Veränderungsdruck - Was können Sie persönlich für sich tun?

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Was ist Veränderungsdruck?

Fallbeispiel, © Präventa

Veränderungen gehören zu unserem Leben. In der Kindheit und Jugend sind Veränderungen für uns ganz selbstverständlich, aber auch im Erwachsenenalter ist Veränderung ein ständiger Begleiter. Wir selbst verändern uns genauso wie unser Blick auf die Welt. Auch im Arbeitsleben spielen Veränderungen eine große Rolle. Nicht nur durch einen Jobwechsel sondern auch innerhalb eines Jobs bzw. einer Tätigkeit finden Veränderungen statt. Das Arbeitsleben ist innerhalb der letzten Jahrzehnte schnelllebiger geworden und Veränderungen gehören zum (Arbeits-) Alltag [1]. Um erfolgreich zu sein und zu bleiben müssen sich daher auch Organisationen zunehmend schnell veränderten Bedingungen anpassen. Dies führt bei Mitarbeitenden oft dazu, dass sich die Anforderungen und Aufgaben bei der Arbeit verändern. Mitarbeitende müssen sich häufiger neuen Aufgaben stellen, die sie vorher noch nicht gemacht haben [2]. Dies nennt man Veränderungsdruck.

Veränderungsdruck lässt sich von Überforderung abgrenzen. Überforderung liegt vor, wenn Mitarbeitende nicht das nötige Wissen oder die Fähigkeiten für das Erledigen einer Aufgabe besitzen. Bei Veränderungsdruck hingegen geht es nicht um die Schwierigkeit der Aufgabe allgemein, sondern um die belastende Veränderung der Aufgaben und Anforderungen. Durch Veränderungsdruck kann beispielsweise auch Überforderung entstehen. Zum besseren Verständnis des Unterschieds zwischen Veränderungsdruck und Überforderung schauen Sie sich die jeweiligen Arbeitssituationen von Jürgen und Lina auf der rechten Seite an. Mehr zum Thema Überforderung lesen Sie hier.

Es gibt einige mögliche Strategien, Veränderungsdruck zu vermeiden oder abzumildern. Bevor diese Strategien vorgestellt werden, wird zunächst aufgezeigt, warum das Thema von großer Bedeutung für Ihre Gesundheit und Arbeitszufriedenheit ist.

Warum ist es wichtig auf Veränderungsdruck zu achten?

Veränderungen stellen für die Organisation, Führungskräfte und Mitarbeitenden meist eine große Herausforderung dar [3,4,5]. Es stellt sich nicht zuletzt die Frage, warum Veränderungen notwendig sind bzw. Veränderungsprozesse im aktuellen Arbeitsleben eher zunehmen. Die Arbeitswelt unterliegt einem stetigen Wandel. Die aktuellen Ausgangspunkte für Veränderungen in Organisationen sind vielfältig; im Folgenden sollen nur einige davon beispielhaft genannt werden [6;7]:

  • die Globalisierung - bspw. erhöhter Kosten- und Effizienzdruck
  • die Digitalisierung - bspw. veränderte Arbeitsformen wie Homeoffice
  • der demografischer Wandel und eine damit einhergehende andere Altersstruktur der Beschäftigten
  • innovative Produktionsverfahren (z.B. durch Automatisierungsprozesse oder 3D-Druck)
  • zunehmender Fokus auf ökologische Nachhaltigkeit in Produktion und Betrieb

Veränderungen, die dadurch entstehen, können dazu führen, dass Mitarbeitende und Führungskräfte das Gefühl haben, immer schneller und gleichzeitig immer besser arbeiten zu müssen, bei schwierigeren und immer wieder neuen Aufgaben. Mitarbeitende mit hohem Veränderungsdruck berichten Belastungen sowie Angst vor Kündigungen oder zu großen Umstellungen [8]. Schlecht organisierte Veränderungen können bspw. zu einer erhöhten Arbeitsbelastung, Zeitdruck (falls Zeitdruck für Sie eine besondere Belastung ist, können Sie hier mehr über Zeitdruck erfahren), psychologischer Unsicherheit und Orientierungslosigkeit, Konflikten und Überforderung führen [4]. Veränderungen - beruflich oder privat - stellen meistens im ersten Augenblick eine Herausforderung dar, weil sie mit neuen Abläufen, Informationen oder Aufgaben verbunden sind. Das ist ganz normal, denn Menschen sind bekanntlich "Gewohnheitstiere", die Veränderungen nicht immer begrüßen [9]. Dabei waren Veränderungen nie so normal wie heute und werden auch in Zukunft Teil der Arbeitswelt bleiben. Deshalb ist es umso wichtiger sich damit auseinanderzusetzen wie man mit Veränderungen gesund umgehen und neuen Aufgaben am besten begegnen kann, um Stress und Veränderungsdruck zu vermeiden.

Was kann gegen Veränderungsdruck getan werden?

Veränderungen begegnen

Rahmenmodell gesundheitsförderlicher Veränderung, in Anlehnung an [10]

Die zentrale Frage bei Veränderungen ist, wie wir bestmöglich mit ihnen umgehen, ohne das für uns allzu viel Veränderungsdruck entsteht. Das Modell von Stegmaier [10] in der obigen Abbildung zeigt die wichtigsten Bausteine in einem Veränderungsprozess. Auf die Eigenschaften der Veränderung, den Veränderungsprozess sowie den Veränderungskontext haben Mitarbeitende meist nur bedingt Einfluss. Beeinflussbar ist allerdings, wie die Veränderung eingeschätzt und wie mit ihr umgegangen wird. Wird sie als Bedrohung oder eher als Herausforderung verstanden? Gehen wir problemorientiert an sie heran und überlegen uns, wie wir sie am besten in unseren Arbeitsalltag integrieren, oder sträuben wir uns eher dagegen und leisten (inneren) Widerstand? Überlegen Sie doch einmal, wie Sie mit der letzten Veränderung umgegangen sind, die Ihnen begegnet ist. Hilfreich ist sich vor Augen zu führen, dass wir zwar nicht alles beeinflussen können, aber wir können selber entscheiden, wie aufgeschlossenen wir einem Wandel gegenüberstehen.

Autonomie

Autonomie bedeutet, dass sich eine Person selbst als Quelle ihres Handelns wahrnimmt. Sie trifft die Entscheidungen für ihr Verhalten aufgrund ihrer eigenen Werte und Vorstellungen. Auch wenn äußere Vorgaben bestehen, kann sich eine Person als autonom empfinden, wenn die Vorgaben mit den eigenen Werten und Vorstellungen übereinstimmen [11]. Autonomie erhöht die Arbeitszufriedenheit und die Motivation [12;2], sorgt für mehr Eigeninitiative und fördert das Lernen und die Entwicklung [13]. Sie kann so Veränderungsdruck verhindern oder abmildern und ist ein wichtiger Faktor in Veränderungsprozessen. Lesen Sie hier mehr dazu, wie Sie Ihre Autonomie vergrößern und herausfinden können, in welchen Bereichen sie eher viel oder eher weniger Autonomie haben.

Motive und Bedürfnisse

Was können Sie also tun, wenn Sie ständigen Veränderungen unterliegen? Wie können Sie dennoch Leistung erbringen und weiterhin gerne Ihrer Arbeit nachgehen, obwohl Sie Ihr Verhalten immer wieder anpassen müssen? Entscheidend hierbei ist die Motivation des Einzelnen: Jeder Motivationsversuch Ihrer Führungskraft wird scheitern, wenn Sie keine eigene Motivation haben etwas zu ändern. Motivation kann nicht allein von außen erzeugt werden, sie muss innen entstehen. Das bedeutet für Sie: Wenn Sie mit wechselnden Aufgaben und Herausforderungen umgehen möchten, besteht der erste Schritt darin zu reflektieren, was Ihre Motive und Bedürfnisse sind und wie Sie diese nutzen können, um sich an neue Situationen und Aufgaben anzupassen [14]. Ihre Bedürfnisse und Motive sind zudem entscheidend dafür, wie Sie Veränderungen bewerten und wie Sie mit Ihnen umgehen.

Nutzen Sie folgende Handouts und Arbeitsblätter, um Ihre eigenen Motive zu reflektieren. Sie bieten Ihnen einen Überblick über Motive und Bedürfnisse und Sie können selbst überlegen, welche Motive Ihnen besonders wichtig sind. Gehen Sie die Handouts Schritt für Schritt durch:

    1. Eine ausführliche Erläuterung zu Motiven und Bedürfnissen finden Sie in diesem Handout.
    2. Diese Checkliste kann Ihnen helfen, sich über die eigenen Bedürfnisse in Ihrem Arbeitskontext bewusst zu werden.
    3. Überlegen Sie sich bei diesem Arbeitsblatt zunächst eine Beispielsituation, bei der Sie mit wechselnden Anforderungen umgehen mussten. Mithilfe des Arbeitsblattes können Sie dann im Folgenden erarbeiten, welche Bedürfnisse bei der Aufgabe nicht erfüllt wurden und Sie so von einer motivierten Aufgabenerledigung abgehalten haben.

SMART Ziele

Sie haben sich bereits mit Ihren Motiven und Bedürfnissen befasst und reflektiert, in welchen Situationen sie evtl. durch Veränderungen blockiert wurden. Nun geht es darum einen geeigneten Weg zu finden, wie Sie Ihre Bedürfnisse auch unter Veränderungsdruck befriedigen können. Dafür eignet sich eine SMARTe Zielformulierung - Ihr Ziel sollte Spezifisch, Messbar, Attraktiv, Realistisch und Terminiert sein. Lesen Sie hier mehr zu diesem Thema.

Priorisieren

Veränderungen führen am Anfang häufig zu einem Effizienz- und Zeitverlust, der den Veränderungsdruck noch verstärkt. Wenn Sie merken, dass Sie nicht alle Aufgaben erledigen können oder überfordert sind von einer langen To-Do-Liste, ist es oft lohnenswert, sich kurz Zeit zu nehmen, um Aufgaben zu priorisieren. Dafür werden im Folgenden zwei Methoden vorgestellt: Das Eisenhower-Prinzip und das Pareto-Prinzip. Wenn Sie darüber hinaus mehr über das Thema Zeitdruck erfahren wollen, lesen Sie hier weiter.

Eisenhower-Prinzip

Das Eisenhower-Prinzip dient der Priorisierung von Aufgaben und ermöglicht zusätzlich eine flexible Einordnung von neuen Aufgaben. Lesen Sie sich zunächst das Handout durch. Dort finden Sie Informationen zur Vorgehensweise. Nachdem Sie die Vorgehensweise des Eisenhower-Prinzips kennengelernt haben, können Sie auf dem folgenden Arbeitsblatt Ihre eigene Priorisierung vornehmen [6].

Handout Eisenhower-Prinzip, in Anlehnung an [15]
Arbeitsblatt Eisenhower Prinzip, in Anlehnung an [15]

Pareto-Prinzip

Pareto-Prinzip, in Anlehnung an [16]

Bei der Priorisierung können Sie zusätzlich das Pareto-Prinzip im Hinterkopf haben. Dieses besagt, dass 20% der aufgewendeten Zeit für 80% der Ergebnisse verantwortlich sein kann, wenn sie richtig genutzt wird. Gemäß dieses 20:80% Verhältnisses liegt es an Ihnen, Ihre Zeit so zu planen, dass Sie die 20% der Aufgaben am höchsten priorisieren, die zu 80% der Ergebnisse beitragen. Erst dann erledigen Sie die 80% der anderen Aufgaben, die jedoch nur zu 20% der Ergebnisse beitragen [16].

Beziehungen pflegen

Veränderungen können uns verunsichern und beängstigen. Neben den aufgeführten Strategien, um im Arbeitskontext Veränderungen besser zu meistern, spielt auch die Gestaltung unseres Privatlebens eine große Rolle beim Umgang mit Veränderungen. Wenn sich in unserem Arbeitsleben viel verändert, können uns insbesondere Beziehungen - sowohl beruflich als auch privat - Stabilität und Halt geben [17]. Sie stellen wertvolle Ressourcen dar, die uns dabei unterstützen, bestmöglich mit dem Wandel umzugehen (siehe Abbildung 2). Lesen Sie hier mehr zu den Themen rund um private Unterstützung und Beziehungspflege.

Weiterführende Quick Wins, Ideen und Impulse

"Love it, leave it, change it" © Präventa

In Gesprächen mit Mitarbeitenden, Führungskräften und Experten aus der Praxis wurden zusätzliche Ideen und Impulse gesammelt. Diese spiegeln somit persönliche Erfahrungen aus der Praxis wieder, die nicht per se wissenschaftlich gesichert sind. Gern können Sie diese Ideen und Impulse als zusätzliche Inspiration nutzen.

  • Eine offene Gesprächs- und Führungskultur kann dazu beitragen, Veränderungsdruck abzumildern. Sprechen Sie Ihre Führungskraft offen an, wenn sie mit neuen Aufgaben oder Veränderungen überfordert sind. Überlegen Sie, was Ihnen bei der Anpassung/Bewältigung helfen könnte und fragen Sie danach.
  • Auch Pausen, Erholung und Sport bieten eine gute Möglichkeit, um Veränderungsdruck aufzufangen. Lesen Sie hier mehr zu diesen Themen.
  • Es gibt leider auch immer wieder Situationen, mit denen wir uns unwohl fühlen, aber an denen wir nur wenig bis gar nichts ändern können. Beschäftigen Sie sich dafür z.B. mit dem Thema Resilienz. Auch können Sie sich die Strategie "Love it, leave it, change it" oder den Beeinflussungsradar näher ansehen.

Quellen

[1] Cummings, T. G., & Worley, C. G. (2015). Organization development & change. Stamford, CT: Cengage Learning.
[2] Schulte, E.-M., Wittner, B., & Kauffeld, S. (2021). Ressourcen und Anforderungen (ReA) in der Arbeitswelt: Entwicklung und erste Validierung eines Fragebogens. Gruppe. Interaktion. Organisation. Zeitschrift für Angewandte Organisationspsychologie (GIO), 52, 405-415.
[3] Mutaree (2016). Change-Fitness-Studie 2016. Abgerufen am 25.02.2020 von https://www.mutaree.com/downloads/Change-Fitness-Studie%202016%20Infogramm.pdf
[4] Mutaree (2017). TED-Umfrage 2017 - Macht Change krank?. Abgerufen am 25.02.2020 von https://www.mutaree.com/sites/default/files/ted_macht_change_krank_v02.00.pdf
[5] Mutaree (2018). Change-Fitness-Studie 2018. Abgerufen am 25.02.2020 von https://www.mutaree.com/downloads/Change-Fitness-Studie_2018_Infogramm.pdf
[6] Bundesministerium für Bildung und Foschung (2016). Zukunft der Arbeit. Innovationen für die Arbeit von morgen. Bonn, Deutschland: Publikation der Bundesregierung.
[7] Kauffeld, S., Endrejat, P. C., & Richter, H. (2019). Organisationsentwicklung. In S. Kauffeld (Hrsg.), Arbeits-, Organisations- und Personalpsychologie für Bachelor (3. Aufl., S. 73-104). Berlin, Deutschland: Springer.
[8] Wolter, U. (2017). Wandel fordert Führungskräfte und Mitarbeiter heraus. Abgerufen am 14.10.2020 von https://www.personalwirtschaft.de/der-job-hr/arbeitswelt/artikel/wandel-fordert-fuehrungskraefte-und-mitarbeiter-heraus.html
[9] Samuelson, W., & Zeckhauser, R. (1988). Status quo bias in decision making. Journal of Risk and Uncertainty, 1, 7–59.
[10] Stegmaier, R. (2021). Gesundheitsförderliche Gestaltung organisationaler Veränderungen. In A. Hoppe & A. Michel (Hrsg.), Handbuch Gesundheitsförderung bei der Arbeit. Interventionen für Individuen, Teams und Organisationen (1. Aufl.). Berlin, Deutschland: Springer.
[11] Rammsayer, T., & Weber, H. (2016). Differentielle Psychologie – Persönlichkeitstheorien. Göttingen, Deutschland: Hogrefe.
[12] Kauffeld, S., & Schermuly, C. C. (2019) Arbeitszufriedenheit und Arbeitsmotivation. In S. Kauffeld (Hrsg.), Arbeits-, Organisations- und Personalpsychologie für Bachelor (3. Aufl., S. 237-260). Berlin, Deutschland: Springer.
[13] Parker, S. K., Morgeson, F. P., & Johns, G. (2017). One hundred years of work design research: Looking back and looking forward. Journal of Applied Psychology, 102, 403–420. doi:10.1037/apl0000106
[14] Daudelin, M. W. (1996). Learning from experience through reflection. Organizational dynamics, 24, 36-48.
[15] Baus, L. (2015). Selbstmanagement: Die Arbeit ist ein ewiger Fluss. Wiesbaden, Deutschland: Springer Gabler. doi:10.1007/978-3-658-09593-2_14
[16] Seiwert, L. (2009). Das 1x1 des Zeitmanagement: Zeiteinteilung, Selbstbestimmung, Lebensbalance. München, Deutschland: Gräfe und Unzer Verlag.
[17] Kaluza, G. (2007). Gelassen und sicher im Stress. Berlin, Deutschland: Springer.


Bildquellen
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