Mitarbeitenden bei Entscheidungen gehört und mit einbezogen werden. Dabei wird diese ernsthaft bedacht [1] und ermöglicht so den Arbeitnehmern, an für sie relevante Unternehmensentscheidungen teilzuhaben [2].

Warum ist es wichtig auf Partizipation zu achten?

Partizipation spielt sowohl bei kleineren Entscheidungen im Alltag als auch insbesondere im sogenannten Change Management eine Rolle – dem Umgang mit Wandel in Organisationen. Die Einbindung der Mitarbeiter in die Entscheidungen kann dabei helfen, dass sie kleine Änderungen aber auch einen größeren Wandel im Unternehmen besser akzeptieren und mittragen sowie im optimalerweise aktiv gestalten. Werden Entscheidungen hingegen über ihren Kopf hinweg getroffen, führt dies zu Widerstand gegenüber den aufgezwungenen Veränderungen [Quelle].
Arbeitnehmer in Entscheidungsprozesse einzubinden verfolgt somit zwei Ziele: einerseits wird durch die Unterstützung von Änderungen die Leistungsfähigkeit des Unternehmens erhöht und andererseits die Arbeitswelt menschen- und arbeitnehmergerechter. Dadurch erhöht sich zusätzlich auch die Motivation der Mitarbeiter und es wird eine gleiche Wissensbasis für alle geschaffen [3].

Was kann für Partizipation gemacht werden?

Hier finden Sie zunächst eine Übersicht einiger Formen von Partizipation – überlegen Sie, was davon zu Ihnen und Ihrer Organisation am besten passt. Anschließend werden konkrete Maßnahmen zur Förderung von Partizipation aufgeführt.

Formen von Partizipation

Geteilte Führung (Shared Leadership)

Eine Form der Partizipation, die in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen hat, ist das sogenannte Shared Leadership bzw. geteilte Führung. Dabei geht es darum, dass sich die Mitglieder einer Gruppe gegenseitig führen. Einige oder sogar alle Mitglieder übernehmen somit die Führungsaufgaben. Durch diese geteilte Führung kann den neuen Anforderungen der Arbeitswelt besser begegnet werden. Die gestiegene Flexibilitätserwartung kann erfüllt werden, wenn Gruppenmitgliedern Verantwortung übertragen wird, um sich selbst zu organisieren und ihre jeweiligen Stärken einzubringen. So können komplexere Aufgaben bewältigt werden, bei denen traditionelle Führung allein nicht ausreichen würde [4]. Dadurch empfinden sich die Gruppen als effektiver und der Zusammenhalt sowie das gegenseitige Vertrauen wachsen. Darüber hinaus sinkt die Zahl der Konflikte. Geteilte Führung soll die vertikale Führung von oben dabei keinesfalls ersetzen, sondern ist eher als Ergänzung dazu zu sehen [5]. Mitarbeitende können so ihre Arbeitsumgebung besser mitgestalten, mehr Verantwortung übernehmen und persönliche Stärken gezielter einsetzen. Dafür ist es wichtig sich untereinander regelmäßig auszutauschen [7].
Ein Beispiel: Sie haben ein Projekt, welches Sie und Ihr Team bearbeiten müssen. Hier können die Mitglieder gut als Experten für die jeweiligen Aufgabenbereiche fungieren und so ihre Fähigkeiten und Wissensbestände optimal einsetzen. Indem Ihr Team die meisten Entscheidungen selbst untereinander trifft und sich gegenseitig führt, wird es zu Höchstleistungen angespornt und macht so einen Projekterfolg wahrscheinlich.

Beratende Partizipation (Consultative Participation)

Beratende Partizipation kommt dann zum Tragen, wenn Mitarbeiter durch Meetings, spezielle Teams zur Problemlösung oder Qualitätszirkel einen direkteren Draht zum Management haben und so mehr Einfluss auf organisationale Prozesse nehmen. Sie werden mehr in das Unternehmensgeschehen einbezogen und nehmen dadurch neben der Rolle als Mitarbeiter auch eine Rolle als Berater ein [8].
Tipp: Beispielsweise Meetings oder Teamtreffen sind daher eine gute Gelegenheit um zu partizipieren, sich einzubringen und den eigenen Standpunkt näher zu erläutern.

Prozedurale Gerechtigkeit (Procedural Justice)

Prozedurale Gerechtigkeit bezeichnet die subjektiv empfundene Fairness der Prozesse im Unternehmen [9]. Damit Mitarbeiter diese als fair empfinden, müssen sie gehört werden - sie müssen eine Stimme haben. Die englische Übersetzung "Voice" beschreibt in der (Arbeits-) Psychologie dieses Phänomen des Sich-Äußerns und Gehört-Werdens [10]. Neben der Möglichkeit die eigenen Argumente und Standpunkte den Entscheidungsträgern zu präsentieren gibt es noch weitere Kriterien für faire Prozesse und prozedurale Gerechtigkeit. Dazu gehören unter anderem die Unvoreingenommenheit der Entscheidungsträger, die Repräsentativität, das heißt die Meinungen und Bedürfnisse aller betroffenen Parteien werden berücksichtigt, und konsistente Entscheidungen über die Zeit und unabhängig von den verschiedenen Personen [11].
Ein Beispiel: Denke Sie an die Urlaubsplanung inkl. der Frage wer bspw. Brückentage übernehmen muss und wer frei bekommt. Im Sinne der prozeduralen Gerechtigkeit, sollten Sie das Vorgehen hierfür am besten im Team vereinbaren – also Argumente sammeln, die berücksichtigt werden sollten und diese ggf. gewichten. Zudem können Sie konkrete Ideen für das Prozedere sammeln. Anschließend entscheiden Sie entweder im Team gemeinsam, wie sie es zukünftig gestalten oder aber Sie als Führungskraft treffen die Entscheidung und begründen diese im Team. Somit hat jeder die Chance gehabt eigene Ideen und Argumente einzubringen und es gibt ein klares Vorgehen. So sollte die Entscheidung für bspw. den Wunsch nach einen kurzfristigen freien Tag dann bei allen gleich ausfallen – egal ob Frau Meier oder Herr Kraft fragt.

Maßnahmen für mehr Partizipation

Es gibt einige Voraussetzungen, damit die Partizipation auch die tatsächlich gewünschte Wirkung erzielt. Allen voran ist es wichtig, dass die Einbeziehung ernst gemeint ist und nachhaltig umgesetzt wird. Wenn Mitarbeiter das Gefühl haben, ihre Meinung wird nur der Form halber erfragt, jedoch nicht weiter beachtet („Scheinpartizipation“), dann kann dies negative Folgen haben. Darüber hinaus sollte versucht werden, alle Mitarbeitenden einzubeziehen und das auch zielgruppengerecht zu gestalten. Dies erfordert vorab eine genaue Planung der Partizipationsmaßnahmen. Es ist daher nicht unüblich, sich gegebenenfalls professionelle Unterstützung durch externe Dienstleister wie eine Unternehmensberatung zu holen [12].

Shared Leadership

Folgende Ansatzpunkte sollten Sie beachten, um eine gute Basis für die Einführung geteilter Führung zu schaffen [13]:

  • Die Gruppenmitglieder benötigen Handlungsspielräume. Reflektieren Sie, wie Sie Ihre Mitarbeiter mehr einbinden können und wo Sie ihnen mehr Freiräume und Autonomie lassen können
  • Darüber hinaus sollte die Sorge vor mehr Arbeit durch Führungsaufgaben bearbeitet werden. Einerseits können hierfür die Vorteile angebracht werden, die die Teilhabe an Führungsaufgaben hat: stetiger Wissenszuwachs und mehr Handlungsflexibilität. Andererseits besteht auch die Möglichkeit, zusammen mit den Gruppenmitgliedern zu erarbeiten, in welchen Bereichen sie Führungsverantwortung übernehmen möchten und wo sie sich Führung durch ihren Vorgesetzten wünschen
  • Das heißt, es geht vor allem auch darum, den Mitgliedern die Angst vor Überforderung zu nehmen, damit sie keine Verantwortung scheuen. Hier ist es sinnvoll, den Gruppenmitgliedern ihre Stärken aufzuzeigen und herauszuarbeiten, wie sie diese gut in der geteilten Führung einsetzen können
  • Führungskompetenzen sind ebenfalls eine wichtige Voraussetzung für gelungene geteilte Führung. Fehlen einem Gruppenmitglied bestimmte Fähigkeiten, können diese gezielt durch geeignete Maßnahmen wie ein Kommunikationstraining aufgebaut werden. Überlegen Sie also gut, wer welche Fähigkeiten benötigt und wie Sie diese fördern können.


Wie genau kann dies aber nun aussehen? Was gehört hier alles dazu? Einen guten Überblick gibt das Modell des "Shared Professional Leadership Inventory for Teams" (SPLIT). . Das Modell gliedert sich in vier Bereiche, die einen guten Überblick darüber geben, was geteilte Führung ausmacht: Aufgabenmanagement, Beziehungsmanagement, Veränderungsmanagement und mikropolitisches Management [Quelle].

SPLIT Aspekte geteilter Führung.png
















Wenn Sie mehr über geteilte Führung und den SPLIT erfahren möchten, klicken Sie auf folgendes Handout:


Nachdem Sie sich über SPLIT informiert haben, können Sie im folgenden Arbeitsblatt reflektieren, inwieweit Sie die Mitarbeitenden aktuell einbinden und weiterführend einbinden möchten. Nutzen Sie zur stärkeren Einbindung Ihrer Mitarbeitenden gerne auf dieser Seite aufgeführte Maßnahmen.


Workshops

Moderation Grafik.png

Sie als Führungskraft haben die Möglichkeit, Workshops zu gestalten und zu moderieren, in denen Ihre Mitarbeiter Entscheidungen gemeinsam erarbeiten können. Als Moderator tragen Sie dabei eine wichtige Rolle zum Gelingen des Workshops [14]. Bereiten Sie sich daher gut vor und nutzen Sie gerne die hier bereitgestellten Materialien:
Ablauf des Workshops (angelehnt an [15]):

Informationen zu den einzelnen Schritten [16]:
Als Moderator sind Sie für die Gestaltung zuständig, inhaltlich tragen Sie jedoch nichts dabei. Bleiben Sie daher bitte unbedingt neutral und steuern Sie nur den Prozess der Entscheidungsfindung, nicht das Ergebnis selbst.
In der Einstiegsphase geht es darum, eine gute Arbeitsatmosphäre zu schaffen. Hierzu sollten sich alle Teilnehmer einmal vorstellen und die Ziele des Workshops klar herausgestellt werden. Darüber hinaus können die Erwartungen der Teilnehmer an den Workshop abgefragt werden.
Im nächsten Schritt werden Kernthemen des Workshops gesammelt. Die Fragen dabei sollten möglichst exakt und zugleich offen sein. Ist das Thema zum Beispiel eine höhere Kundenbindung könnte die Frage lauten, was dabei zu berücksichtigen ist. Die Ideen der Teilnehmer können dann entweder auf Karten notiert oder durch Zuruf auf einem Flipchart gesammelt werden.
Danach werden die Ideen der Teilnehmer geclustert. Hierzu entscheiden die Teilnehmer für jede Karte oder jeden Punkt, ob dieser ähnlich zu einem anderen ist (und damit ein Cluster bildet) oder ein neuer Aspekt ist. Diese Cluster werden dann priorisiert, indem die Teilnehmer zum Beispiel Klebepunkte erhalten, die sie auf die für sie am wichtigsten erscheinenden Cluster verteilen.

Fischgräten Grafik.png

Im vierten Schritt geht es darum, das Problem genauer zu analysieren oder ein Lösungskonzept zu entwerfen. Für ersteres eignet sich ein sogenanntes Ursache-Wirkungs-Diagramm, welches an Fischgräten erinnert (siehe Abb. Fischgräten Grafik). Um eine Lösung zu finden bietet sich eine Mindmap an, in der Maßnahmen festgehalten werden. Als Moderator ist es wichtig, dass erst Übermaßnahmen aufgeschrieben werden und dann spezifischere, sonst wird es zu unübersichtlich und nicht zielführend.

Der vorletzte Schritt ist dazu da, Maßnahmen konkret zu planen und die Umsetzung festzuhalten. Hier ist es wichtig, konkret festzulegen, wer was bis wann macht.
Der Abschluss des Workshops soll die Teilnehmenden in eine positive Stimmung versetzen, die geplanten Maßnahmen umzusetzen. Dafür ist es wichtig, einen Erwartungscheck zu machen und auch zu schauen, ob davon noch etwas offen geblieben ist. Im Anschluss können die Teilnehmenden noch ein Feedback zu dem durchgeführten Workshop abgeben– egal, ob mündlich oder durch Klebepunkte auf einem Flipchart.

Partizipationsplan

Nutzen Sie die Vorlage, um sich einen Partizipationsplan zu erstellen. Hier können Sie festhalten, welche Bereiche oder Abteilungen Sie wie einbinden wollen. Durch die Aufstellung eines solchen Partizipationsplans gewährleisten Sie, dass die Partizipation durchdacht ist und damit auch deutlich erfolgsversprechender als spontane Maßnahmen [17]. Media:Partizipationsplan.docx


Literatur

[1] Schulte, E.-M., Wittner, B., & Kauffeld, S. (2019). Ressourcen und Anforderungen in der Arbeitswelt umfassend messen: Entwicklung und Validierung eines Fragebogens (ReA). Manuskript in Vorbereitung.
[2] Lauer, T. (2019). Change Management - Grundlagen und Erfolgsfaktoren. Berlin: Springer.
[3] Lauer, T. (2019). Change Management - Grundlagen und Erfolgsfaktoren. Berlin: Springer.
[4] Grille, A., Kauffeld, S., Sauer, N. & Schulte, E. M. (2017). Führung teilen, Leistung ernten mit dem Online-Tool SPLIT. Personal quarterly, 1, 26-33.
[5] Kauffeld, S., Ianiro, M. & Sauer, N. (2014). Führung. In: Kauffeld, S. Arbeits-, Organisations- und Personalpsychologie für Bachelor (S. 71-98). Heidelberg: Springer.
[6] Piecha, A., Wegge, J., Werth, L., & Richter, P. G. (2012). Geteilte Führung in Arbeitsgruppen–ein Modell für die Zukunft?. In Die Zukunft der Führung (pp. 557-572). Springer, Berlin, Heidelberg.
[7] Small, E. E., & Rentsch, J. R. (2011). Shared leadership in teams. Journal of Personnel Psychology.
[8] Gallie, D. (2013). Direct participation and the quality of work. Human Relations, 66(4), 453-473.
[9] Cohen-Charash, Y., & Spector, P. E. (2001). The role of justice in organizations: A meta-analysis. Organizational behavior and human decision processes, 86(2), 278-321.
[10] Folger, R. (1977). Distributive and procedural justice: Combined impact of voice and improvement on experienced inequity. Journal of personality and social psychology, 35(2), 108.
[11] Thibaut, J., and Walker, L. (1975). Procedural Justice: A Psychological Analysis, Lawrence Erlbaum Associates, Hillsdale, N J.
[12] Lauer, T. (2019). Change Management - Grundlagen und Erfolgsfaktoren. Berlin: Springer.
[13] Grille, A., & Kauffeld, S. (2015). Development and preliminary validation of the Shared Professional Leadership Inventory for Teams (SPLIT). Psychology, 6(01), 75.
[14] Lauer, T. (2019). Change Management - Grundlagen und Erfolgsfaktoren. Berlin: Springer.
[15] Lauer, T. (2019). Change Management - Grundlagen und Erfolgsfaktoren. Berlin: Springer.
[16] Lauer, T. (2019). Change Management - Grundlagen und Erfolgsfaktoren. Berlin: Springer.
[17] Lauer, T. (2019). Change Management - Grundlagen und Erfolgsfaktoren. Berlin: Springer.