Unterforderung - Was können Sie persönlich für sich tun?

From Praeventa
Jump to navigation Jump to search

Was ist Unterforderung?

Unter Unterforderung versteht man das "Gefühl mehr leisten zu können als gefordert" wird [14,15]. Unterforderung wird von Betroffenen auch oft als Langeweile beschrieben, als ein Gefühl nicht gebraucht zu werden oder nur passiv handeln zu können [12, 15].

Es gibt zwei Arten von Unterforderung: die qualitative und die quantitative Unterforderung.

  • Bei der quantitativen Unterforderung gibt es zu wenig Arbeit, das heißt es entsteht Leerlauf [3, 19]. Diese Art der Unterforderung tritt vor allem auf, wenn es eine Anwesenheitspflicht am Arbeitsplatz oder festgelegte Arbeitszeiten gibt [12, 20]. Beispiel: Die Mitarbeitenden sind bereits nach 4 Stunden mit ihren Aufgaben fertig, müssen aber pro Tag 8 Stunden am Arbeitsplatz anwesend sein.
  • Bei der qualitativen Unterforderung sind die Aufgaben zu einfach, das heißt die Mitarbeitenden arbeiten unter den eigenen Leistungsmöglichkeiten [3, 19]. Diese Art der Unterforderung kann unter anderem auftreten, wenn monotone oder administrative Arbeiten getätigt werden, für die das Wissen oder die Erfahrung der Mitarbeitenden nicht gebraucht werden [20, 21].

Warum ist es wichtig auf Unterforderung zu achten?

Für die Entstehung von Unterforderung am Arbeitsplatz kann es verschiedene Ursachen geben [3, 12, 20]:

  • Aufgaben werden nach klischeehaften Rollen oder Vorurteilen verteilt und nicht nach Fähigkeiten; so werden zum Beispiel Berufseinsteiger, Frauen und Migranten eher unterschätzt oder fehlerhaft eingeschätzt
  • Aufgaben werden innerhalb des Teams ungleich verteilt, zum Beispiel reißt ein Teammitglied alle anspruchsvollen Aufgaben an sich und für die restlichen Teammitglieder bleiben nur die langweiligen Aufgaben übrig
  • die Führungskraft übernimmt selber viele Aufgaben und gibt nur langweilige Aufgaben ab
  • die Führungskraft verhindert Initiative und Verantwortung der Mitarbeitenden, indem zum Beispiel alle Entscheidungen erst von der Führungskraft abgesegnet werden müssen
  • die tatsächlichen Aufgaben im Arbeitsalltag entsprechen nicht den angegebenen Aufgaben in der Stellenausschreibung (d.h. Erwartungen an die Tätigkeit passen nicht zur Realität)
  • Administrative Aufgaben ersetzen die fachlichen Tätigkeiten oder es gibt so viele administrative Aufgaben, dass keine Zeit für inhaltliches Arbeiten bleibt
  • Fehlende Flexibilität bei den Arbeitszeiten oder Abläufen führt zu Routine oder Leerlauf (besonders oft im Dienstleistungs- und Verwaltungssektor)
  • im Unternehmen gibt es keine Anerkennungskultur, das heißt gute Arbeit wird nicht belohnt

Warum wird das Problem oft nicht angesprochen?

Gesellschaftlich wird die Meinung vertreten beruflicher Stress und Überforderung seien normal bzw. "in". Eine Person, die durch ihren Job überfordert ist, bekommt Lob und Anerkennung, denn sie setzt sich für ihr Unternehmen ein [12]. Im Gegensatz dazu haben Betroffene von Unterforderung Sorge als faul oder dumm zu gelten, wenn sie ihre Unterforderung ansprechen. Dazu kommt die Angst vor Stellenkürzung oder Kündigung, wenn Mitarbeitende bei der Führungskraft ansprechen, dass die Aufgaben zeitlich nicht ausreichen oder zu anspruchslos sind [12]. Stattdessen kann es zu innerer Kündigung der Mitarbeitenden kommen, das heißt die Mitarbeitenden arbeiten mit wenig Motivation und erfüllen nur die notwendigen Aufgaben [12]. Im weiteren Verlauf kann es dann auch zur Kündigung kommen.


Warum ist es trotzdem wichtig etwas zu ändern?

Unterforderung kann genauso wie Überforderung negative Konsequenzen haben. Das Gefühl innerer Leere kann zu körperlichen, emotionalen, motivationalen und kognitiven Einschränkungen führen. Dazu gehören Müdigkeit und Schlafschwierigkeiten, Gefühle von Lustlosigkeit, Antriebslosigkeit, und verschlechterte Aufnahmefähigkeit (zum Beispiel Konzentrationsstörungen) [1, 12, 21].

Was kann gegen Unterforderung getan werden?

Übersicht - Von der Reflexion zu den Maßnahmen

Schauen Sie sich zunächst die folgende Übersicht an - diese führt Sie durch die Maßnahmen.

Übersicht © Präventa

1. Reflexionsübungen - Was sind Ihre Aufgaben und wie geht es Ihnen dabei?

Sie können mit den Reflexionsübungen starten, um sich zunächst einen Überblick zu verschaffen, wie Ihr Arbeitsalltag aussieht und wie es Ihnen mit diesem geht. Schauen Sie sich die Übungen in Ruhe an. Die Übungen können unabhängig voneinander oder ergänzend bearbeitet werden.

2. Wichtigste Erkenntnisse und Ziele

Handout zu wichtigsten Erkenntnisse © Präventa

Halten Sie nun ihre wichtigsten Erkenntnisse und Ihre Ziele für die folgenden Maßnahmen fest. Nutzen Sie dafür das Handout rechts.

Nach dem Fazit der Reflexionsübungen können Sie für das weitere Vorgehen zwischen zwei Optionen wählen:

  • Fokus auf Sie persönlich: Sie können eigene Maßnahmen ableiten, indem Sie Ihre Einstellung und Handlungsspielräume beleuchten oder
  • Gemeinsam mit Ihrer Führungskraft: Sie können ein Gespräch mit Ihrer Führungskraft mit konkreten Methoden und Kommunikationsregeln vorbereiten

3. Fokus auf Sie persönlich: Eigene Maßnahmen ableiten

Wir Menschen sind generell gut darin Fehler bei anderen zu suchen - die Situation, Kunden, Kollegen, Vorgesetzte,... Es gibt viele Umstände und Personen, die an der aktuellen Situation beteiligt sind. Eine ganz wichtige beteiligte Person vergessen oder vernachlässigen wir aber oft: uns selbst! Wir können für uns Entscheidungen treffen - und auch wenn wir keine aktive Wahl treffen und nichts ändern ist dies unsere Entscheidung. Daher überlegen Sie zunächst: Worauf haben Sie einen Einfluss, Worauf aber auch nicht? Dabei hilft Ihnen der sogenannte Circle of Influence.

Circle of Influence
Wenn Sie etwas an Ihrer Unterforderung ändern möchten, sollten Sie den Circle of Influence [9] im Hinterkopf haben. Circle of Influence bedeutet auf Deutsch: Kreis des Einflusses oder Kreis des Beeinflussbaren. Es geht um das Prinzip, dass zu beeinflussen, was wir ändern können und mehr Kapazitäten und Gedanken darauf zu verwenden als auf das, worauf wir keinen Einfluss haben.

Circle of Influence
  • Einfluss: Im gelben Bereich befinden sich alle Dinge, Probleme usw., die Sie selber beeinflussen können.
  • Eingeschränkter Einfluss: In diesen Bereich gehört alles, bei dem Sie sich nicht sicher sind, ob Sie die Dinge beeinflussen können. Das ist bspw. der Fall, wenn man jemanden um etwas bittet, aber die Veränderung eben davon abhängt, ob die Person dem zustimmt, sich das Feedback zu Herzen nimmt oder ihr Verhalten verändert. Überlegen Sie, wen müssen Sie ansprechen um etwas an Ihrer Unterforderung zu verändern? Wie sucht man am besten das Gespräch?
  • Kein Einfluss: Hierher gehören alle Dinge, die Sie nicht beeinflussen können. An dieser Stelle ist es nun wichtig, die Gegebenheiten zu akzeptieren und einen angemessenen Umgang damit zu finden. Dabei ist es hilfreich, Gelassenheit zu entwickeln und sich Unterstützung bei Freunden, Partnern, Familie, Kollegen, Führungskräften oder auch Beratungsstellen zu suchen, um den eigenen individuellen Weg zur Kompensation zu finden..

Ihre Einstellungen

"Love it, leave it, change it" © Präventa

Darüber hinaus ist es wichtig sich mit den eigenen Einstellungen zu beschäftigen. Vielleicht kennen Sie das Sprichwort "Love it, leave it, change it"? Dies wird gern um eine 4. Option "stay and pay" ergänzt. Schauen Sie sich für mehr Informationen das Handout an.

Ziehen Sie nun Ihr persönliches Fazit: Was könnten Sie angehen? Was davon möchten Sie auch angehen? Wie? Und was möchten Sie erstmal so akzeptieren? Wo sehen Sie - durch das akzeptieren - Chancen? Wie möchten Sie Ihre Energie nutzen? Halten Sie Ihre Ideen am besten schriftlich fest und machen Sie sich einen konkreten Plan, wann Sie was angehen möchten.

4. Gemeinsam mit Ihrer Führungskraft

Maßnahmen gegen Unterforderung

Handout zu Methoden bei Unterforderung © Präventa

Durch die Reflexion und die folgenden wichtigsten Erkenntnisse, können Sie sicherlich besser einschätzen, weshalb Sie sich bei der Arbeit unterfordert fühlen. Diese Informationen können Sie für ein Gespräch mit Ihrer Führungskraft nutzen. Umso genauer Sie sagen können, wie Ihre derzeitige Arbeitssituation aussieht und wie es Ihnen damit geht, desto besser können Sie Ihre Führungskraft einbinden und gemeinsame Lösungen für Ihre Unterforderung finden. Im nächsten Handout finden Sie einige Maßnahmen, die Sie Ihrer Führungskraft in einem gemeinsamen Gespräch vorstellen könnten.

Hilfreiche Gesprächsregeln

Handout zu Kommunikationsregeln © Präventa

Bevor Sie das Gespräch mit Ihrer Führungskraft suchen, können Sie sich hier noch über mögliche Kommunikationsregelninformieren. Diese können Ihnen helfen, Ihr Anliegen im Gespräch klar zu formulieren, sodass die Führungskraft Sie nachvollziehen und somit unterstützen kann.

Quellen

[1] Brühlmann, T. (2015). Müdigkeit bei Burnout und Boreout. Swiss Medical Forum, 15(17), 387–390. doi: 10.4414/smf.2015.02259

[2] Chung, K. H. & Ross, M. F. (1977). Differences in Motivational Properties between Job Enlargement and Job Enrichment. Academy of Management Review 2(1), 113-122.

[3] Cürten, S. (2013). Boreout-Syndrom und Coaching. Organisationsberatung, Supervision, Coaching, 20(4), 473-478. doi: 10.1007/s11613-013-0347-8

[4] de Menezes, L. M. (2011). Job Satisfaction and Quality Management: An Empirical Analysis. International Journal of Operations and Production Management, 32(3), 308-328. doi: 10.1108/01443571211212592

[5] Herzberg, F. (1968). One More Time: How Do You Motivate Employees?. Abgerufen am 10.10.2019, von http://lideranca.blog.br/wp-content/uploads/2019/04/One_More_Time.pdf

[6] Hulin, C. L. & Blood, M. R. (1968). Job Enlargement, Individual Differences, And Worker Responses. Psychological Bulletin 69(1), 41-55.

[7] Jorgensen, M., Davis, K., Kotowski, S., Aedla, P., & Dunning, K. (2005). Charactierstics of Job Rotation in the Midwest US Manfacturing Sector. Ergonomis 48(15), 1721-1733.

[8] Kaluza, G. (2015). Gelassen und sicher im Stress (6. Aufl.). Berlin Heidelberg, Deutschland: Springer. doi: 10.1007/978-3-662-45807-5

[9] Kaymaz, K. (2010). The Effects of Job Rotation Practices on Motivation: A Research on Managers in the Automotive Organizations. Business and Economics Research Journal 1(3), 69-85.

[10] Mai, J. (2019, 4. März). Love it, leave it, change it. Abgerufen von https://karrierebibel.de/love-it-leave-it-or-change-it/

[11] Mourlane, D. (2012). Die unentdeckte Fähigkeit der wirklich Erfolgreichen. Göttingen, Deutschland: BusinessVillage GmbH

[12] Prammer, E. (2013). Boreout – Biografien der Unterforderung und Langeweile. Wiesbaden, Deutschland: Springer Fachmedien. doi: 10.1007/978-3-658-00503-0

[13] Roth, J. (2018). Ausgebrannt vom Nichtstun – Bore-out [Podcast]. In Zeitfragen Podcast. Köln, Deutschland: Deutschlandfunkradio. Abgerufen am 27.02.2020, von https://www.youtube.com/watch?v=Gf2_G_xu2p0

[14] Rothlin, P. & Werder, P. R. (2007). Diagnose Boureout – Warum Langeweile im Job krank macht. Heidelberg, Deutschland: Redline Wirtschaft.

[15] Schulte, E.-M., Wittner, B., & Kauffeld, S. (2021). Ressourcen und Anforderungen (ReA) in der Arbeitswelt: Entwicklung und erste Validierung eines Fragebogens. Gruppe. Interaktion. Organisation. Zeitschrift für Angewandte Organisationspsychologie (GIO), 52, 405-415.

[16] Schulz von Thun, F. (2000). Kommunikationspsychologie als Wissenschaft vom gelungenen Zusammenleben der Menschen. In D. Weimer & M. Galliker (Hrsg.), Sprachliche Kommunikation. Festschrift zum 80. Geburtstag von Carl Friedrich Graumann (S. 104-109). Kröning: Asanger-Verlag.

[17] Slaghuis, B. (2015). Langeweile im Job: Was tun, wenn es nichts zu tun gibt?. Abgerufen am 11.05.2020, von https://www.bernd-slaghuis.de/karriere-blog/boreout-langeweile-im-job/

[18] Time Management and Productivity (2016). Circle of Influence - What is it and Why You should know about it [Youtube]. Abgerufen am 11.09.2020, von https://www.youtube.com/watch?v=1wptGvREOj8

[19] Vedder, G. & Korinth, E. (2015). Unterforderung am Arbeitsplatz. Abgerufen am 10.09.2020, von https://www.personalwirtschaft.de/produkte/archiv/magazin/ausgabe-9-special-betriebliches-gesundheitsmanagement-2015/0%3A7397704.html

[20] Warkentin, N. (2018, 18. Oktober). Unterforderung: Was tun?. Abgerufen am 07.09.2019, von https://karrierebibel.de/unterforderung-im-job/

[21] Wenchel, K. T. (Hrsg.). (2009). Wann müssen Vorgesetzte eingreifen. Bochum: InfoMediaVerlag e.K.

[22] Wittig-Goetz, U. (2006, Oktober). Menschengerechte Arbeitsgestaltung oder Merkmale guter Arbeit. Abgerufen von https://www.boeckler.de/pdf/mbf_as_arbeitsgestaltung_2006.pdf

Bildquellen

© Präventa